Die Fronten im US-Haushaltsstreit sind nach wie vor verhärtet. Gab es kürzlich erste Anzeichen dafür, dass die Republikaner zumindest ein wenig einlenken und die Schuldenobergrenze zumindest minimal erhöhen lassen würden, so sieht das Bild heute wieder völlig anders aus. Ohne eine kurzfristige Einigung drohen ab morgen die ersten Zahlungsausfälle der US-Bundesregierung, und damit ein Kollaps der globalen Finanzmärkte.
Seit dem Jahr 2000, als die Bundesschuld noch bei etwa 3,2 Billionen Dollar lag, hat sich der Betrag auf 11,2 Billionen Dollar verdreieinhalbfacht. Knapp 5,3 Billionen Dollar davon schulden die Vereinigten Staaten ausländischen Institutionen und Staaten, und rund 1,7 Billionen Dollar der US-Notenbank. Ohne Anhebung der Schuldenobergrenze kann die US-Regierung jedoch den Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Damit droht ein Zusammenbruch der Finanzmärkte, gegen den die bisherigen Finanzkrisen nur wie ein Probelauf aussehen würden.
Das Ende des "amerikanischen Jahrhunderts"
Noch ist der US-Dollar trotz der Gelddruckorgien der Fed die Weltreservewährung Nummer Eins. Angesichts der politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Turbulenzen drängen jedoch immer mehr Staaten darauf, dass der Euro diese Rolle übernehmen solle. Denn im Gegensatz zur US-Währungspolitik, in der die Notenbank quasi unbegrenzt Dollars auf den Markt werfen kann, scheint die EZB eine vernünftigere Linie zu fahren. Wenngleich auch in Europa immer noch einige wirtschafts- und finanzpolitische Gefahren drohen.
Doch das "Land der unbegrenzten (Gelddruck-)Möglichkeiten wird schon angezählt. Das Vertrauen in die größte Volkswirtschaft der Welt schmilzt dahin wie der Schnee in der Frühlingssonne. Immer mehr Bruchstellen im US-System wurden in den letzten Jahren seit dem Ausbruch der Lehman-Krise sichtbar, so dass gar ein Auseinanderbrechen des Bundesstaats (wie ich in meinem Buch "USA – Eine Supermacht zerfällt" ausführlich dargestellt hatte) immer wahrscheinlicher wird. Selbst die militärische Dominanz wird angesichts der knappen Geldmittel nicht mehr lange zu halten sein, so dass die Bedeutung der Regionalmächte steigen wird.
Kollabieren auch die Banken?
Im Zuge eines US-Zahlungsausfalls und des daraufhin wahrscheinlichen Zusammenbruchs der Finanzmärkte wird auch das nach wie vor stark angeschlagene Bankensystem dramatisch leiden müssen. Angesichts der fehlenden finanziellen Reserven der Staaten, die ihr Pulver in den letzten Krisenjahren weitestgehend verschossen haben, dürfte das drohende Desaster an den Finanzmärkten dazu führen, dass selbst die immer wieder versprochene Einlagensicherung von 100.000 Euro in Europa nicht umsetzbar sein dürfte.
Selbst in den Vereinigten Staaten, in denen Konkurse von Banken – im Gegensatz zu Europa – politisch zugelassen werden, kann von einer unfassbaren Vermögensvernichtung ausgegangen werden. Da das gesamte Bankensystem sehr eng miteinander verbunden ist, käme dies einem "Domino-Day" der Banken gleich: Der finanzielle Zusammenbruch der ersten Banken würde die erst die anderen angeschlagenen Banken erfassen, um sich dann auch auf jene Banken auszuwirken, die ihre Bilanzen weitestgehend in Ordnung gehalten haben. Für diesen Fall wäre nämlich selbst eine Eigenkapitalabdeckung von 25% deutlich zu wenig.
Nachtrag zur vorübergehenden Einigung
Wie es scheint, haben sich die Senatsführer beider Parteien auf eine vorübergehende Anhebung der Schuldenobergrenze geeinigt. Diese muss allerdings zusätzlich zu den demokratischen Abgeordneten auch von mindestens 20 Republikanern unterstützt werden. Bedingt durch das Persönlichkeitswahlrecht sind die US-Abgeordneten jedoch kaum einem Fraktionszwang ausgesetzt, Ob sich genügend moderate Republikaner finden werden, muss sich noch zeigen.
Doch selbst wenn es zu einer Zustimmung kommt, gleicht dies dem Spruch "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben". Damit wird lediglich ein wenig Zeit gekauft, so dass die Weltwirtschaft Dank der Rolle des US-Dollars als Weltleitwährung nach wie vor von den innenpolitischen Querelen in den Vereinigten Staaten betroffen ist.