Urlaubsgeflüster

Urlaubsgeflüster

Der Tag beginnt mit dem Adhan. Hier und da werden Lichter angeknipst. Die Aussicht ist leicht vernebelt und alles andere ungewöhnlich still. Noch ist die Stadt am schlafen.

Während des Frühstücks auf dem Balkon gibt es bereits mehr zu sehen und zu hören. Heute nehmen todesmutige Bauarbeiter unsere vollste Aufmerksamkeit in Anspruch. Eigentlich soll nur ein neues Mehrfamilienhaus entstehen. Wir aber fühlen uns wie in einer Stuntshow, als wir sehen wie die staubigen Männer auf dem Dach des gerüstlosen Baus herum balancieren. Zur Pause setzen sie sich an die halb fertigen Fensterrahmen und lassen die Beine mal eben in 30 Meter Tiefe baumeln.

 Meine Mutter hat sich schon am ersten Tag mit den Nachbarinnen angefreundet. Die kleine, für ihre 7 Jahre schon erstaunlich temperamentvolle Nachbarstochter klingelt des öfteren und ruft meine Schwester zum Spielen. Meine Schwester ist irritiert. Sie versteht nicht so ganz, wie das hier mit der „Terminabsprache“ läuft. 2 Wochen lang nicht…

Mir fehlt es diesen Urlaub ein wenig an Gesellschaft. Zu tiefgründigen Gesprächen mit gleichaltrigen Türkinnen kommt es nicht. Wenn überhaupt können sie sich nur für mich begeistern, wenn ich erwähne, dass ich mit Ismail-YK (türkischer Pop-Star) denselben Wohnort teile.

Da wir uns keinen Kopf darüber zerbrechen müssen, wo wir zu den Gebetszeiten problemlos unser Wudu durchführen und unser Gebet verrichten können, brauchen die Shoppingtouren nicht groß durchgeplant werden. Um die Mittagszeit gehen wir auf den Samstagsmarkt. Jeder Tag hat hier seinen eigenen Markt oder jeder Markt seinen eigenen Tag. Am coolsten finde ich hier die Verkäufer, die zu den unterschiedlichsten Melodien und Rhythmen Lieder zu Kartoffeln, Zwiebeln oder Tomaten komponieren. Sie gehen mir den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf. Der Weg dorthin und wieder zurück ist eine kleine Herausforderung und führt zu so einigen Adrenalin-Kicks. Sowohl eine rote Ampel als auch Zebrastreifen sind hier nämlich anders definiert.

Fast in jeder Ecke findet man gemütliche Sitzbänke mit schöner Aussicht auf die bunte Stadt. Nach dem Gebet am späten Nachmittag sitzen wir mit einem Päckchen Sonnenblumenkernen aka Grundnahrungsmittel auf einer dieser Bänke und genießen die Sonne, den frischen Luftzug und die grüne… obwohl, so grün ist die Wiese gar nicht. Sie ist zugeschneit mit Sonnenblumenkernschalen. Überall, soweit das Auge reicht. Das erklärt die schrägen Blicke auf unsere kleine, selbstgebastelte Mülltüte aus Taschentüchern.

Die Dunkelheit bricht an. Während wir versuchen die zahlreichen Hochzeits-Feuerwerke am Himmel zu zählen, sitzen wir auf dem Balkon und schlürfen schwarzen Tee. Die neonfarben angestrichenen Schaukeln quietschen noch immer. Vier Frauen, die sich zu zweit jeweils eine Kinderschaukel teilen, unterhalten sich lachend. Die Kinder spielen seit Stunden fangen.

So werden wir noch ein paar Tage auf dem Balkon sitzen und die Geräusche, die Farben, die Menschen in uns aufnehmen. Mal werden wir uns wünschen die Abreise um einige Tage verschieben zu können, mal die Nachbarn mit unserem schiefen „Schland ooooh Schland! Wir sind von dir begeistert!“ nerven.

Dann werden wir die Koffer packen.



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