Ein Tag wie jeder andere. Naja, nicht ganz: wir haben Besuch und sind den ganzen Tag zusammen in Berlin unterwegs. Zeigen stolz unsere tolle Stadt, besuchen den Berlin Dungeon. Lachen, genießen die Sonne. Für abends haben wir einen Tisch bestellt: in einer Bar, in der man direkt am Tisch sein Bier selbst zapfen kann. Alles in allem: ein wunderbarer Tag. Alle sind gut drauf und wir freuen uns, dass wir endlich wieder einmal zusammen sind.
Donnerstag Abend
Nach diesem langen, aber abwechslungsreichen Tag wurden wir freundlich in der Bar The Pub empfangen und bekamen sogar einen tollen Tisch. Das große Bierzapfen konnte beginnen! Doch nicht nur das: auch alle anderen Getränke und Speisen werden über ein Display am Tisch bestellt und dann gebracht. Unsere Tochter hatte das System sehr schnell verstanden. Und wir staunten nur, dass die Bedienung andauernd an unserem Tisch mit neuen Leckereien stand
Stephan wollte dann plötzlich “etwas vor die Tür”, weil “es ihm nicht so gut ging”.
Mißtrauisch, warum das so lange dauert, fanden wir ihn kreidebleich und nach Luft schnappend draußen auf einer Bank. Der Schweiß lief ihm in Strömen am Körper entlang. Auf mein Nachfragen rückte er mit der Sprache heraus: Schmerzen in der Brust hatte er auch. Da war klar: das hatte nix mit den 2 Bieren zu tun, die er im Laufe des Tages getrunken hatte!
Seine Bitte, mit dem Taxi nach Hause fahren zu dürfen, hab ich ihm abgeschlagen. Zum Glück! Die Bedienung war so freundlich, uns den Rettungswagen zu rufen – dabei mußte sie 5 Minuten in der Warteschleife warten. Es war halt “Herrentag” und die Rettungskräfte hatten jede Menge zu tun. Aber 5 Minuten können schon zu einer kleinen Ewigkeit werden.
Der RTW kam und hat ziemlich schnell einen Notarzt dazu gerufen. Ab diesem Augenblick wuchs meine Angst ins Unermässliche…
Die Fahrt ging direkt ins Krankenhaus – und ich per Taxi hinterher. Unser Besuch hat sich ab diesem Zeitpunkt um unsere Tochter gekümmert und ich konnte mich somit auf meinen Mann und die Sache konzentrieren, die da gerade geschah. Vielen, vielen Dank nochmals, dass Ihr so spontan reagiert und Euch gekümmert habt! :*
Leider saß ich in der Rettungsstation noch 2 Stunden, in denen ich keine Information erhielt, was denn nun los ist und wie es Stephan geht. Zwei sehr, sehr lange Stunden.
Und dann endlich ein paar klärende Worte einer Ärztin: “Die Vorkammer hat nicht mehr gearbeitet und deshalb blieb sein Herz stehen. Jetzt ist er soweit stabil und liegt auf der Intensivstation.”
Dieses Wort “Intensivstation” sollte mich in den nächsten Tagen noch sehr oft begleiten und löst noch immer einen Schauer auf meinem Körper aus. Schon eigenartig – gerade dort wird den Patienten am intensivsten geholfen, aber es klingt trotzdem so nach “Ende und Aus”.
An diesem Abend durfte ich noch kurz zu ihm: aber mehr, als ein paar Streicheleinheiten über die Wange und ein paar vorsichtigen Küsschen wagten wir nicht – es ging ihm wirklich gar nicht gut Ich konnte nur noch alle Wertsachen an mich nehmen und wieder heim fahren. Obwohl ich mich am Liebsten dazugelegt und ihn nicht aus den Augen gelassen hätte…
Donnerstag Nacht
Während Stephan im Krankenhaus lag, oblag mir die Aufgabe, Familie und Freunde zu informieren. Schwer, wenn man selbst noch keine richtigen Informationen hat und keinerlei Auskunft, wie es weitergehen wird…
Freitag – der Tag danach
Am nächsten Morgen erfolgte bereits der Umzug auf die normale Station und ich packte zu Hause eine Tasche, da davon auszugehen war, dass der Aufenthalt ja ein paar Tage dauern würde. Bepackt und gut gelaunt machten wir uns also alle auf den Weg ins Krankenhaus auf die Station… Nur, um dort zu erfahren, dass Stephan wieder auf der Intensivstation liegt. Aber: “Sie brauchen sich keine Sorgen machen!” Ja – ist klar… Ohne Worte…
Im Endeffekt war es so: kein Grund für eine größere Sorge, als die, die wir eh schon empfanden… Es wurde eine Herzkathederuntersuchung durchgeführt und für die Überwachung danach war halt die Intensivstation besser geeignet. Leider erfuhren wir nichts Genaueres und mußten uns wieder verabschieden…
Samstag – der Tag der Gewissheit
Samstag morgen – ich wollte nicht aufstehen, nicht nachdenken, über das, was da gerade geschah. Schloss ich aber meine Augen, sah ich meinen Mann vor mir, wie er Donnerstag Abend aussah und die Angst war wieder da…
Auf dem Weg ins Krankenhaus kam plötzlich eine Nachricht von ihm: er wurde in ein anderes Krankenhaus, auf eine andere Intensivstation verlegt! Warum, wieso, weshalb? Keine Ahnung…
Nach meiner Ankunft fand ich Stephan ziemlich munter und schon wieder mit Farbe im Gesicht – was für eine Erleichterung!
Das Zimmer war hell und für zwei Patienten richtig groß und der Pfleger schnell, freundlich und gewissenhaft! Hier konnte ich meinen Mann mit ruhigem Gewissen lassen…
Ab Samstag war dann plötzlich auch dieses andere Wort da: “Herzinfarkt”. Somit bekam der Vorfall von Donnerstag Abend einen Begriff. Einen nicht sehr schönen, aber einen Begriff. Und auch die Untersuchungen, die erfolgen sollten klangen nicht so besonders: “Schluckecho” und “Katheterablation”. Und ein Herzultraschall stand auch – nochmal – auf dem Plan.
Sonntag bis Dienstag
Die Tage zogen sich dahin: für mich immer nur ein Abwarten, dass ich ins Krankenhaus kann und Stephan wurde von Untersuchung zu Untersuchung geschoben. Warum sich das allerdings noch Untersuchung nennen kann, ist mir schleierhaft: alles unter Vollnarkose und Eingriffe am Herzen. Naja… klingt vielleicht ja besser, als Operation.
Teilweise verlief das Ganze etwas chaotisch: erst auf dem Tagesplan und dann doch nicht durchgeführt. Dafür aber dann so plötzlich, dass die OP-Schwester noch Dinge durchführen musste, die eigentlich schon erledigt sein sollten.
Der Dienstag war noch einmal so ein i-Tüpfelchen an Nerven lassen… ich wußte nur, dass die EPU (Elektrophysiologische Untersuchung am Herzen) ca. 2 Stunden dauern wird. Wie lange wartet man nach so einer Aussage auf Informationen? Erkundigt man sich oder freut man sich, wenn das Telefon schweigt – denn keine Nachricht bedeutet ja auch keine schlechte Nachricht.
Dann endlich die erlösenden Worte direkt von Stephan: “Bin wieder da. Fühl mich betrunken.” Alles andere war egal und ich wagte es, wieder zu Atmen…
Mittwoch und Donnerstag
Eigentlich ja wieder “der Tag danach”, denn Mittwoch war der Tag nach der wichtigsten Untersuchung. Geplant war ja “nur”, per EPU mal zu schauen. Ob es wirklich etwas zu veröden gab, wußte zu diesem Zeitpunkt ja noch niemand. Zum Glück wurde dies jedoch gleich mit erledigt, so daß Stephan nicht noch einmal auf den Tisch musste.
…Nach einer örtlichen Betäubung in beiden Leisten bringt der Arzt in die jeweiligen Venen eine Schleuse ein, die ebenfalls aus Kunststoff besteht. Unter Röntgenkontrolle schiebt er dann die für die Untersuchung nötigen Elektrodenkatheter durch die Blutgefäße bis zum rechten Herzen vor…
…Nun stimuliert der Arzt gezielt den Herzvorhof beziehungsweise die Herzkammer und versucht, die Rhythmusstörung auszulösen. Sobald diese auftritt und beim Patienten die typischen Beschwerden auslöst, ist der Ursprungsort der Rhythmusstörungen gefunden… Dort platziert der Arzt nun den eigentlichen Ablationskatheter und verödet das Areal.
Nach der Katheterablation wird der Erfolg nochmals getestet. Die Herzrhythmusstörung sollte jetzt nicht mehr auslöbar sein, weder mit Medikamenten noch durch elektrische Impulse…
Quelle: http://www.netdoktor.de/Diagnostik+Behandlungen/Eingriffe/Katheterablation-1095.html
Klingt gar nicht so schlimm, wie auf den Erklärungsbögen im Krankenhaus. Man löst ja auch nur Herzrythmusstörungen oder sogar -stillstand aus. Ist ja nix weiter… Komisch nur, dass das Ganze dann doch 3,5 Stunden gedauert hat… Aber egal – er hatte es überstanden und die Aussage des Arztes war: “Es wurde alles entfernt, was den Infarkt ausgelöst hat.”
Dann ging alles plötzlich ganz schnell: am Mittwoch die Verlegung auf die normale Station und am Donnerstag bereits die Entlassung aus dem Krankenhaus.
Wie geht es nun weiter?
Zuerst per Krankschreibung. Wie lange, ist noch unklar. Da gehen die Aussagen der Ärzte auch weit auseinander. Wir hoffen natürlich sehr auf eine schnelle Genesung.
Und sonst? Ganz “normal” am Besten. Aber das ist nicht so leicht. Immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich Stephan ängstlich beobachte. Diese Woche hat uns alle verändert. Und auch wieder nicht. Und zusammengeschweißt.
Ein riesengroßes Dankeschön!
An Alle, die in dieser ereignisreichen Woche für uns da waren! Egal, ob hier bei unserer Tochter und mir, in Gedanken, am Telefon, in Worten oder nur beim Zuhören: ohne Euch wäre alles noch viel, viel schwerer zu ertragen gewesen!