Verfassungsschützer ohne Richteramtseignung

Stephan J. Kramer war lange ohne zivilen Berufsabschluss. Berufen fühlte er sich trotzdem - bis heute. Die Bundeswehr verließ er als Oberleutnant. Sein Jurastudium brach er nach drei Universitätswechseln ab. Für manche ist das Fortkommen ohne Beziehungen eben schwer. Aber das sollte sich ändern. Er diente MdB's der CDU (u. a. Friedhelm Ost) und der FDP als Büroleiter. Mit dieser "Qualifikation" (Erfahrung als Sekretär und mit Zugang zu zwei Parteien) wurde er Generalsekretär des Zentralrats der Juden. Der Rat suchte jemanden, und es war ihm offenbar egal, dass Kramer gar kein Jude war. Gut, in der Abwägung Glauben gegen Job trat Kramer zum Judentum über.

Diese Zeit, die ihn beruflich offenbar nicht völlig ausfüllte, nutzte er, um an der FH Erfurt einen Abschluss in Sozialpädagogik zu machen. Er wechselte von der FDP (deren Mitgliedschaft opportun war, als er es bei der FDP probierte) zur SPD. Auch, um fortan von innen gegen Thilo Sarrazin hetzen zu können - und dann endlich zündete auch seine Karriere: Der thüringische Innenminister (SPD) ernannte den Sozialpädagogen und verdienten Sozialdemokraten Kramer 2015 zum Verfassungsschutzpräsidenten. Und zwar gegen die gesetzliche Sollbestimmung, dass dieser Präsident über die Eignung zum Richteramt verfügen solle. Der SPD IM konterte Kritik an der Ernennung Kramers mit dem Hinweis, "soll" heiße halt nicht "muss". Aber das sollte sich rächen.

Kramer zeigte in diesem Amt mehrmals Auffälligkeiten: In Auftritten zum NSU Untersuchungsausschuss zitierte er geheime Zahlen zur Vernetzung von NSU-Mitgliedern aus Wikipediaeinträgen (wie kamen die da rein und wer oder was ist die Quelle?). Anfang 2019 stufte Kramer die AfD rechtswidrig als "Prüffall" ein und wurde vom Verwaltungsgericht Köln zurückgepfiffen. Kramer hatte hier seine fehlende Richteramtseignung offenbar bis zum Bundesamt für Verfassungsschutz walten lassen. Aber Gott sei Dank traf er vor Gericht auf Richter, die für ihre Ämter geeignet waren:

Maßgeblich für die Entscheidung der Kammer war insbesondere, dass das Bundesverfassungsschutzgesetz für die Mitteilung, eine Partei werde als „Prüffall" bearbeitet, keine Rechtsgrundlage enthalte. Äußerungen von Hoheitsträgern wie dem Bundesamt, durch die in die Rechte einer politischen Partei eingegriffen wird, bedürften nach der Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung, die sich nach der klaren Gesetzeslage und insbesondere unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers dem vom Bundesamt genannten § 16 Abs. 1 BVerfSchG nicht entnehmen lasse.

Jetzt aktuell "warnt" er vor "rechten" (nicht: "rechtsextremen") Gewerkschaften und Betriebsräten ( Link). Anlass ist ein Vorkommnis in einem Betrieb zwischen einem Vertrauensmann und Beschäftigten, die von beiden Seiten mit unterschiedlichen Kontexten und Vorgeschichten dargestellt werden. Ich kann dazu nur so viel sagen, nachdem ich ein paar Quellen gelesen habe: Es gibt Dinge, die tut man nicht, auch nicht im Scherz, nicht aus "Ironie" und nicht auf Aufforderung. So etwas geht schnell nach hinten los. Ich mache mich hier mit keiner Seite gemein, vor allem nicht, bevor der Fall vor Gericht aufgeklärt und beurteilt wurde. Ich kann aber so viel aus eigener Erfahrung bzw. Beobachtung sagen: Was in Betrieben, Parteien etc. hinter den Kulissen abgeht, das würden sich Unbeteiligte nie träumen lassen. Wo Leute fehlende Kompetenzen und Minderwertigkeitskomplexe mit brennendem Ehrgeiz kompensieren wollen und dafür Strukturen missbrauchen, da rollen am Schluss oft auch Köpfe.

Wundern tue ich mich aber darüber, was ein thüringischer Verfassungsschützer mit dem Betriebsverfassungsgesetz zu tun haben soll. Auf welchem juristischen Boden bewegt er sich, wenn er "warnt"? Er hat eine Niederlage gerade hinter sich und tut es wieder. Weiß er, dass er sich selbst in strafbare Gefilde bewegt, wenn er Betriebsratswahlen behindern, bedrohen oder auch nur beeinflussen sollte ( §199)? Wenn so, dann hat er sicher auch bewertet, dass als Kläger nur Vertreter des BR, des Wahlvorstandes, des Unternehmens, aber auch einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft in Frage kommen, also nur unmittelbar beteiligte. Fühlt er sich deshalb sicherer? In Praxis kommt es immer auf die Feinheiten des Gesetzes an: Ab wann gilt eine Gewerkschaft als "im Betrieb vertreten" und könnte auf Kramer reagieren? Ich weiß es nicht.

Was mich an Kramers Äußerung stört ist, dass er nicht zwischen "rechts" und "rechtsextrem" unterscheidet. Rechtsextrem wäre abzulehnen. Das berichtete Verhalten zweier Betriebsangehöriger gegenüber einem Vertrauensmann würde ich als rechtsextrem bezeichnen, wenn es stimmt. "Rechts" wäre nicht abzulehnen. Die Älteren unter uns erinnern sich, dass es in der alten Bundesrepublik mal ein Spektrum von Gewerkschaften gab, dass auch konservative, damals noch als " christdemokratisch" (kann man sich heute nicht mehr vorstellen, ich weiß) und liberale ( Deutsche Angestellten Gewerkschaft) Farben abdeckte.

Aber vielleicht sind ihm die Farben von seinen politischen Freunden etwas verwischt worden. Denn Kramer ist auch Mitglied im Stiftungsrat der Amadeu-Stiftung (https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/ueber-uns/gremien/).

Mir macht es Sorge, wenn solche Gestalten Verfassungsorgane bekleiden - und sich dann in den Prinzipien unserer Freiheitlich Demokratischen Grundordnung nicht auskennen oder sich nicht dafür interessieren.

So hat es in Deutschland schon zweimal angefangen. Und inzwischen kann man sich aus den Mosaiksteinen unserer Zeit ein neues, gruseliges Mosaik zusammensetzen. Zeitgenossen, die den Beginn der Naziära oder den Beginn der Ulbricht/Stalin-Ära -oder im schlimmsten Falle beide- erlebt haben, bestätigen das.


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