Vegetarische Blutwurst

Wie angekündigt und nach einer längeren unlustiges-RL-Pause hier mein Kommentar zum „Twilight“-Phänomen. Die Hasskappe bleibt in der Schublade, denn nach der Lektüre von „Bi(s) zum Morgengrauen“ (Scheiß Titel!) weiß ich, dass mich die Geschichte von Edward, dem Vampir und Bella, der Torte so sehr betrifft wie ein Fix&Foxi-Heft.
Für diejenigen, die entweder auf Papua-Neuguinea wohnen oder keine adoleszente Tochter haben hier eine kurze Zusammenfassung, worum es geht: Nekrophilie.
Ja, gut, ein bisschen mehr. 17 jähriger Ami-Backfisch verliebt sich in 90jährigen. Der seltsamerweise keine Ex-Fußballtitan ist, sondern Vampir. Der Vampir hat sie zum Fressen gern und verwechselt Blutlust mit Liebe. Soweit so normal.
Was ich nicht ganz nachvollziehen kann ist das Gewese um die blutarme Tetralogie. Ok, ich habe mich nur durch den ersten Band gekämpft und das meine ich wirklich wörtlich. Es war ein titanischer Kampf gegen den Schlafimpuls. Mehr als einmal hätte ich fast eine Kiefernsperre bekommen und das Lesen von Bis(s) zum Morgengrauen (Scheiß Titel!) kann ich wirklich nur in absolut schlafsicherer Haltung empfehlen, da das Buch spontane Narkolepsie verursachen kann.
Das kommt vor allem daher, dass nichts passiert. Die Liebesgeschichte ist schnell abgehandelt, denn wie, um Himmels Willen, wollte jemand erklären, dass sich ein pubertierendes Mädchen NICHT in den schönsten, reichsten, interessantesten Junge der ganzen Schule verknallt? Frau Meyer hat dann als Spannungselement noch ein bis(s)chen kindlichen Trotz eingestreut, aber die gute Isabella hatte von Anfang an keine Chance.
Die Motivation des jugendlichen Blutgreises wäre dann vielleicht etwas interessanter gewesen, wenn Stephenie ihr Pulver nicht auch schon in diesem Punkt früh verschossen hätte: Sie riecht wie sein Leibgericht! Oh wow. Ach, und er kann ihre Gedanken nicht lesen. Jeder der Twilight-Vampire ist nämlich nicht nur super schön, super stark, super schnell und sowieso allgemein super, nein, er oder sie hat auch noch eine coole Power. Und sie funkeln in der Sonne wie die Glanzbildchen in der Poesie-Alben der Leserinnenschaft. Funkeln? Jup. Ab hier spätestens dürfte jeder Mensch mit XY-Chromosomen das Buch angewidert in die Ecke gepfeffert haben.
Die Autorin, und das muss man hier auch mal ausdrücklich festhalten, hat uns aber auch wirklich nicht gemeint. Die Beschreibungen erschöpfen sich ausführlich darin, wie toll Edward denn nun aussieht und zwar in sehr ermüdenden, und repetitiven, Details. Ein Shopping-Ausflug der Protagonistin wird als Höhepunkt zelebriert, die danach folgende Fast-Vergewaltigung eher nüchtern geschildert. Wobei Edward, der Bella natürlich rettet, richtig gut aussieht, wenn er wütend ist und die bösen Jungs ausdrücklich nicht um Arme, Beine und Blut erleichtert.
Überhaupt zeichnet sich Bis(s) zum Morgengrauen (Scheiß Titel!) vor allem durch das aus, was nicht passiert. Es gibt keine Gewalt. Jedenfalls nicht explizit. Am Ende muss ein böser Vampir dran Glauben, aber das erfährt frau quasi in Nebensätzen. Humor ist ebenfalls abwesend, so wie jeder Anflug von Ironie oder Mehrdeutigkeit. Auch eine ganze Periode der modernen Geschichte ist nicht vorhanden. Die Welt der Twilight-Romane ist von den 50er Jahren sofort in die 0er gesprungen, die Postmoderne ist anderswo. Und Frauenbewegung sowieso. Das schwache Geschlecht wird von älteren Männern gerettet und gebissen wird erst nach der Hochzeit.
A propos. Über Sex in den Twilight-Büchern ist ja schon viel geschrieben worden, weil das Feuilleton Jungmädchensex genauso liebt, wie der nächste Mann. Und da zeigt sich so etwas wie Talent bei der Mormonin Meyer. Man kriegt mit, wie sich die 17jährige Bella nach diesem Stück kalten Braten verzehrt und quasi in hellen (Lust-)Flammen steht. Nur man liest es in nichts sagende Sätze hinein. Das Wort „Sex“ kommt nicht vor in Bis(s) zum Morgengrauen (Scheiß Titel!). Auch kein damit verwandter oder assoziierter Begriff. Außer natürlich, man deutet das ganze ‘Blut trinken’ – Thema so, wie es weiland die Gothic Horror Novellisten von Polidori bis Stoker getan haben, als Symbol für verbotenen Sex. Bei Twilight ist der Sex jedoch nicht nur verboten, er ist tödlich. Man könnte das als einen Kommentar zu AIDS sehen, aber das traue ich Frau Meyer nicht zu.
Vielmehr spricht aus dem Buch die Weltsicht einer stockkonservativen US-Amerikanerin, die sich eine Welt mit festen Werten, festen Rollenverteilungen und unbegrenzten Ressourcen zusammen gesponnen hat.
Und zur Popularität dieser Bücher möchte ich noch eine kleine Geschichte erzählen: Mein Lieblingsbuch als ich so 9 oder 10 war hieß „Mein geheimnisvoller Freund“. Darin ging es um einen Jungen, Lasko, der unbeliebt, linkisch und einsam war. Dieser Junge begegnet einem Außerirdischen wie aus einem feuchten Hugo Gernsback-Traum. Die dieser Mann vom Planeten Bella (!) bringt Lasko Judo bei, bessert sein englisch mittels Hypnosemaschine auf und schenkt ihm das Selbstbewusstsein, sich seinen Peinigern (heute würde man ‘Bullies’ sagen) zu stellen und Achtung zu gewinnen. Ich wäre so gerne Lasko gewesen! Ich habe davon geträumt, auf einer Flugscheibe durch die Gegend zu fliegen, zusammen mit meinem außerirdischen Freund.
Deswegen verstehe ich die Mädchen gut, die Bis(s) zum Morgengrauen (Scheiß Titel!) lesen und seufzen und von ihrem Vampir träumen, der sie huckepack nimmt und durch die Wälder rennt oder was auch immer mit ihnen macht.

Aber was habe ich damit zu tun? Gar nichts! Also, liebe Leute, wenn ich das nächste Mal sage, dass ich Vampire, das Rollenspiel spiele, auf das World of Darkness MMO warte oder die Sonja Blue Romane cool fand und ihr was von „Twilight“ knichelt: Fuck you!


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