Und wenn wir nicht mehr mitspielten?

Irgendwo habe ich neulich sinngemäss gelesen, wir Eltern sollten uns gefälligst aus der Bildungsdiskussion raushalten, wir seien ja keine Experten. “Von wegen keine Experten”, brummte ich in meinen nicht vorhandenen Bart. Wir, die wir Tag für Tag miterleben, was Reformen, Pisa-Resultate und Sparübungen mit unseren Kindern anstellen, sollen uns aus der Angelegenheit raushalten? Ich wollte mir überlegen, ob es einen Weg gäbe, auf dem wir uns konstruktiv einbringen könnten, doch leider hatte ich keine Zeit, um mich weiter mit der Sache auseinanderzusetzen, also schob ich meine Gedanken unausgereift zur Seite. 

Einige Tage später stiess ich auf einen Zeitungsartikel zur Kritik am Lehrplan 21. Man sprach von den Bedenken der Wirtschaft, von den Änderungswünschen der Lehrerschaft, von den kritischen Fragen der Parteien, Politiker und Schulleiter. Aber kein Wort von der Elternseite, als ginge uns die Sache nichts an, als gehörten wir nicht auch zu jenen, die im Alltag ausbaden müssen, was an Schreibtischen zurechtgezimmert wird. “Was wäre, wenn wir uns so penetrant in die Diskussion einbrächten, dass man unsere Stimme nicht überhören könnte?”, fragte ich mich, doch wieder forderten andere Dinge meine Aufmerksamkeit.

Ein Essay von Hauke Goos in der aktuellen Ausgabe des “Spiegels” brachte mich erneut ins Grübeln. Unter dem Titel “Du sollst keine Fehler machen!” beschreibt der Autor, wie unsern Kindern die Kindheit geraubt wird, wie wenig Spielraum für Individualität noch bleibt und wie viele von uns “bildungsnahen” Eltern unseren Teil zum Druck beitragen, indem wir uns eine Schule wünschen, die unsere Kinder optimal auf den Übertritt ans Gymnasium vorbereitet. Die Aufforderung, wir Eltern sollten uns häufiger auf die Seite unserer Kinder stellen und zwar “bei dem grossen Projekt, das darin besteht, so viel Schule wie nötig zu ermöglichen und so viel Kindheit wie möglich” zwang mich dazu, mich dem Thema endlich zu stellen. 

Ich las, überlegte und plötzlich war er da, der Gedanke: Was, wenn wir nicht mehr mitspielten? Wenn wir nicht mehr mit lautem Wehklagen dabei zusähen, wie unsere Kinder mehr und mehr von einem Schulsystem vereinnahmt werden, das kaum mehr Luft zum Atmen lässt? Wenn wir die Diskussion um eine gute Schule nicht mehr kampflos den “Experten” überliessen, die in erster Linie den internationalen Wettbewerb und die Wirtschaftstauglichkeit der Schüler im Blick haben? Wenn wir unsere Kinder nicht irgendwann resigniert von der Volksschule ab- und in der Privatschule anmeldeten, weil die Knöpfe unter der Last der (Haus)aufgaben beinahe zusammenbrechen? Wenn wir nicht mehr schulterzuckend zuhörten, wie die Lehrer darüber klagen, dass das Bildungssystem ihnen keinen Spielraum mehr lässt und sie halt einfach durchziehen müssen, was man ihnen vorgibt? Wenn wir uns stattdessen mit den Lehrern verbündeten und gemeinsam für eine Schule einstünden, die nahe am Kind ist? 

Wenn wir Eltern werden, sagt man uns, wir trügen jetzt die Verantwortung für diesen kleinen Menschen, doch spätestens mit dem Eintritt in die Schule treten wir einen grossen Teil dieser Verantwortung ab. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, denn die allgemeine Schulpflicht ist ja eigentlich eine gute Sache. Was aber, wenn wir merken, dass die Schule – und ich meine jetzt nicht die lokale Schule, sondern das Schulsystem als Ganzes – zu viel von unseren Kindern erwartet? Wenn man unseren Kindern die hirnrissigsten Ziele steckt? Wenn sie therapiert werden sollen, weil sie nicht ins System passen und nicht, weil ihnen etwas fehlt? Wäre es dann nicht unsere Verantwortung, laut vernehmlich Stop zu rufen und nicht mehr mitzumachen? 

Nein, ich weiss nicht genau, wie das gehen soll, denn wir Eltern haben einen grossen Nachteil: Wir neigen dazu, unseren eigenen Nachwuchs verklärt zu sehen und darum fehlt uns manchmal die Sachlichkeit. Aber deswegen können wir doch nicht einfach schweigen, wenn wir sehen, wie schief die Dinge derzeit laufen. Es muss doch einen Weg geben, wie wir uns so in die Diskussion einbringen können, dass man unsere Anliegen ernst nehmen muss und man nicht mehr einfach behaupten kann, wir Eltern dürften nicht mitreden, weil wir eben keine Experten seien. 

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