WEIMAR. (fgw) Hannelore Kraft (SPD) fühlte sich als Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen und nach 25 Jahren »wilder Ehe« ohne kirchlichen Segen bemüßigt, in Südafrika in den heiligen Stand der Ehe zu treten – ganz in weiß. Fremde Länder üben für diese Prozedur offensichtlich einen gewissen Reiz aus, denn auch der Protestant Bodo Ramelow (LINKER Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag) gab seiner neuesten Ehe einen übersinnlichen neuen Schub und ehelichte erst kürzlich seine Ehefrau erneut in Italien.
von Ralf Michalowsky
Peer Steinbrück (SPD), der Gescheiterte, kehrte nach 40jähriger kirchlicher Abstinenz in deren Schoss zurück. Zwischen den »religiös-tumpen« Thierse und seine Kirche passt kein Blatt Papier. Der blamable Pippi-Langstrumpf-Verschnitt Andrea Nahles (SPD) meint gar, dass die Trennung von Staat und Kirche »weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung von Demokratie« sei. Katrin Göring-Eckardt (GRÜNE MdB aus Thüringen), stellte in der Vergangenheit ihre Entscheidungen wiederholt auf religiös fundierte Gewissensentscheidungen ab. Manuela Schwesig, stellvertretende SPD-Vorsitzende aus Mecklenburg-Vorpommern, trat 2010 in die evangelische Kirche ein und ließ sich taufen. Immerhin, so auf ihrer Website, betet sie nicht vor wichtigen politischen Entscheidungen, sondern holt sich den präventiven Ablass im täglichen Morgengebet.
Und jetzt hat sich wieder so eine »Nulpe« geoutet. Der hessische SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel sagte bei einem kirchlichen Empfang zum neuen Kirchenjahr am 30. November: »Glaube ist keine Privatsache.« Er sehe mit Sorge, dass sich gerade die evangelische Kirche in ihrer Arbeit nur auf ihre eigenen Gemeinden beschränke. Die Folge sei ein Verlust von Werteorientierung in der Gesellschaft, bedauerte er. Nach seinen Worten ist in keiner Partei der Anteil bekennender Christen unter den Mandatsträgern in Hessen größer als in der SPD. Schäfer-Gümbel ist, wie er sagte, als Katholik geboren, als erwachsener Mann aus der katholischen Kirche ausgetreten und dann »nach Jahren der Suche« in die evangelische Kirche eingetreten.
Die Liste der Wiederkehrer aus der Politik läßt sich beliebig verlängern. Was aber reitet diese Menschen? Auf Facebook schrieb ein SPD-Genosse: »In der SPD tritt einem Menschen, der in der Partei Karriere machen möchte, an einem bestimmten Punkt Gott in den Weg. Wenn man dann nicht glaubt, muss man dran glauben; dann wird man eiskalt abgesägt von den religiösen Seilschaften in den oberen Etagen.«
An den Seilschaften arbeiten Kirchenlobbyisten kontinuierlich; ganz hochoffiziell gibt es sogar »Bevollmächtigte bei Regierung und Parlament«. Beim Bundestag heißt der Mann Martin Dutzmann, er wechselte erst im Oktober vom Militärbischof zum »Seilschaftsbeauftragten« der evangelischen Kirche. Als DIE LINKE im Mai 2010 in den Landtag von Nordrhein-Westfalen einzog, konnte ich als Parlamentarischer Geschäftsführer die Bemühungen des Kirchenlobbyismus hautnah erleben. Dort hieß der Beauftragte des »Evangelisches Büros« Rolf Krebs. Evangelisches Büro ist die Kurzform für das Amt des Beauftragten der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung in den deutschen Bundesländern. Drei Wochen nach der Landtagswahl erreichte mich aus besagtem Büro die Anfrage, welchen Glaubensgemeinschaften unsere 11 Abgeordnete zuzurechnen seien. Fast täglich hielt der Mann sich im Landtag auf und eine seiner willigsten Helferinnen war die Parlamentarische Geschäftsführerin der GRÜNEN, Sigrid Beer. Ihr Studium der Theologie (Abschluß Dipl-Päd.) blieb nicht ohne Wirkung. Seit 2010 ist sie Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Für Menschen wie mich als Atheist, der sich für die Trennung von Kirche und Staat einsetzt, scheint die Situation verfahren. Jahrelang hauen Politiker in unteren »Dienstgraden« auf die »atheistische Kacke«, was ihnen noch beim Aufstieg hilft und sobald sie aufgestiegen sind, kommen die religiösen Kraken und drehen sie passend.
Eigentlich könnte ich jetzt mit einem Stoßseufzer enden und Alfred Loisy zitieren. Der katholische Theologe und Historiker schrieb Anfang des 19. Jahrhunderts: »Jesus verkündete das Reich Gottes; aber es kam die Kirche.«
Doch ich glaube fest daran, dass es weitere »Tebartz van Elst« geben wird, die die Trennung von Kirche und Staat weiter voran treiben, denn ganz wichtig ist die Aufklärung. Die haben wir nicht hinter uns, sondern sie ist in vollem Gange.
Zur Aufklärung beitragen wird ganz bestimmt das neue Projekt von Carsten Frerk (Violettbuch Kirchenfinanzen. Wie der Staat die Kirchen finanziert.). Er hat sich die Lobbyarbeit der Kirchen vorgenommen und wird in seinem nächsten Buch über politische Seilschaften und Verbindungen zur Kirche informieren.
Hoffen wir also weiter!
Ralf Michalowsky
[Erstveröfentlichung: Freigeist Weimar]