Wie immer das gleiche! Als sie erfuhr, dass ein lang geplantes Wochenende wieder ins Wasser fällt wegen seiner Arbeit ist sie explodiert. Dabei versprach er doch, dass diesmal alles klappt. Ein Zimmer in einem kleinen, malerischen Hotel am Rande Hamburgs war bereits gebucht ebenso wie die Tickets für den Musical. Sehr lange Zeit ist es her, als sie etwas zusammen unternommen haben. Ein abendlicher Spaziergang mit anschließender Flasche Wein oder ein Couchabend mit paar DVD’s, Chips und gemeinsames Einschlafen nach den Sex. Monate sind bereits seit den letzten ruhigen, gemeinsamen Momenten vergangen an denen sein Handy mal ausnahmsweise nicht klingelte und er fluchtartig irgendwo hin musste weil die Welt ohne ihn zu kollabieren drohte. Und jetzt auch! Die Vorfreude auf den Abend, gemeinsame lange Autofahrt ohne Stress…alles verschwand so plötzlich wie der Nebel am Morgen. Es tat ihr weh und auch wenn sie ihn nicht unbedingt so tief verletzten wollte, brüllte sie ihn an. Laut warf sie ihm vor, die Arbeit sei wichtiger als sie und vielleicht wäre das nur Ausrede um eine andere Frau zu treffen. Zum Teufel soll er gehen und am besten nie wieder auftauchen. Als er laut die Tür zuknallte hörte sie noch wie er schnell die Treppen hinunter lief und dann wurde es ruhig. Sie drückte ganz fest einen Kissen an ihre Brust und kämpfte kurz mit den Tränen denn schnell wurde sie ehrlich zu sich selbst und erkannte, dass er eigentlich für diese Situation nicht die alleinige Verantwortung trägt. Es war eine gemeinsame Entscheidung das Haus zu kaufen. Sie beide wollten eigene vier Wände mit sauberen Gardinen in den Fenstern und einen gepflegten Garten mit der Schaukel und den bunten Rosen. Viel Papier wurde beschrieben als sie die Kosten für den Traum berechneten und am Ende zur Erkenntnis kamen, die nächsten Jahre wird die Arbeit an erster Stelle stehen um die Forderung der Bank zu tilgen. Dennoch hatte sie irgendwo in einer abgelegen Ecke des Herzens blauäugig gehofft, es wird doch nicht so extrem schwer wie vermutet. Eigentlich liebte sie ihn über alles und jetzt, nachdem er das Haus fast fluchtartig verließ, tat es ihr wieder Leid, dass sie ihm so schmerzhaft ihre unberechtigten Vorwürfe auf dem Kopf warf. Ein schwaches Lächeln verzerrte plötzlich ihre fest gepressten Lippen. Sie wird heute etwas feierliches kochen und ihm auf die eine oder vielleicht andere, intime Art zeigen, wie sehr sie ihn liebt. Hektisch griff sie zum Handy und tippte schnell eine Nachricht an ihn. Sie entschuldigte sich für den Wutausbruch und sagte ihm ihre volle Unterstützung zu. “Ich liebe Dich und freue mich auf deine Rückkehr”…mit diesen Worten wollte sie ihre tiefe und unzertrennliche Bindung zu ihm betonen. Lange Minuten starrte sie das Handy an, denn er antwortete immer schnell, egal wie extrem manchmal der Streit gewesen ist. Er war immer derjenige, der sich schnell wieder beruhigte und niemals länger als paar Minuten seine Beleidigung zum Ausdruck brachte. Der beste Mann der Welt…ihr Mann! Doch diesmal kam es anders. Als nach zwei, sich wie Ewigkeit ziehenden Stunden keine Antwort von ihm kam, fürchtete sie ihn diesmal zu tief verletzt zu haben. Nichts deutete darauf hin, dass sie ihn nie wieder sehen wird. Ein Herzversagen beendete sein Leben auf dem Weg zu Arbeit. Cholesterin und Bluthochdruck löschten sein Leben aus doch ihr Verstand und Gewissen machten sie dafür verantwortlich und die Schuld, die sie auf ihre Schulter nahm wird sie ihr ganzes Leben schwer belasten. Der Gedanke, dass sie sich im Streit trennten ohne sich voneinander zu verabschieden wird sich wie lähmendes Gift für lange Jahre in ihrer Seele verbreiten und tiefe Schäden hinterlassen.
Leider eine wahre Geschichte und während ich diese Zeilen hier verfasse, nimmt eine ähnliche irgendwo wieder ihren Lauf. Menschen streiten, verletzten sich gegenseitig, manchmal zutiefst um sich dann zerstritten voneinander zu entfernen. Sei es sie will raus auf die Straße um die Nerven abzukühlen oder der Streit fand morgens statt und er musst zu Arbeit. Ohne sich zu versöhnen, ohne kurzes „Bis dann“. Das Schicksal ist manchmal hart und launisch, schlägt plötzlich zu und hinterlässt dann die andere Seite für immer allein mit den, das Herz zerfetzenden Gedanken, dass vielleicht der Streit der Grund dafür war, dass der andere so unerwartet aus dem Leben gerissen wurde. Es gibt kaum etwas schlimmeres als eine geliebte Person zu verlieren. Doch die Trauer wird noch brutaler, wenn die Gedanken an den vielleicht unnötigen Streit und den fehlenden Abschied kurz vor dem Tod des geliebten Menschen das Herz zerfetzten. Hätte ich ihn bloß nicht angeschrienen….ich hätte mich noch vor ihm verabschieden sollen….warum ließ ich sie in diesem Zustand auf die Straße gehen…hätte ich bloß gewusst. Wenn diese Erkenntnisse sich im Kopf kumulieren ist es oft schon zu spät. Sie liegt dann alleine im Bett und kuschelt sich weinend in sein Hemd ein, das noch nach ihm riecht, er drückt fest ihr Kuscheltier an seinen Brustkorb und starrt stumpf in das dunkle Fenster! Aus alltäglichen Sachen, denen man früher wenig Aufmerksamkeit schenkte, werden plötzlich Ikonen, die an die geliebte Person erinnern, die man noch, bevor sie aus dem Haus ging, laut zum Teufel schickte. Wollt ihr, dass eines Tages Eure Schmerzen nach dem Verlust einer geliebten Person noch ins Unerträgliche gesteigert werden, nur weil ein dummer Streit nicht rechtzeitig beigelegt wurde und ihr, kurz bevor sie/er die Tür zuknallte, noch hinterher giftig brüllt, ihr wollt den anderen nie wieder sehen? Sei vorsichtig! Manchmal erfüllt der Gott unerwartet selbst die ausgefallensten Wünsche! Ein kurzes „Auf Wiedersehen“ kann nichts verhindern aber lindern kann es einiges.
