Verdünnter Hass so hoch wie nie

Der Kampf ist nach wie vor ein ungeheurer, er tobt seit mehr als 65 Jahren, er kostet Millionen und aber Millionen und scheint nun doch verloren zu gehen. Schuld ist wie immer das Internet, nach Expertenangaben der "größte Tatort der Welt". Hier machen sich nach aktuellen Erkenntnissen von Menschenrechts- und Internetorganisationen, die auf der ganz dem guten Zweck geweihten Tagung "Moderne Zeiten, neues Netzwerken: Jugend, Hass und Web 2.0" in Wien erstmals öffentlich wurden, immer mehr rechtsradikale, rechtsextreme und rechtsextremistische Seiten breit. Derzeit, so verriet Stefan Glaser vom staatlichen Hassaufsichtsamt jugendschutz.net der ebenfalls staatlichen Danachrichtenagentur dpa, sei die Zahl der diskriminierenden und menschenverachtenden Internetseiten in Deutschland "auf einem nie dagewesenen Hoch". Mit großem Aufwand habe seine Behörde zuletzt "rund 1800 deutschsprachige Websites" mit Hasspropaganda finden können, angesichts einer Gesamtzahl deutscher Internetseiten von nur 13 Millionen eine beunruhigend hohe Zahl.
Der Anteil rechter Netzseiten habe damit inzwischen beängstigende 0.0138 Prozent erreicht - damit sei schon jede 7100. Internetseite rechtsradikal oder gar extremistisch. Eine schiere Explosion von Hass und Hitlertum, denn noch von drei Jahren hatte Jugendschutz.net nur 1.700 Seiten mit rechtsextremistischen Inhalten feststellen können. Damals entsprach das einem Anteil von 0,0195 Prozent aller deutschsprachigen Internetseiten - umgerechnet war eine von 5000 Seiten der Menschenverachtung gewidmet.
Drei Jahre später ist "die Zahl von rechtsextremen Inhalten im Internet aus Sicht von Experten aktuell so hoch wie nie", rechnet dpa die "unter der Schirmherrschaft des OSZE-Büros für Demokratie und Menschenrechte, des Internationalen Netzwerks gegen Cyber-Hass (INACH) und der Antirassismus-Organisation Zara" (dpa) gewonnenen Erkenntnisse
zusammen. Nur schwerer zu finden ist er, der Hass "in der virtuellen Welt" (dpa), die entlang der einst vom späteren Parteispendennehmer Helmut Kohl gebauten Datenautobahnen entstanden ist. Kein Wunder, denn der Rechtsextremismus im Netz hält mit dem Wachstum des Netzes selbst einfach nicht mehr mit: Während die Zahl der deutschen Internetseiten seit 2007 um 62 Prozent zulegte, schaffte die nationale Netzgemeinde gerademal eine Steigerung um fünf Prozent.
Für Stefan Glaser von der gemeinsamen Netzaufsicht der Länder ein Grund zur Beunruhigung. Gehe die Entwicklung weiter in dieselbe Richtung, sagen Mitarbeiter von jugendschutz.net unter der Hand, werde es in zehn bis 20 Jahren selbst für Spezialisten schwierig, inmitten des normalen Netzbetriebs Hass-Seiten und menschenverachtende Propaganda zu finden. Derzeit behelfe man sich noch damit, "7000 extremistische Postings" unter den vielen Milliarden Einträgen in sozialen Netzwerken zur neue Bedrohung von Freiheit und Menschlichkeit aufzublasen und zu behaupten, dass rechte Hetzer mit Hilfe von "Diensten wie der Videoplattform Youtube immer professioneller in ihrer Ansprache an Jugendliche" (dpa) agierten. So seinen im offiziellen NPD-Kanal auf Youtube bis heute bereits drei hochprofessionelle zusammengestümperte Wackel-Videos zu sehen, die täglich durchschnittlich bis zu 50 Zuschauer fänden. Rein rechnerisch erreiche die beinahe verbotene Nazi-Partei damit in nur 4500 Jahren jeden einzelnen Deutschen. Als Gegenmaßnahme fordert Glaser die umgehende Einführung einer "neuen Kultur gemeinsamer Verantwortung von Politik, Unternehmen und Nutzern, um solche Angebote einzudämmen".


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