Überall ihre Hände, ihre Lippen… – Engel spucken nicht in Büsche. Roman über Liebe, Tod und Teufel. Leseprobe

Ralf Boscher - Engel„Woran denkst du?“ fragte Angie an die Badezimmertür gelehnt, in der einen Hand eine Zigarette, den anderen Arm vor der nackten Brust verschränkt, „An Helen?“
„Ja!“, antwortete Krish und blickte, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, an die Decke, an der sich der Rauch sammelte, als sähe er in den Schwaden Gestalten sich tummeln,
„Vermisst du sie?“
„Nein, eigentlich nicht. Ich erinnere mich bloß. Einmal nachts lag ich mit ihr hier auf dem Boden, und wir hatten einen Haufen Kerzen überall im Raum angezündet. Es war Sommer und sehr warm hier oben unter dem Dach, heiß geradezu, wir schwitzten beide aus allen Poren, wir waren nackt…“
Angie setzte sich im Schneidersitz neben ihn auf den Boden. Krish stützte sich auf seine Ellbogen und zog an ihrer Zigarette. Dann ließ er sich wieder zurückfallen,
„… Helen saß auf mir und goss sich Massageöl auf die Handflächen, als wären wir noch nicht nass genug, und jedes Mal wenn sie mir die Schultern massierte, fielen ihre Haare wie ein Wasserfall über mein Gesicht. Überall ihre Haare..“”
Angie verstand ihn kaum noch, so leise sprach er mittlerweile,
„… überall ihre Hände… ihre Lippen…“, flüsterte er.
Angie saß ruhig daneben, die Arme um die Beine geschlungen und zog am Zigarettenstummel. Lächelnd beobachtete sie seine wachsende Erregung, durch den dünnen Stoff der Pyjamahose zeichnete sie sich deutlich ab. Und ganz allmählich, während Angie den nun stumm in Erinnerungen daliegenden Krish ansah und sich eine neue Zigarette ansteckte, glitt die unbeteiligte, sozusagen stoische Ruhe von ihr ab. Ihre Blicke veränderten sich, waren nicht mehr länger gelassene, unberührte Beobachter, sondern glichen in zunehmendem Maße greifenden Händen. Zufassende, begehrende Blicke warf sie nun auf Krish, ihre Augen griffen nach seinem nackten Oberkörper, fassten durch den Stoff der Hose. Angie drückte die Zigarette aus und legte sich neben ihn. Sie strich Krish übers Haar. Krish lächelte, aber lächelte er in Gedanken oder wegen der Berührung durch Angies Hand, die nun zärtlich über seine Brust strich? Angie tastete nach seinen Rippen, er war schlank, sehr schlank. Zieh den Slip aus und hock dich auf ihn! Es machte sie an, unter der glatten Haut seine Knochen und Muskeln zu fühlen. Angie rückte näher an Krish heran, ihre Brüste berührten seine Haut, sie erschauderte und glitt mit einer Hand unter den Bund seiner Hose.
„Helen!“ murmelte Krish da, weit entfernt von Angie, und während deren Verlangen abrupt erlosch, kam er wieder zu ihr zurück:
„Weißt du, Angie, Helen hat mich wirklich inspiriert…“
Angie zündete sich, wütend auf sich wegen ihres unbedachten Vorstoßes, enttäuscht‑erregt eine neue Zigarette an, setzte sich einen Meter von ihm weg. Der Appetit auf Krish war ihr gründlich vergangen.
„…das ging so tief bei ihr. Bei ihr konnte ich mich fallen lassen. Ich fühlte mich aufgehoben…“
Sie unterbrach ihn:
„Im Hegel’schen Sinne, meinst du?“ und lächelte beinahe schon wieder, begann, die Enttäuschung mit Ironie wegzustecken. Krish überhörte ihre Frotzelei:
„Alleine schon wenn sie mich anblickte… Ihre Augen! Wenn da nicht immer auch gleich das Verlangen nach unseren Körpern gewesen wäre, hätte ich sie wohl tagelang nur angeschaut, in der Anschauung verloren hätte ich mich“, lachte Krish dieses Bekenntnis heraus und setzte sich nun ebenfalls auf. Angie konnte es nicht lassen:
„Und das war dann wohl Schopenhauer, nicht wahr?“ fragte sie mit einer Kleinmädchenstimme ehrfurchtsvoll den großen Weisen.
„Nein, das war Alex“, gab Krish zurück, dieses Mal war ihm die Spitze nicht entgangen. Aber er ging nicht weiter darauf ein: „Gibst du mir mal den Tabak rüber!“ bat er, und zusammen mit dem Päckchen Tabak warf Angie ihm hin:
„Nur gut, dass ich auf dich nicht scharf bin! Gegen so ein Überbild wie Helen kommt ja keine Normalsterbliche an“, sie wollte noch etwas hinzufügen, aber Krish unterbrach sie:
„Nur leider ist auch Helen eine Normalsterbliche!“ und stand auf.

Ende der Leseprobe aus dem Kapitel “Der Zusammenbruch”, entnommen Ralf Boschers Roman “Engel spucken nicht in Büsche: Roman über Liebe, Tod und Teufel”.

“Engel spucken nicht in Büsche” – ein Krimi. Ein Roman über den Verlust der Unschuld. Erotisch. Hart. Zärtlich. Schonungslos. Ein spannendes Buch über Hoffnung und Schmerz, über Liebe, Leid und Lust.


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