Hallo liebe Leserinnen und Leser,
heute möchte ich Sie wieder mit nach Frankreich nehmen und Ihnen einen kleinen Einblick geben, wie wir dort reisen.
Camping in Frankreich ganz auf unsere Art
Wie Sie inzwischen vielleicht wissen, sind der LEM und ich Campingfans. Aber nicht von der Sorte, die seit 25 Jahren jeden Sommer auf den gleichen Campingplatz in X oder Y fährt, sich dort bei Ankunft auf den seit ebenfalls 25 Jahren etablierten Stammplatz in Parzelle A oder B stellt, wo man alle Jahre wieder auf die gleichen Campingnachbarn trifft und eigentlich, von kleinen metereologischen Abweichungen abgesehen, schon im Voraus weiß, wie der Urlaub von Tag 1 bis 14 ablaufen wird. Ebensowenig sind wir Freunde eines sich in den letzten Jahren verstärkt etablierenden Trends, des Glampings (abgeleitet von glamorous camping), wo man mit einem Wohnwagen oder Wohnmobil in einer Preislage, die dem eines kleinen, nicht mobilen Eigenheims entspricht, auf einem Luxuscampingplatz aufläuft, der sich mit goldfarbenen Armaturen in allen Sanitäranlagen, einem ausgedehnten Wellnessbereich, einem Vier-Sterne-Restaurant und einem Animationsprogramm für die Altersklasse von 9 Monaten bis 99 Jahren brüstet.
Naturnah und doch komfortabel campen
Wir halten es im Urlaub eher mit dem Motto: so weit wie möglich in und zurück zur Natur. Natürlich nicht so weit, dass wir mit einer löcheringen Luftmatratze unter einer nicht bei jeder Wetterlage dichten Zeltplane liegen. Diese Phase haben wir hinter uns. Inzwischen gönnen wir uns ein gewisses Maß an creature comforts, sodass wir auch im Wohnwagen nicht auf ein Bett mit Lattenrost, einem Dreiflammen-Gaskochherd, Kühlschrank, Minibad mit Toilette und Beleuchtung auf 12 Volt Basis verzichten möchten. Bei der Aussprache unseres Urlaubsgefährts liegt die Betonung noch deutlich auf der zweiten Silbe, also Wohn-Wagen. Das heißt, wir wollen im Urlaub nicht an ein und demselben Ort verweilen, sondern mit dem Wohnwagen am Haken Land und Leute unseres gewählten Reiseziels erkunden. Obwohl wir seit einem Vierteljahrhundert passionierte Frankreich-Wohnwagenreisende sind, waren wir in all den Jahren doch kaum an einem Ort öfter als insgesamt zehn, zwölf Tage. Maximal.
Wohnwagen Westfalia Columbus – Reisen mit einer Rarität
Seitdem wir vor 10 Jahren unseren (gebrauchten) Westfalia Columbus gekauft haben, hat sich diese Lust am Umherziehen deutlich vestärkt. Manchmal glaube ich, dass die ständige Sehnsucht nach neuen Plätzen, neuen Landschaften, neuen Eindrücken und neuen Campingbekannten aus aller Welt sogar richtig süchtig macht. Mit unserem Columbus, der in der altbewährten Form eines traditionellen Wohnwagens daherkommt, von seinen inneren Werten her aber einem Wohnmobil gleichwertig ist, sind wir richtiggehend angefixt worden. Wir wollen nicht ruhen, wir wollen reisen! Die einzige, die uns diesbezüglich momentan ein wenig ausbremst, ist unsere alte Hündin, die lange Autofahrten nicht mehr besonders schätzt und durch den ständigen Ortswechsel leicht noch verwirrter wird. Wenn sie dann jedoch auf ihrem Hundebett unter dem Tisch der Rundumsitzgruppe liegt, ist ihre Hundewelt auch en route wieder in Ordnung.
Der Westfalia Columbus im Originalzustand vor der umfangreichen Reparatur.
Der Westfalia Columbus nach der Reparatur, mit neuer Lackierung.
Fast jede Nacht woanders übernachten
Manchmal planen wir eine Reiseroute minutiös im Voraus, manchmal setzten wir uns nur ein Anfangsziel und machen die nächsten Etappen von unserer Lust und Laune oder dem Wetter abhängig. Bei unserem Urlaub im vergangenen Herbst (darüber können Sie hier und hier mehr erfahren), machte uns nach einer Woche das Wetter einen Strich durch die Urlaubsplanung. Es war gerade die Zeit der großen Herbstspringfluten, was sich an der Nordküste Frankreichs in ungewöhnlichen hohen Wasserständen bemerkbar macht. Während unseres Aufenthaltes in Le Crotoy kam das Wasser jedoch nicht nur vom Meer her, sondern auch in Strömen vom Himmel. Nach einer unruhigen Nacht, in der der Sturm den Regen wie ein nicht enden wollendes Flatterband horizontal vor sich hertrieb, beschlossen wir am Morgen, unsere Zelte (beziehungsweise den Wohnwagen) dort abzubrechen (sprich: an die Anhängerkupplung des PKW zu hängen) und die Flucht ins Landesinnere anzutreten. Als Ziel für die nächste Urlaubsetappe hatten wir uns den Lac d’Orient bei Troyes ausgesucht.
Weil wir unterwegs in einem dieser riesigen Hypermarchés, die es in ganz Frankreich in der Peripherie der größeren Städte gibt, hängengeblieben waren (ich bei der Abteilung mit den Taschenbüchern, der LEM in der Weinabteilung) war abzusehen, dass wir die Strecke nicht in einem Tag schaffen würden. Also nahm ich bei der Weiterfahrt unsere persönliche “Reisebibel”, den ACSI Stellplatz- und Campingführer in die Hand und suchte nach einem dort aufgeführten Wohnmobilstellplatz, auf dem es sicher übernachten ließe.
Campen mit Logenblick auf die mittelalterliche Messestadt Provins
Durch Zufall ergab es sich, dass wir gerade kurz vor dem Städtchen Provins waren, wo sich laut ACSI ein Wohnmobilstellplatz mit angeschlossener Entsorgungsstation befindet. Also hieß es, beim nächsten Kreisverkehr nach links auf den Parkplatz hinter dem Busbahnhof abzubiegen. Dort erwarteten uns bereits 5 andere Wohnmobile und ein spektakulärer Blick auf die Festungsmauern von Provins. Diese wurden abends bis 23 h durch Scheinwerfer dramatisch in Szene gesetzt. So nächtigten wir direkt neben der Stätte, die 2002 in das Weltkulturgut der UNESCO eingetragen wurde.
Eine der schönsten mittelalterlichen Städte Frankreichs
Am nächsten Morgen machten wir uns daran, das mittelalterliche Provins zu erkunden. Obwohl es nur eine gute Fahrstunde von Paris entfernt ist, wird es doch vielen Reisenden, zumindest aus Deutschland, nicht bekannt sein. Dabei zählt Provins zu den schönsten und vor allem best erhaltesten mittelalterlichen Städten Frankreichs. Im 12. und 13 Jahrhundert zählte die Hauptstadt der Grafen von Champagne mit den gewaltigen, bis zu 5 Kilometer langen Festungsmauern zu den führenden Messestädten und wichtigsten Umschlägplätzen des Kontinents. In ihren engen, von Fachwerkhäusern gesäumten Gassen tummelten sich einst Tuchmacher aus dem benachbarten Flandern, Gewürzhändler aus dem Orient, Kaufleute von nah und fern sowie Dichter und Intelektuelle. Als sich im 14. Jahrhundert die Handelswege änderten, die Messen an Bedeutung verloren und die Region durch Kriege und Epidemien verwüstet wurde, verlor Provins allmählich, aber stetig an historischer Bedeutung. Heute kann man nicht nur eine Stadt wie aus dem mittelalterlichen Bilderbuch, sondern ebenfalls 58 in das Inventar der historischen Denkmäler eingetragene Denkmäler bewundern. Am besten in der Nebensaison, wenn man sich die Gassen und Plätze nur mit den französischen Schulkindern der Region, zu deren schulischem Pflichtprogramm ein Ausflug nach Provins zählt, und nicht mit Hunderten von Sommertouristen teilt.
Zu einer kleinen virtuellen Tour durch Provins möchte ich Sie im Folgenden einladen:
Die mitelalterliche Messestadt Provins
◄ Zurueck Vor ► Bild 1 von 7Tor Saint-Jean
Zur Webstite von Provins geht es hier.
Ich hoffe, dass Ihnen unser heutiger Ausflug wieder gefallen hat. Falls jemand unter Ihnen Fragen zu unserem Wohnwagen, dem Westfalia Columbus hat, kann er oder sie sich gern per Mail melden. Damals wurden insgesamt ja nur 300 Stück gebaut, von denen nicht mehr allzu viele noch in Betrieb sind. Die meisten (wenn nicht sogar alle) hatten Feuchtigkeitsschäden durch Undichtigkeiten an den Kederleisten. Wir haben dies vor 4 Jahren in einer umfangreichen Reparatur- und anschließenden Verschönerungsaktion beheben lassen und geben unsere Erfahrungen diesbezüglich gern weiter.
Ihnen ein schönes Wochenende. À bientôt.
Ihre Heike Kügler-Anger