„Leider nur ein Vakuum“. Es war das erste Lied, das mir Schorschi auf der Gitarre beigebracht hat „Leider nur ein Vakuum“ von Udo Lindenberg. Wohl nie werde ich den Samstagnachmittag in seiner Bude in der Adam-Kuckhoffstraße vergessen. Es war einer meiner ersten Besuche bei ihm, 1982, nachdem wir uns im Jugendclub Gimritzer Damm kennengelernt hatten. Ich kam mit der Geige unterm Arm und im Rucksack ein paar Hallesche Helle, die ich nebste zwei Schachteln Alte Juwel im Spätverkauf an der Kaufhalle Magistrale in Haneu gekauft hatte. Deshalb war kein Geld für die Straßenbahn mehr da, also schlenderte ich zu Fuß vom Gimritzer Damm in Richtung Halle. Über die Saalebrücke vorbei am Centrum-Warenhaus über den Markt bis hin zur Adam-Kuckhoffstraße. Vorbei am Sargdeckel, der wie immer am Wochenende geschlossen hatte.
Es war ein verregneter grauer Februartag. Die Tagen wurden schon wieder etwas länger, es war aber immer noch kalt. So dass die Kohleöfen in Halles Altbauten auf Hochtouren liefen und der Rauch aus den Schornsteinen durch die Altstadt schlich wie ein übelriechendes Nebel-Gespenst. Einige Schneereste in den Hinterhöfen und an schattigen Stellen waren dadurch zu schwarzen Haufen mutiert.
Im Hinterhof der Adam-Kuckhoff 18 ging es dann eine steile Holztreppe nach oben. Ein Vorhang nur trennte Treppe von Schorschis Eineinhalbraum-Bude ohne Bad und Klo im Hof. Wenig Licht nur drang durch die ungeputzten einfachen Fensterscheiben, in dem alten Sofa versank man tief, der kleine Tisch davor gezeichnet von Rotweinflaschen- und Brandflecken, übersäht mit leeren Karo-Schachteln, halb vollen Schwarzer-Krauser-Tüten, Notenpapier, Aschenbecher. Mittendrin ein Kapodaster, Plektren und Streichholzschachteln.
Und paar Bier und eine Flasche Cabernet später saß Schorschi dann auf seinem Stuhl mit einem Bein über das andere, darauf die Gitarre gestützt, linker Hand eine Selbstgedrehte zwischen kleinem und Ringfinger, damit er gleichzeitig die Akkorde greifen konnte. A-Moll, A7, D-Moll, E-Dur, A-Moll, F-Dur, C-Dur… Freitag abends steckt er sich hundert Mark und ne Zahnbürste ein, er zieht sich die schnellen Stiefel an, es ist ein gutes Gefühl frei zu sein… Zwischendurch ein Schluck aus der Cabernet-Pulle und dann hatte Schorschi gleich noch eine Idee, wie ich das Lied auf der Geige begleiten könnte. Ein Zwischenspiel hier an dieser Stelle, ja das würde gut gehen. Zum besseren Verständnis für mich spielte er mir die Melodie auf der Mandoline (gleiche Saiten wie auf der Geige) vor, die er ebenso gut beherrschte wie die Klampfe. Und den Kontrabass.
Später am Abend dann, nach einigen Runden Udo, Bier und Wein hatte ich nicht nur die Akkorde für „Leider nur ein Vakluum“ drauf, sondern es stand für uns beide fest: Das machen wir irgendwie weiter, gemeinsam. Und so kam es, dass Udo Lindenberg für die Gründung unserer ersten Folkband mitverantwortlich war. Naja, zumindest einer seiner Songs. Ein paar Wochen später gründeten wir zusammen mit Kerstin und Sven „Fliegenpilz“. Die Band gibt es nicht mehr, auch Schorschi hat uns schon viel zu früh verlassen. „Leider nur ein Vakuum“ spiel ich jedoch immer noch, ab und an auf Partys. Und denke dabei jedes Mal an den Februarnachmittag in Schorschis Bude zurück.