Nach dem einmütigen Zusagebeschluss unserer Politiker in Bundestag und Rat wird mal wieder die Justiz im Nachhinein gebeten zu testen, ob denn alles mit rechten Dingen zugegangen ist und Menschenrechte und Würde gewahrt sind. Dieses politische Legitimationsverfahren “schwieriger ” Gesetze scheint seit einiger Zeit zum Standard des deutschen Parlamentarismus geworden zu sein. Das ist ein gefährlicher Weg für unsere Demokratie.
Es werden Gesetze im Interesse bestimmter Lobbygruppen gegen das Volk formuliert; die Zustimmung der Opposition dazu erkauft man sich mit einem scheinheiligen Kuhhandel und danach gibt man das Ganze zum Beschluss an Bundestag und Bundesrat, die mit einer verfassungssicheren Zweidrittelmehrheit zustimmen. Die Grenzen des Zulässigen und die Interpretationsspielräume des beschlossenen Gesetzes werden daraufhin ausgelotet; das Verfassungsgericht muss darüber befinden. Sollen damit Grenzen aufgelöst werden. Werden diese damit verschoben oder gar mit Zweidrittelmehrheit neu definiert, indem man einfach das Grundgesetz neu anpasst; und dadurch eben ein Mehr an marktkonformer Demokratie erreicht? Deiser Verdacht liegt nahe. Wir, die Bürger, müssen gegen den drohenden Verlust unserer Rechte und auch der Demokratie kämpfen. Verfassungsklage gegen den ESM ist unsere Pflicht als Demokraten. Man wird auch das Gefühl nicht los, dass die Politiker auf unsere Trägheit setzen, dass sie ausloten, wieviel wir schlucken, ohne sprichwörtlich zu klagen. Aber: die Klagen kommen; und das ist gut so. Für uns Bürger, und für unsere Demokratie. Besorgniserregend und demokratie feindlich hingegen ist die Art unserer sogenannten politischen Elite das Verfassungsgericht so häufig zum Ersatzlegitimationsorgan ihrer bürgerfernen Gesetze zu machen.
Die Klagen:
1. Unmittelbar nach der nächtlichen Abstimmung im Bundesrat faxte die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke ihre Klagen nach Karlsruhe. Sie reichten eine Organklage ein, weil sie ihre Rechte als Fraktion verletzt sieht.
2. Und zugleich legten die Bundestagsabgeordneten der Partei eine gemeinsame Verfassungsbeschwerde vor, weil ihrer Meinung (und auch meiner) nach das Gesetz zum ESM nicht verfassungskonform ist.
3. Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler ließ gegen Mitternacht eine weitere Verfassungsbeschwerde folgen.
4. Gauweiler lies eine Organklage wegen einer Verletzung seiner Rechte als Parlamentarier von einem Boten an der Pforte des Gerichts abgeben.
5. Der Verein “Mehr Demokratie” reichte eine Verfassungsbeschwerde ein, der sich nach Angaben der Organisatoren etwa 12.000 Bürger sowie der Bund der Steuerzahler angeschlossen haben. Diese Klage wird unter anderem von der SPD-Politikerin und früheren Justizministerin Herta Däubler-Gmelin vertreten.
6. Eine weitere Verfassungsbeschwerde stammt von einer Gruppe um den Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, der bereits gegen die Euro-Einführung geklagt hatte.
7. Zudem liegen dem Bundesverfassungsgericht nach eigenen Angaben bereits Klagen von zwei Bürgern vor, deren Namen nicht genannt wurden.
Weitere Klagen, vor allem Sammelklagen von Bürgerinitiativen und Pro-Demokratie Organisationen werden mit Sicherheit folgen. Die Ablehnung des ESM und Fiskalpaktes ist richtig. Aber genauso müssen wir uns fragen, welche effektive praktikable Handlungsalternativen für die Krisenbewältigung gibt es? Da sehe ich Defizite. Die Gegner haben der Öffentlichkeit noch keine klaren Thesenpapiere oder Gegenentwürfe geliefert. Der Glaubwürdigkeit willen und um überhaupt Handlungsoptionen zur Verfügung zu haben, müssen zumindest Diskussiondgrundlagen vorhanden sein; auf denen dann nach und nach Modelle entwickelt werden können.
Der ursprüngliche parlamentarische Konsensbildungsprozess muss wieder als Norm etabliert werden. Das Verfassungsgericht ist kein Gesetzgebungsorgan, das Gesetze legetimiert und umsetzt. Von diesem Weg sollten und müssen wir abkommen.
liebe Grüße von René Brandstädter