Über 80 Milliarden für die nächste Runde in Griechenland

80000000000EUROWissen Sie eigentlich, wie viele Nullen 80 Milliarden Euro haben? Nur gut halb so viele, wie gestern in Brüssel den angeblichen Durchbruch erreicht und Griechenland vor dem Grexit „bewahrt“ haben.

Das ist, als würde ich ein krankes Kind vor dem teuren, vom Arzt verordneten Antibiotikum einer abwertbaren Währung „bewahren“ und gäbe ihm stattdessen das vielfach teurere Zuckerwasser neuer Kredite – teuer und auf die Dauer völlig wirkungslos.

Der Weg in die Transferunion

Eigentlich weiß jeder der 19 beteiligten Staatschefs der Euroländer, dass die avisierten 80 Milliarden Euro vermutlich noch nicht einmal für die geplanten drei Jahre reichen – soll es danach dann das vierte Hilfsprogramm geben?

Da wäre eine Transferunion mit festgeschriebenen Regeln doch wohl sinnvoller als ein vom Verhandlungsgeschick von Typen wie Ex-Finanzminister Varoufakis oder Noch-Finanzminister Schäuble abhängiger Deal in jedem Einzelfall – Patienten sind ja noch genug da in der Eurozone!

Doch dummerweise sitzt Europa falsch herum auf ihrem Stier. Eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschafts- und Steuerpolitik kann einfach nicht funktionieren, weil ein Land mit geringerer Produktivität sich nicht mehr selbst durch Abwertung seiner Währung helfen kann. So ist an eine an sich durchaus sinnvolle Transferunion wohl kaum zu denken.

Der 50 Milliarden-Treuhandfonds: ein Witz

Und komme mir keiner mit dem 50 Milliarden-Treuhandfonds als „Sicherheitsleistung“, das ist eine völlige Blendrakete für Leichtgläubige.

Wer will denn eine seit Jahren defizitäre Eisenbahn in Griechenland kaufen? Ja, wer will überhaupt in solchen Zeiten nennenswerte Summen in einem Land mit solchen Problemen wie Griechenland investieren?

Die profitablen Filetstücke wie die staatliche Lotteriegesellschaft (In Notzeiten wird mehr gezockt…) sind ja schon über die Theke gegangen. Dabei wissen die Geldgeber ganz genau, wie das in den letzten Jahren lief – die Grafik vom Internationalen Währungsfonds IWF (engl.: IMF) macht die Fehleinschätzungen von 2011 bis heute sehr deutlich.

Der Internationale Währungsfonds hält die vorgegebene Privatisierungserlöse nicht einmal im Ansatz für möglichIm letzten Monat sollten nach den Vorstellungen des IWF von 2011 15 Milliarden Euro durch Privatisierungen eingenommen werden, 2012 rechnete man dann nur noch mit 5 Milliarden Euro für den Juni 2015, letztes Jahr korrigierte man sich nochmal herunter auf 2 Milliarden Euro. Und was konnte wirklich erlöst werden?

Die unterste schwarze Linie im Diagramm zeigt die Realität, für die meine Augen schon zu schwach sind. Meine Schätzung liegt bei 0,1 Milliarde im Juni 2015 – wenn überhaupt.

Dieses Nichts von Ertragswert aus Privatisierungen mit 50 Milliarden zu bewerten und als Sicherheit für Rückzahlungen, zur Refinanzierung der Banken und für Investitionen nutzen zu wollen, zeigt, dass die Politiker wohl eher ein anderes Problem haben.

Gegen den ausdrücklichen Willen des Volkes

Das griechische Volk hat sich mit überwältigender Mehrheit in einer Volksabstimmung gegen Auflagen ausgesprochen und mehrere Minister der Syriza-Regierung stellen sich gegen Premier Tsipras – seine Regierungsmehrheit dürfte damit weg sein.

Schließlich hat der Shooting Star der linken griechischen Politszene nicht nur den klaren Willen des Volkes, sondern auch seine sämtlichen Wahlversprechen gebrochen.

Hat Schäuble weiter gedacht?

Wolfgang Schäuble wiederum weiß ganz genau, was für ein Danaergeschenk die neuen Kredite und die damit verbundenen schmerzhaften Reformen sind, und nutzt sie als eine besondere Waffe, die noch nicht einmal wirklich benutzt werden muss – weil sie alleine dadurch, dass sie im Raum steht, geeignet ist, dafür zu sorgen, dass es im knapp gesetzten Zeitrahmen entweder gar nicht erst zur Aufnahme von Gesprächen kommt – oder nicht zu einem einvernehmlichen Abschluss dieser Gespräche.

Die geschlossenen Banken, die Drohung mit dem 5-Jahre-Grexit aus seinem Finanzministerium und auch die Zweitagesfrist, bis zu der die ersten Gesetze zu Mehrwertsteuer, Rente usw. vom Parlament beschlossen sein müssen, tun das ihrige dazu, Griechenland in Angst zu versetzen und letztlich bis zur politischen Handlungsunfähigkeit zu lähmen und zu spalten.

Wobei es völlig egal ist, ob es in den Parlamenten der anderen Euroländer oder an den griechischen Machtverhältnissen liegt – Hauptsache, es kommt doch noch zum Austritt von Griechenland aus der Eurozone.

Das Haus Europa steht auf wackligen Füßen

Die ersten Kommentatoren lassen verlauten, dass sie die Angst der Politiker um das Projekt Europa als eigentlichen Grund dafür sehen, Griechenland nicht aus dem Euro zu entlassen. Bisher hat es noch nie einen Rückwärtsschritt eines Landes auf dem Weg nach Europa gegeben.

Aber wenn das Haus Europa so unstabil ist, dass seine kleinkarierten Regenten auf Zeit einen Schrecken ohne Ende einem angemessenes Ende mit Schrecken vorziehen, geben sie damit auch einen Offenbarungseid für das Projekt Europa ab.

Mir macht die Schmierenkomödie von Brüssel eines deutlich: Dass die Europäische Union einmal mein Heimatstaat sein wird, in dem alle Europäer die gleichen Steuern zahlen (und nicht nur die, Amazon & Co. auch!) und den gleichen Pass von der EU haben, werde ich sicher nicht mehr erleben…


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