Eine britische Pub-Besitzerin hatte sich mit der höchsten Fußball-Liga im Land angelegt und bekam jetzt Recht vom Europäischen Gerichtshof. Ausländische Decoderkarten dürfen nicht verboten werden, urteilten nun die EU-Richter.
Die Exklusiv-Vermarktung von Fernsehrechten im Profifußball muss geändert werden. Wie z.B. vom “Stern” berichtet wird, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden, dass ausländische Decoderkarten zum Empfang von Übertragungen im Bezahlfernsehen nicht verboten werden dürfen.
Das Urteil wird zu einer Änderung der Vermarktung von Sportrechten führen und hat auch Auswirkungen auf den Verkauf der TV-Rechte der deutschen Bundesliga, auch wenn die zuständigen Stellen dies derzeit negieren.
Die Richter kamen zu dem Schluss, dass “nationale Rechtsvorschriften, die die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer Decoderkarten untersagen, gegen den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen”. Ein System von exklusiven Lizenzen verstößt auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union, so der Spruch.
Pub-Besitzerin bekommt Recht
Mit seiner Entscheidung gab der EuGH der Pub-Besitzerin Karen Murphy aus dem englischen Portsmouth recht. Murphy hatte in ihrer Kneipe Spiele der englischen Premier League gezeigt, dafür aber keine Decoderkarte des britischen Bezahlsenders BSkyB verwendet, sondern eine günstigere aus Griechenland.
Daraufhin wurde die Kneipen-Chefin von der Football Association Premier League (FAPL) verklagt, welche die Rechte zur Ausstrahlung der Premier League vermarktet. In den Exklusiv-Verträgen mit der FAPL müssen sich nationale Sendeanstalten verpflichten, die Spiele der Premier League verschlüsselt auszustrahlen und das Signal nur Bürgern in ihren Ländern zugänglich zu machen.
Die Entscheidung des höchsten EU-Gerichts kam nicht aus heiterem Himmel. Bereits vor der Urteilsverkündung war eine hohe Gerichts-Gutachterin zu der Ansicht gekommen, dass durch die Verwendung ausländischer Decoderkarten die kommerzielle Verwertung der Rechte nicht unterlaufen werde. Schließlich würden die entsprechenden Gebühren für diese Karten entrichtet.
Urteilsspruch des EuGH vom 4.10.2011, C-403, 429/08
Der Gerichtshof (Große Kammer) hat für Recht erkannt:
1. Der Begriff der illegalen Vorrichtung im Sinne von Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 98/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 1998 über den rechtlichen Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten ist dahin auszulegen, dass er weder ausländische Decodiervorrichtungen – die Zugang zu den Satellitenrundfunkdiensten eines Sendeunternehmens gewähren und mit Erlaubnis dieses Unternehmens hergestellt und in den Verkehr gebracht, aber gegen seinen Willen außerhalb des geografischen Bereichs verwendet werden, für den sie ausgeliefert wurden – noch durch Angabe eines falschen Namens und einer falschen Anschrift beschaffte oder aktivierte Decodiervorrichtungen oder Decodiervorrichtungen umfasst, die unter Verstoß gegen eine vertragliche Beschränkung, wonach ihre Nutzung nur zu privaten Zwecken erlaubt ist, verwendet worden sind.
2. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 98/84 steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, mit der die Verwendung ausländischer Decodiervorrichtungen einschließlich derjenigen, die durch Angabe eines falschen Namens und einer falschen Anschrift beschafft oder aktiviert worden sind, und derjenigen, die unter Verstoß gegen eine vertragliche Beschränkung, wonach ihre Nutzung nur zu privaten Zwecken erlaubt ist, verwendet worden sind, untersagt wird, da eine solche Regelung nicht in den durch diese Richtlinie koordinierten Bereich fällt.
3. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen,
– dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach im Inland die Einfuhr, der Verkauf und die Verwendung ausländischer Decodiervorrichtungen, die den Zugang zu einem kodierten Satellitenrundfunkdienst aus einem anderen Mitgliedstaat ermöglichen, der nach der Regelung des erstgenannten Staates geschützte Gegenstände umfasst, rechtswidrig sind, und
– dass sich an diesem Ergebnis weder dadurch etwas ändert, dass die ausländische Decodiervorrichtung durch Angabe eines falschen Namens und einer falschen Anschrift in der Absicht, die fragliche Gebietsbeschränkung zu umgehen, beschafft oder aktiviert wurde, noch dadurch, dass diese Vorrichtung zu gewerblichen Zwecken verwendet wird, obwohl sie der privaten Nutzung vorbehalten war.
4. Die Klauseln eines Vertrags über eine ausschließliche Lizenz zwischen einem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums und einem Sendeunternehmen stellen eine nach Art. 101 AEUV verbotene Wettbewerbsbeschränkung dar, sofern sie dem Sendeunternehmen die Pflicht auferlegen, keine den Zugang zu den Schutzgegenständen dieses Rechtsinhabers ermöglichenden Decodiervorrichtungen zum Zweck ihrer Verwendung außerhalb des vom Lizenzvertrag erfassten Gebiets zur Verfügung zu stellen.
5. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass sich das Vervielfältigungsrecht auf flüchtige Fragmente der Werke im Speicher eines Satellitendecoders und auf einem Fernsehbildschirm erstreckt, sofern diese Fragmente Elemente enthalten, die die eigene geistige Schöpfung der betreffenden Urheber zum Ausdruck bringen, wobei das zusammengesetzte Ganze der gleichzeitig wiedergegebenen Fragmente zu prüfen ist, um zu klären, ob es solche Elemente enthält.
6. Vervielfältigungshandlungen wie die in der Rechtssache C‑403/08 fraglichen, die im Speicher eines Satellitendecoders und auf einem Fernsehbildschirm erfolgen, erfüllen die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und dürfen daher ohne Erlaubnis der betreffenden Urheberrechtsinhaber vorgenommen werden.
7. Der Begriff der öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er die Übertragung durch Rundfunk gesendeter Werke über einen Fernsehbildschirm und Lautsprecher für die sich in einer Gastwirtschaft aufhaltenden Gäste umfasst.
8. Die Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung ist dahin auszulegen, dass sie sich nicht auf die Rechtmäßigkeit von Vervielfältigungshandlungen auswirkt, die im Speicher eines Satellitendecoders und auf einem Fernsehbildschirm erfolgen.