Unnötiger Generationenkonflikt*

Über mehrere Monate hinweg zieht sich nun die vermeintliche Schlacht schon hin. In der SP tobt kurz vor den Nationalratswahlen ein heftiger Streit, in dem es um „Nachwuchspolitiker“ gegen „Sesselkleber“ zu gehen scheint. Der vorläufige Höhepunkt ist die Nichtnominierung der langjährigen Nationalrätin und Mietrechtsexpertin Anita Thanei, die viel verbrannte Erde hinterlassen hat. Wofür eigentlich? Die Fronten scheinen auf den ersten Blick klar: Die Jungen wollen, dass ihnen die Alten im Parlament Platz machen. So einfach ist es aber nicht. Als 25-jähriger Gemeinderat der Stadt Zürich, der erst seit einem Jahr im Parlament sitzt, würde ich theoretisch zu jenen gehören, die von den „Alten“ Rücktritte forden müsste. Dieses Geheule und die Art wie diese Diskussionen aber geführt werden, gehen mir aber enorm auf die Nerven. Jung sein ist kein Programm! In einem Parlament braucht es erfahrene, langjährige Politikerinnen und Politiker, die den Politbetrieb kennen und sich mit ihrem über Jahre hinweg angeeigneten Sachwissen, Know-How und Netzwerk engagieren. Gleichzeitig braucht es auch Nachwuchskräfte, die frische Ideen einbringen. Es braucht also eine Mischung aus beiden. Und dafür ist in der SP gesorgt. Bevor die unnötigen „die Dinosaurier müssen weg“-Forderungen gestellt wurden, war die Durchmischung bei den Wahlen 2011 bereits absehbar. Und mit der Tatsache, dass die beiden langjährigen und verdienten NationalrätInnen Christine Goll und Mario Fehr nicht mehr zu den Wahlen antreten werden, wurden bereits zwei Listenplätze für Nachwuchskandidaturen frei. Das ganze Theater darum, dass weitere Personen, namentlich Anita Thanei oder Andi Gross, nicht mehr antreten sollen, war also unnötig und roch meiner Ansicht nach lediglich nach Profilierungssucht ungeduldiger Jungpolitiker, die möglichst ins Rampenlicht wollen. Als Jungpolitiker finde ich das falsch, schade und sehr bedauernswert. Es werden unnötigerweise Gräben aufgerissen, Parteikolleginnen und -kollegen brüskiert und Schlammschlachten ausgetragen. Das ist nicht nur schädigend, sondern auch höchst unwürdig jenen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger gegenüber, die sich seit Jahren für eine sozialere Schweiz einsetzen. Als Anita Thanei mitteilte, dass sie darauf verzichte, sich erneut vor den Delegierten zu präsentieren, um vielleicht den letzten Listenplatz zu erhalten, quittierte die Juso dies mit dem Kommentar, Anita habe der Partei „den letzten Akt dieses Theaters“ gespart. Was für eine höhnische und für eine Jungpartei, die sich sonst das Wort sozial nicht genug auf die Fahne schreiben kann, peinliche Aussage!   Selbstverständlich gibt es sogenannte „Sesselkleber“, die nicht mehr viel leisten und sich nur an ihrem Amt festklammern. Die gibt es in allen Parteien. Es ist in Ordnung, Nationalrätinnen und Nationalräte zu kritisieren. Es ist ebenso in Ordnung mit ihnen über ihre Zukunft zu diskutieren und ihre Rücktritte zu fordern, wenn man mit ihrer Arbeit unzufrieden ist. Es ist aber höchst scheinheilig und kurzssichtig, dies über ein System zu tun, indem man pauschal sagt, dass Leute ab einem gewissen Alter oder ab einer bestimmten Amtsdauer nicht mehr antreten sollen. Als Junpolitiker bin ich froh um die erfahrenen Parlamentarierinnen und Parlamentarier meiner Partei, von deren Know-How ich profitieren kann und die sich in unserem langsamen Politbetrieb gelernt haben durchzusetzen. Darum hüte ich mich davor, langjährige Parlamentarier wegjagen zu wollen und sie pauschal als Dinosaurier oder Sesselkleber zu betiteln. Solche Forderungen wirken zwar sehr revolutionär und garantieren Medienpräsenz, geleistet hat man dadurch aber noch absolut gar nichts. Es wäre wünschenswert, dass dieser überflüssige Generationenkonflikt endlich beigelegt werden könnte und wir wieder als Partei, in welcher es für Jung und Alt, sowie für Nachwuchskräfte und erfahre Parlamentarierinnen und Parlamentarier Platz gibt und wir uns nicht bekämpfen, sondern von einander profitieren können. Auch in der SP sollte es Platz für alle, statt für wenige haben! Eine Randbemerkung kann ich mir allerdings nicht verkneifen: 1999 wurde der Genfer Nationalrat Jean Ziegler in Genf nicht mehr nominiert, nachdem dieser 28 Jahre lang (also beinahe länger als Andi Gross und Anita Thanei zusammen) für die SP Genf im Nationalrat gesessen hatte. Daraufhin war es die Juso Zürich, die Jean Ziegler auf Platz 1 ihrer Nationalratsliste setzte -und dies als „Solidaritätskandidatur“ bezeichnete!*in der PS vom 21. Juli 2011 erschienen

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