Tegut mauert sich ein – Nachhaltigkeitsidee nur Greenwashing
Autor Toby Leo Link
Am vergangenen Donnerstag berichteten wir über die Anklage gegen drei Studenten, dich abgelaufene Lebensmittel aus einer Tegut-Filiale geklaut haben sollen. Neben dem völlig unverhältnismäßig gefordertem Strafmaß(4.500€ Strafe oder drei Monate Gefängnis) scheint Tegut sich dem Containererproblem zu entledigen: Ein Metallzaun schützt die nicht mehr zu verkaufenden Lebensmittel vor “Tonnentauchern”.
Es ist ein Paradoxon. Wie aus dem Lehrbuch. Aus dem Lehrbuch der Paradoxa? Ok, das gibt es nicht, aber wenn es eins gäbe, so wäre dem “ökologischen” Supermarkt Tegut das erste Kapitel gewidmet.
Nachhaltigkeit als Greenwashing-Strategie
Schaut man auf der Homepage von Tegut vorbei und klickt auf den Reiter “Nachhaltigkeit”, so wird einem unter anderem der Film “Taste the Waste” ans Herz gelegt. In dem Film geht es um eine kritische Auseinandersetzung mit der verschwenderischen Lebensmittelindustrie. Vergleicht man die Umweltideale, die auf der Tegut-Seite propagiert werden mit der Anklage gegen die drei Studenten, die in einer Tegut-Filiale containert haben sollen, so muss man ungläubig den Kopf schütteln.
Einerseits wird die Lebensmittelverschwendung kritisiert, andererseits ändert Tegut nichts an den eigenen verschwenderischen Strukturen. Da werden Tipps an die Verbraucher an die Hand gegeben wie man klug einkauft und Reste von Lebensmittel verwerten kann – und gleichzeitig werden drei junge Studenten angeklagt, Lebensmittel geklaut zu haben. Zwar beteuert Tegut jemals die drei Studenten angeklagt zu haben, doch wirkt die Außendarstellung von Tegut alles andere als professionell. So kann man folgendes von einem enttäuschten Nutzer auf der Facebook-Seite von Tegut lesen:
Entschuldigung, aber ich bin wirklich genervt von dieser standardisierten immergleichen Antwort. Diese “Zusammenfassung” geht nicht ehrlich mit den Kunden um und nimmt diese offenbar nicht für voll. Zunächst wurde lange behauptet keine Anzeige erstattet zu haben, dann wurde Sie nur “aus Versehen” erstattet. Niemand erstellt “aus Versehen” eine Anzeige, diese muss schließlich unterschrieben und protokolliert werden. Das ganze tegut-Engagement im Bereich der Lebensmittelverschwendung scheint wohl nur PR und “green-washing” zu sein. Der gesamte Social Media Auftritt geht nicht ehrlich mit den Fragestellern um, erscheint durch standardisierte Antworten sehr unprofessionell und dreist. Mein Tipp: tegut ab sofort boykottieren und auch im Freundes- und Bekanntenkreis dafür werben.
Selbst wenn Tegut die Anklage gar nicht beabsichtigt hat – warum ändert Tegut nichts an seinen verschwenderischen Strukturen und errichtet anstatt dessen lieber einen neuen unüberwindbaren Metallwall? Wenn Teegut wirklich etwas an echter Nachhaltigkeit liegen würde, so würden sie wenigstens Verständnis für die drei Lebensmittelretter zeigen. Tun sie aber nicht. Dass Tegut auf kritische Einzelanfragen mit der “Zusammenfassung” reagiert ist schließlich die Krone des Greenwashings. Diese Strategie des Versteckens erinnert eher an die perfiden Methoden die Sykpe oder PayPal fahren.
Zu der verbarikadierten Laderampe gibt es auf dem Blog “Containerprozess Witzenhausen” einen neuen Eintrag, den ich an dieser Stelle gerne in ungekürzter Form wiedergeben möchte:
Die Tegut – Filiale in Witzenhausen hat ihre Laderampe weiter verbarrikadiert. Der bisherige Stahlgitterzaun, der 30cm unter der Decke endete, wurde ganz bis zur Decke erweitert. Des weiteren wurden im unteren Bereich Bleche vor den Zaun genietet. Genau hinter diesem Zaun stehen die Mülltonnen in welchen tagtäglich genießbare Lebensmittel entsorgt werden. Tegut möchte dies scheinbar verheimlichen, weil die Unternehmenswerbung und das aufgebaute Image etwas anderes vermuten lassen. Es liegt der Verdacht nahe, dass dies die Unternehmenspolitik von Tegut ist, da auch in benachbarten Städten vermehrt Mülltonnen von Tegutfilialen hinter Gittern verschwinden. Diese Verheimlichungs- und Wegschließpolitik seitens Teguts zeigt eindrucksvoll, dass es in der kapitalistischen Warenproduktion nicht um die Befriedigung von Bedürfnissen geht. Auch in den Industrieländern gibt es Menschen, die sich nicht ausreichend Lebensmittel kaufen können, obwohl bis zu 50% der Lebensmittel ungenutzt entsorgt werden. Die kapitalistische Warenproduktion findet ausschließlich zur Mehrwerterziehlung und somit zur Kapitalvergrößerung statt. Das durch die Ware Lebensmittel Menschen ihr Bedürfnis nach Essen befriedigen können, ist lediglich der ökonomisch nebensächliche Gebrauchswert dieser Waren. Im Kapitalismus wird nicht für Bedürfnisse, sondern für den Bedarf produziert. Der Bedarf ist ein mit Kaufkraft verbundenes Bedürfnis. Es wird also nicht begonnen Lebensmittel zu produzieren weil Menschen hungern (Bedürfnis). Es wird erst begonnen zu produzieren, wenn die Menschen, die hungern, auch für ihr Essen genügend bezahlen können (Bedarf).
Dies betrifft natürlich auch die Produktion von Bio-Lebensmitteln. Sobald diese für den Markt produziert werden,
Demo vor dem Landgericht Eschbach am 4. Februar 2014
werden sie nicht für Menschen mit wenig oder keinem Geld produziert. Für Biolandwirt_innen spielen Menschen ohne oder mit wenig Geld somit keine Rolle, da sich nur mit wohlhabenderen Konsumierenden eine mehrwertorientierte Produktion realisieren lässt (dies soll keine direkte Kritik an den Produzierenden von (Bio-)Lebesmitteln sein, es handelt sich um ein systemimmanentes Problem der kapitalistischen Warenproduktion). Lebensmittel werden nicht generell zum Wohle aller Menschen produziert, auch wenn dies oft so dargestellt wird. Die nicht an die Konsumierenden verkauften Lebensmittel werden lieber weggeschmissen und vor Menschen, die davon gerne leben würden, weggeschlossen. Die genießbaren Lebensmittel in den weggesperrten Tegut-Mülleimern sind das Eigentum von Tegut. Dieses Eigentum ist für Tegut völlig nutzlos, dennoch verteidigen sie es vor Menschen, die die Lebensmittel wirklich brauchen würden. Genau auf dieser Eigentumslogik basiert die Verteilung von Ressourcen in dieser Welt. Eine der wichtigsten Aufgaben des Staates ist es die Eigentumsverhältnisse zu verteidigen. Dies übernehmen die Polizei und das Justizsystem. Mit Abstand die meisten sog. Straftaten, weswegen Menschen vor Gericht stehen und auch in den Knästen verschwinden haben mit Eigentumsdelikten zu tun. Bei einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich muss wohl nicht erwähnt werden, wen dies in der Regel trifft. Auch hier spielt die gesellschaftliche Ressourcenverteilung eine große und menschliche Bedürfnisse überhaupt keine Rolle. Das in den Industrieländern doch nicht so viele Menschen hungern und verhungern, wie es nach einer rein ökonomischen Betrachtung der Fall sein müsste, hängt damit zusammen, das von Seiten der Politik durchaus erkannt wird, dass es zur Stabilität beiträgt, wenn die Unterpriviligierten und Armen in dieser Gesellschft mit einem Minimum, das gerade zum Überleben reicht, unterstützt werden. Auch private, almosenbasierte Initiativen wie die Tafeln kümmern sich darum, dass ein Teil der ökonomisch überflüssigen Lebensmittel doch noch zu den Menschen gelangen.
Tegut behauptet im witzenhäuser Containerverfahren, dass die Angeklagten Lebensmittel, die für die Tafel bestimmt gewesen seien, gestohlen hätten. Durch diese Anschuldigungen von Tegut zeigt sich, dass es durchaus vorkommt das Lebensmittel die Tegut an die Tafel spendet auch bei Temperaturen von tagsüber 32°C im Freien auf der oben beschriebenen Laderampe, auch ohne Schutz vor Mäusen und Ratten, gelagert werden. Dies wurde auch vom stellvertretenden Tegut-Geschaftsführer bei der Zeug_innenbefragung am ersten Prozesstag bekräftigt. Die Bleche vor der Laderampe schützen weder vor hohen Temperaturen, noch vor Schadnagern. Sie schützen vor den Blicken einer kritischen Öffentlichkeit, denen solche Zustände in Zukunft verborgen bleiben sollen.
Wir fordern den sofortigen Abbau des Zaunes, damit wenigstens die noch genießbaren Lebensmittel in den Mülltonnen von Tegut „containert“ werden können!
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Wie können wir den drei helfen? Eins können wir alle tun: Unsere Meinung auf der Tegut-Facebookseite kundtun oder ein Fax (fertige Version) senden (via Minifax.de kannst Du kostenslos Faxe senden).
Wer mag kann die drei auch finanziell unterstützen, damit sie die Kosten für Material, Drucke, Sprit usw. decken können.
/// spenden Inh.: Spenden & Aktion Volksbank Mittelhessen IBAN: DE29513900000092881806 BIC: VBMHDE5FXXX Betreff: containerprozess-wiz
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Foto http://containerprozesswiz.blogsport.de/
blogbeiträge http://mantovan9.wordpress.com/2014/01/26/containern-kriminalisierung-und-wegwerfmentalitat-anklagen/
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