... und sie haben gewonnen

... und sie haben gewonnen Stillstand ist Fortschritt. Das könnte man so sagen, wenn man die Erkenntnisse des Statistischen Bundeamtes als Tröstung heranziehen möchte. Das behauptet nämlich, dass die Lohnspreizung gestoppt sei. Nach Jahren der klaffenden Schere habe sich also eine Spreizung eingependelt, die das Niveau hält. Man kann nun in Deutschland zwar noch sagen, dass die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderklafft. Man könne aber nicht mehr sagen, dass sie immer weiter auseinanderklafft. Stillstand eben. Und das ist doch ein Fortschritt, nicht wahr? Jedenfalls von der Warte der sozialen Frage aus gesehen. Denn die galoppierende Ungleichheit scheint abgebremst. Überall sonst gilt natürlich weiterhin, dass Stillstand tödlich ist. Aber die Entwarnung des Statistischen Bundesamtes ist keine. Sie ist bloß das Dokument einer gelungenen Umverteilung.

Denn man könnte es ja auch so bewerten: Jetzt haben - frei nach Warren Buffett - die oberen Schichten gegen die unteren über Jahre hinweg einen Klassenkampf geführt. Und sie haben ihn gewonnen. Oder doch wenigstens alle bisherigen Schlachten für sich entschieden. Der Stillstand ist nicht Beleg für Rückgang oder Bescheidenheit, sondern dafür, dass sie ungleiche Verteilung ins Stocken geraten ist, weil der Kuchen, der noch übrig ist, immer kleiner wird. Kein Wunder, bei den Riesenstücken, die man sich schon auf den Teller geschaufelt hat. Wachstum ist begrenzt. Das des Kuchens auch. Und man kann ihn ja auch nicht ganz an sich reißen, einige Krümel müssen immer auch übrigbleiben, damit die, die den Mehrwert schaffen, auch das Gefühl haben, ein bisschen was davon zu bekommen.
Gut, die Sklaverei wäre jetzt eine Möglichkeit, um die Spreizung wieder anzufachen. Aber wie lange geht das gut? Nein, mal ganz nüchtern betrachtet ist es doch tatsächlich so, dass wie präsentierten Zahlen nur beweisen, dass die Umverteilung von unten nach oben manifest ist, dass sie sich nachhaltig eingestellt hat und zwar nicht an einem Endpunkt angelangt sein mag, wohl aber an einer natürlichen Grenze ansteht. Noch mehr Umverteilung würde nur noch mit massiver Entrechtung der Habenichtse gelingen, mit Leibeigenschaft 2.0, mit einer schwärenden Rebellion einhergehen. Da ist keine Vernunft am Werk, die den Stillstand zum Fortschritt macht, sondern der Fortschritt des »Klassenkampfes von oben« hat einen Stillstand verursacht. Der Plan hat funktioniert, die neue Verteilungslage ist installiert. Und seit Jahren scheint es ein gewisses Niveau zu halten.
Fortschritt wäre hier, wenn wir einen Rückschritt erkennen könnten. Aber genau das ist nicht der Fall. Man hat ein Level erreicht, ist an Grenzen gestoßen und pendelt sich da chronisch ein. Der Punkt musste ja mal erreicht werden. Trendwende wäre allerdings, wenn der Abstand schmilzt. Tut er aber nicht. Das wäre ja auch etwas, was den Eliteklassenkämpfer an der Ehre packte. Die heutige Distanz im Gefälle ist das Minimalziel. Mehr geht immer, weniger nimmt man nicht hin. Etwaige Tendenzen werden sofort propagandistisch bekämpft und zerlegt.

Fairerweise muss man sagen, dass das Statistische Bundesamt ja auch nichts von Trendwende behauptete. Aber es las sich schon so, als würde man wenigstens mal in die Runde werfen wollen, als sei der Kulminationspunkt erreicht. Der höchste anzunehmende Punkt, von dem aus es nur noch hinab auf einen tieferen Punkt gehen kann. Aber das gerade ist zu bezweifeln. Es ist kein Punkt mehr, es ist eine Gerade. Und letztlich ein dauerhaft geschaffener Zustand. Die Zahlen sagen eigentlich aus, was Buffetts bekanntester Ausspruch schon besagte: Wir machten Klassenkampf und wir haben gewonnen. Und keiner vermag an diesem Sieg zu rütteln. Momentan ist halt Stagnation, man hat schon so viel, dass noch mehr zu erwirken immer schwieriger wird. Das ist kein Grund aufzuatmen. Es ist ein Grund zur gesteigerten Besorgnis.

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