Von Günter Verdin
In der aktuellen griechischen Tragödie gibt es kein Satyrspiel, kein befreiendes Nachspiel. Und so kam es am Mittwochabend nach Fabian Eders Filmreportage "Griechenland blüht" auf 3SAT , mit Bryan Carters preisgekrönter Dokumentation "Griechenland - Das offene Tor nach Europa" im Rahmen von "Menschen & Mächte" in ORF 2 noch schlimmer. Wenn es Fabian Eder in vielen Einzelporträts , verbunden durch eher realistische, denn wirklich traumhaft schöne Landschaftsaufnahmen, gelingt, die Griechen in der Krise als einsichtig und voller Lebensmut und Optimismus darzustellen , so zeigt Carter das Land von seiner schrecklichsten und unmenschlichsten Seite.
Wie Italien wird das ohnedies durch Wirtschftsprobleme destabilisierte Griechenland der Fluechtlingstroeme nicht Herr. Nach der seit 2003 geltenden Dublin II-Verordnung können Asylbewerber, die auf welchen Wegen auch immer, in ein anderes europäisches Land gekommen sind, wieder in das "Ersteintrittsland", also auch Griechenland zurückgeschickt werden.Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall eines afghanischen Flüchtlings als „erniedrigende und unmenschliche Behandlung" verurteilt. Bryan Carter nimmt das Schicksal dieses afghanischen Asylbewerbers zum Anlass, mit der Kamera das nun nicht mehr unvorstellbare Flüchtlingselend in griechischen Kasernierungslagern schonungslos aufzudecken. Angst und Not bekommen hier ein Gesicht. Die humanitäre Krise in Griechenland ist die Folge der wirtschaftlichen Katastrophe: die auf eine Million geschätzten Fremden in Hellas sind zunehmend rassistisch geprägten Übergriffen und oft tödlicher Gewalt ausgesetzt. Die "goldene Morgendämmerung", wie sich die neonazistische Partei nennt, ist im griechischen Parlament bereits mit 18 Sitzen vertreten. Bryan Carters Film ist ein aufwühlendes Dokument des politischen und menschlichen Versagens, nicht nur Griechenlands, sondern der europäischen Gemeinschaft.
"Griechenland blüht ", 3SAT: 4 Punkte
"Menschen und Mächte ", ORF2: 6 Punkte