TV: Marvel's Daredevil auf Netflix

TV: Marvel's Daredevil auf Netflix
"Lawyer by day, vigilante by night... How does that work?"
"I'll let you know when I figure it out."
Diejenigen unter euch, die mir auf Twitter folgen wird es wohl nicht entgangen sein: Meine jüngste Obsession mit Marvel's Daredevil, eine Serie die von Netflix produziert und gezeigt wird. Da ich niemanden in meinem Umkreis gut genug kenne, um mich pausenlos über diese Serie zu unterhalten, muss das Internet wohl dran glauben. Und auch mein Blog. 
Es gibt wirklich nicht viele Serien, die mich auf die Art und Weise packen wie Daredevil - ihr werdet es nicht glauben, aber als die erste Staffel vor einem Jahr auf Netflix veröffentlicht wurde (als ich noch kein Netflix hatte), war ich selbst sehr skeptisch was dieser komische Hype angeht, denn egal was ich gesehen habe, es hat mich nicht gereizt. Ein Superheld? Gähn. Brutale Kampfszenen? Kein Interesse. Aber durch den Start der zweiten Staffel dieses Jahr habe ich meine Vorbehalte einfach ignoriert... verdammt, da habe ich ganz schön etwas verpasst!
Zugegeben, die Serie hat fünf Folgen gebraucht bis sie mich hatte (wie fast bei jeder Serie, die ich schaue). Ich weiß auch nicht mehr genau was mich gepackt hat - die Storyline? Vielleicht. Der charismatische Schurke? Nicht wirklich - jedenfalls nicht vorrangig. Ich glaube, der ausschlaggebende Punkt für mich war Matt Murdock, gespielt von Charlie Cox, der in der Staffel seine Origin Story zum Daredevil erlebt. 
Matt ist blind. Er verlor sein Augenlicht als er neun war durch eine chemische Substanz, die aber seine anderen Sinne verschärft hat. So kann Matt den Puls nahestehender Menschen hören (also ist er quasi ein menschlicher Lügendetektor), Gerüche über weitere Distanzen wahrnehmen, etc. Durch seine Ausbildung bei einem Ninja besitzt er dazu noch Kampffähigkeiten, die einen immer wieder erstaunen: Trotz seiner Sinne ist Matt immer noch blind, was auch nie ignoriert wird. Er benutzt einen Blindenstock, etikettiert seine Kleidung damit er sie wieder erkennt, benutzt Brailleschrift und Text-to-Speech Systeme, um durch den Alltag zu kommen.
Wir haben also einen behinderten Superhelden - was ich, wie ich finde, mal etwas anderes ist. Was ich auch so ein Matts Charakter schätze, ist, dass er so trotz allem so menschlich wirkt. Sein katholischer Glaube spielt eine wichtige Rolle für seine Persönlichkeit. Er ist Anwalt am Tag und kämpft im Rahmen des Gesetzes, während er in der Nacht zum Daredevil wird und außerhalb der Gesetze kämpft. Diese paradoxen Eigenschaften machen ihn real und sorgen für Konflikt - sowohl für moralischen als auch emotionalen.
Mich interessiert nicht zwangsläufig der Superheld - klar, es ist cool wie Daredevil Hell's Kitchen aufmischt und die Bösen verprügelt (vor allem die Szene am Anfang der ersten Staffel, die im One-Shot gedreht wurde, einfach wow!). Was mich reizt ist der Mensch dahinter, Matt Murdock. Das ist auch der Grund warum ich seine zwischenmenschlichen Beziehungen so gern ausgespielt sehe, wie z.B. seine Beziehung zu seinem besten Freund und Kanzleipartner Foggy Nelson. Ich liebe ihre Freundschaft, die Witze, die Leichtigkeit, die sie in diese düstere Serie bringen.
In der zweiten Staffel kommt ein zusätzlicher emotionaler Faktor dazu, nämlich Matts Ex: Elektra Natchios (gespielt von der fabelhaften Elodie Yung), die Matts chaotische Seite zum Vorschein bringt, aber auch ein Ich, das er nie zeigen durfte. Man lernt ihn als Person besser kennen und versteht den Ursprung seines Alter-Egos, Daredevil, besser. Aber auch die Einführung von Frank Castle, des Punishers (gespielt von Jon Bernthal), lässt Matt hinterfragen ob er wirklich das richtige tut. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass der Punisher der für mich bisher interessanteste TV Charakter ist, dem ich je begegnet bin - zu viel möchte ich nicht verraten, aber ich bin mir 1000%ig sicher, dass ich eine eigene Serie für den Punisher möchte.
Natürlich sind das alles nur oberflächliche Einblicke in eine Serie, die außerordentlich gut geschrieben und umgesetzt wurde. Es ist selbstverständlich immer noch eine Superhelden Serie, brutaler, düsterer und zäher als ein Avengers-Film - Daredevil ist ziemlich graphisch, was das anbelangt (und das ist auch einer der Gründe, warum ich NICHT möchte, dass Daredevil irgendwann zu den Avengers geht) - aber die Serie vernachlässigt nicht das Menschliche in diesem Superhelden. Matt ist kein Iron Man mit viel Technikkram, oder Captain America mit körperlicher Stärke und Idealen, die nahezu utopisch ist - Matt ist einfach nur ein Mann, der in Hell's Kitchen aufgewachsen ist, ein Viertel von vielen in Manhattan, das alles tut um seine Heimat zu beschützen und dabei nicht nur mit den Bösen, sondern mit seinen eigenen Dämonen kämpft. 
Ich wünschte, ich könnte näher auf Einzelheiten eingehen. Zum Beispiel auf die weiblichen Charaktere, von denen es leider nicht so viele gibt (zumindest verglichen mit Marvel's Jessica Jones, eine weitere Serie auf Netflix die im gleichen Universum ansiedelt wie Daredevil), aber sie trotzdem hervor brechen: Karen Page, Claire Temple und Elektra Natchios, die eine andere Ebene aufmachen, die fast schon interessanter ist als die typische Held vs. Schurke Ebene (Karens Beziehung zum Punisher; Claires Drang, Menschen zu helfen, egal was es kostet; Elektras Kampf mit dem, was sie ist und wie andere sie haben wollen). Ohne sie wäre die Serie vermutlich halb so spannend - sie tragen zum emotionalen Konflikt bei und ich liebe es einfach, wenn Menschen in Geschichten gezeigt werden, die über sich hinaus wachsen und Grenzen erforschen, die sie bisher noch nicht gekannt haben.
Was ist also mein Punkt? In Daredevil sehe ich nicht nur "noch eine" Superheldenshow, von denen es zahlreich viele gibt zurzeit (Arrow, The Flash, Supergirl, Agent Carter, Agents of SHIELD, Gotham..) - es geht um was ist gut und was ist böse - ist es überhaupt möglich nur gut oder böse zu sein? Ist es falsch etwas zu tun, nur weil die Gesetze es verbieten? Ist das Gesetz überhaupt genug, um das Leben eines Menschen zu retten oder jemanden zu bestrafen? Was passiert, wenn ich gegen meinen eigenen Glauben verstoßen muss, um für das größere Wohl zu sorgen? Mit all diesen Fragen beschäftigt sich Daredevil, und das in einer präzise verarbeiteten Narration einer fesselnden Hauptfigur. 
P.S.: Außerdem hat Daredevil das absolut coolste Intro, das je eine TV Serie hatte, like seriously.

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