Unheilbar schmerzhaft

Unheilbar schmerzhaft

Mehr als 320.000 Bundesbürger leiden an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Das bedeutet: Der Alltag ist stets mit vielen Einschränkungen verbunden. Denn die Entzündungen sind derzeit noch nicht heilbar. Selbst eine Behandlung, die Entzündungsschübe vollständig verhindert und alle Symptome unterdrückt, gibt es nicht.

Rund die Hälfte aller Betroffenen leidet an Morbus Crohn, die andere an Colitis Ulcerosa. Bei der erst genannten Diagnose handelt es sich um eine schubweise verlaufende Erkrankung. Die geschwürige Entzündung kann den gesamten Verdauungstrakt – von der Mundhöhle bis zum After – heimsuchen. Am häufigsten aber tritt Morbus Crohn im Übergang vom Dünn- in den Dickdarm auf. Colitis Ulcerosa hingegen verursacht Geschwüre in der inneren Schleimhautschicht des Dickdarms.

Weiterer Unterschied beider Krankheiten: Bei Morbus Crohn breitet sich die Erkrankung nicht kontinuierlich aus, sondern sie kann mehrere, nicht zusammenhängende Stellen des Verdauungstraktes befallen. Außerdem erfasst sie nicht nur die oberste Schleimhautschicht, sondern kann alle Schichten der Darmwand betreffen.

Durchfälle, bis die Klinik ruft

Dafür haben sie aber eine schmerzende Gemeinsamkeit: Die harmloseren Symptome beider Krankheiten, die die Patienten nachhaltig beeinträchtigen, sind Übelkeit, Krämpfe im Bauch, Gewichtsverlust, Durchfälle und Schwindel. Schwere Verläufe zeigen sich vor allem mit Fieber, Blutungen aus dem Darm und Einengungen des Darmhohlraums, die meist dazu führen, dass die Patienten ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Oft muss bei ihnen ein Teil des Darms entfernt werden.

Die Ursache? In den vergangenen zehn Jahren habe es in der Sichtweise der Experten einen «Paradigmenwechsel» gegeben, wie Dr. Jan Wehkamp vom Institut für Klinische Pharmakologie des Robert Bosch Krankenhauses in Stuttgart erklärt. «Früher ging man davon aus, dass es sich um Autoimmunerkrankungen handelt, bei denen das Immunsystem den Darm und den Körper angreift. Inzwischen muss man aber davon ausgehen, dass sich die Entzündungszellen gegen Darmbakterien richten», so der Experte. Egal, was genau die Ursache ist, es trifft vorwiegend 20- bis 30-Jährige, die mit dieser Diagnose konfrontiert werden.

Kein Wunder, dass für die Betroffenen nach der Diagnose eine Welt zusammenbricht. «Natürlich denkt man zuerst, dass alles aus ist», erzählt Birgit Kaltz, Vorstandsmitglied des Kompetenznetzes Darmerkrankungen und der Deutschen Morbus Crohn/Colitis Vereinigung. Die Kielerin ist selbst betroffen. «In den 1970er Jahren, als ich die Diagnose bekam, schien diese zu bedeuten: Du bist oft im Krankenhaus, hast Probleme in der Schule, kannst vielleicht keine Ausbildung machen und dein Leben nicht unbeschwert genießen», erinnert sich Kaltz.

«Natürlich ist ein Leben mit Durchfall nicht sexy. Aber es ist falsch, mit Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa abgeschrieben zu werden», erklärt Dr. Tanja Kühbacher von der Universität Kiel anlässlich eines Aktionbündnisses, das noch den ganzen Oktober für die Entstigmatisierung der Erkrankung wirbt. Dank immer besserer Therapiemöglichkeiten – medikamentös oder chirurgisch – können die Betroffenen ein Leben wählen, wie sie es wollen. Das kann Kaltz nur bestätigen.

Patient muss selbst für Unterlagen sorgen

Doch es gibt Rückschläge, vor allem in der Versorgung. Während diese in spezialisierten Praxen und Kliniken vorwiegend in Großstädten eingespielt sei, gebe es laut Kaltz Probleme, je weiter man in die Peripherie komme. Die Versorgungslücke mache sich am deutlichsten im Übergang vom Klinikaufenthalt zur ambulanten Nachversorgung bemerkbar.

Dr. Bernd Bokemeyer, Vorstandsvorsitzender des Kompetenznetzes Darmerkrankungen, bringt es auf den Punkt: Im Durchschnitt hat jeder niedergelassene Arzt zwei Patienten pro Quartal, die unter chronischen Darmerkrankungen leiden. «Wir haben für die Behandlung Leitlinien entwickelt, wie der Arzt vorgehen soll. Die Umsetzung zur Therapie ist in Deutschland allerdings nicht befriedigend, wie dies in Studien auch gezeigt werden konnte», bemängelt der Gastroenterologe aus Minden.

In der Praxis sieht es so aus: «Es kommt zu oft zu Umstellungen in der Therapie und zu Doppeluntersuchungen wie Darmspiegelungen, die den Patienten belasten», erklärt Kaltz. Das sei auch eine zusätzliche Belastung für das Gesundheitssystem, denn mit einer Therapieumstellung können sich die Schübe der Patienten vermehren, die wiederum in der Klinik stationär behandelt werden müssen. Zudem müssten Kaltz zufolge die Patienten viel zu oft selber dafür sorgen, dass Untersuchungsergebnisse weitergegeben und Behandlungsstrategien verfolgt werden. Oder wie es Dr. Kühbacher ausdrückt: «Wenn jemand sieben Jahre lang nur mit Kortison behandelt wird, läuft etwas ziemlich falsch.»

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Morbus Crohn – Unheilbar schmerzhaft

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