Im Winter, wenn die meisten Hecken und Bäume ihre Blätter abwerfen, gibt es beim Spazieren gehen oft interessante Einblicke in Gärten, die im Sommer wie Dornröschen-Schlösser zugewuchert sind. Dort ist eine hübsche Gartenlaube zu entdecken, dort ein kleiner Springbrunnen – die kalte Jahreszeit hält manche Überraschungen bereit.
Für sein Buch „Und immer wieder mein Garten…“ musste Georg Möller nicht bis zum Winter warten: 12 bekannte Schriftstellerinnen haben den Gartenliebhaber und Autor eingeladen und ihre Gartentüren geöffnet:
Sie zeigen ihre Lieblingsplätze, plaudern über ihre Beziehungen zu Menschen, Tieren und zur Natur, über ihre Definition von Heimat, über ihre Arbeit und über Inspiration. Außerdem schreibt jede der vorgestellten Autorinnen einen kurzen Essay über Gartenerinnerungen aus der Kindheit.
Für Zsuzsa Bank zum Beispiel steht Kindheit gleichbedeutend mit Draußen sein: frei herum Streunen wie die Katzen, „zielloses, zeitloses und neugieriges Wandern, das Erleben selbst gemachter Geräusche oder Klänge wie Windpfeifen, Regenrauschen, Flügelflattern und Bienensummen – ein Garten wäre der Autorin von „Der Schwimmer“ dafür zu klein gewesen. Sie war in Wiesen, Wäldern und Feldern unterwegs.
Noch heute ist die Natur „ein Lebenselixier“ für die gebürtige Frankfurterin und in ihrem Garten genießt sie vor allem die entspannten Momente: einfach im Garten zu sitzen ist „pure Meditation. Gedankenverloren den Bäumen zusehen zu können, wie sich ihre Äste im Wind wiegen ist inspirierendes Nichtstun“.
Für Franka Bloom war es der Garten von Großmutter Adele, der ihre Kindheit prägte, in dem es nach Flieder duftete und Apfel-, Kirsch- und Pflaumenbäume gab. Heute, in ihrem eigenen Garten, wird viel gefeiert. Und angebaut. Am liebsten Beeren. Und Tomaten in unterschiedlichsten Sorten.
Eva Demskis Garten wirkt wie eine märchenhafte Landschaft mit verzauberten Stillleben aus Stein und Pflanezn: Im Wasserbecken schwimmen knallrote Fische, Büsten und Pflanzentöpfe säumen die Ufermauer. Aus dem Gebüsch lugt ein verträumter Putto und von ihrer „antiken Sitzecke“ hat die Autorin einen wunderbaren Blick Glyzinie, Rampblerrose und die roten, federhaften Blüten des australischen Zylinderputzers.
Mit ihrer Gartenphilosophie folgt sie Voltaire, der empfiehlt: Bestellt euren Garten! „Wer Voltaire folgt, wird glücklich“, so die Schriftstellerin. „An manchen Tagen auch unglücklich, sehr unglücklich sogar, aber niemals hoffnungslos. Wenn einem nämlich der Tod im Garten begegnet, findet man zuverlässig ein paar Meter weiter neues Leben, mit dem man nicht gerechnet hat.“
Rita Falk kaufte mit ihrem Mann Robert eine ehemalige Dorfschule im beschaulichen Fuchstal – in ihrem 1500 Quadratmeter großen Garten mit Ponies, Eseln, Hunden und Blick aufs bayerische Alpenpanorama verwirklicht sie ihren Traum vom einfachen Leben im Einklag mit der Natur. Eine Schaukel im Kirschbaum und ein selbst angelegter Gartenteich machen das Idyll perfekt und tun der Seele gut.
„Seit ich meinen Lebensmittelpunkt hier aufs Land verlegt habe, hat sich mein Leben total entschleunigt“, sagt Rita Falk, die mit „Provinz-Krimis“ wie Dampfnudelblues, Schweinskopf al Dente und Leberkäsjunkie bekannt wurde. „Im Sommer laufe ich in der Frühe erst einmal durch den Garten, im Schlafanzug und mit einer Tasse Kaffee – das ist Luxus pur für mich.
Auch das Leben mit den Tieren trägt entscheidend zu dieser positiven Wirkung bei. Denen ist es vollkommen unwichtig, ob ich Bestseller-Autorin bin oder welchem Beruf ich sonst nachgehe – sie mögen mich so wie ich bin. Bei den Menschen weiß man das nie so genau – sind sie nett zu Dir, weil sie dich mögen oder weil sie etwas von dir wollen?“ Wenn ich an meinen eigenen Kater denke, bin ich da allerdings nicht immer so sicher.
Obwohl in einem Hotel mit großem Park aufgewachsen, mauserte sich Barbara Frischmuth erst später mit einem eigenen Garten zur ausgewiesenen Pflanzenkennerin. „Mit einem Festmeter Gartenliteratur ging alles los“, begann sie im Garten zu experimentieren:
um ihr wunderschönes „Almhaus“ aus verwittertem Holz entstand in sonnenverwöhnter Hanglage ein naturnaher Staudengarten, den die leidenschaftliche Gärtnerin bereits in ihren Büchern portraitierte.
Auch wenn die Autorin im Ausland ist, besucht sie nach Möglichkeit jeden botanischen Garten, der auf ihrem Weg liegt, um ihre Pflanzenkenntnisse zu erweitern. Zuhause genießt sie es mit der Schreibkladde auf den Knien an unterschiedlichsten Plätzen im Garten zu schreiben. Auch in digitalen Zeiten schreibt Barbara Frischmuth alle Manuskripte von Hand.
„Das ist ein probates Mittel zur Entschleunigung“, ist sie überzeugt. „Diese Methode hält besser mit meinem Gedanken Schritt, die sind ja auch nicht immer so schnell. Das händische Formulieren eröffnet auch die Chance, noch während des Schreibprozesses darüber nachzudenken, was man formuliert, und man gibt dem, was da entsteht, die Möglichkeit, sich von selbst weiter zu entwickeln. Es geht langsamer, aber ich denke, dafür bewegt sich das Gehirn auch mehr.“
Ulla Hahn inspiriert mit ihrem verwunschenen Garten im Hamburger Stadtteil Harvestehude ihre Gäste, ihr Elternhaus am Rheim inspirierte die Stadt Monheim zum „Ulla-Hahn-Haus“, ein Zentrum zur Sprach- und Literaturförderung von Kindern und Jugendlichen, wo demnächst auch ein Garten der Poesie eröffnet: hier können MonheimerInnen jeden Alters ihre Pflanzen wachsen sehen und auf Tafeln mit einem Lieblingsgedicht begleiten.
Warum Gisa Klönnes winziger Stadtgarten ein Hort für Geschichten ist, was Ildiko von Kürthy in ihrem grünen Outdoorzimmer treibt, wie es zu Judith Taschlers Arbeitszimmer im Baumhaus kam und welcher Gartenphilosophie die Tierfreundin und Bestsellerautorin Charlotte Link folgt, erzählt Georg Möller in den folgenden Kapiteln.
Stimmungsvolle Farbfotos von Gary Rogers sowie historische Pflanzenzeichnungen begleiten die spannenden Autorinnen-Garten-Portraits und machen das Werk zu einem wunderschönen Lesebuch, für das es zu Recht den Deutschen Gartenbuchpreis 2019 gab und in dem ich immer wieder gerne blättere.
Spannende und überraschende Lektüre für Gartenfreunde, egal, ob an an gemütlichen Wintertagen oder warmen Sommerabenden.
Georg Möller „Und immer wieder mein Garten…“, 240 Seiten mit Farbfotos von Gary Roger sowie Pflanzenillustrationen, Hardcover, 30 Euro, DVA Deutsche Verlagsanstalt
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