Diese überraschende Einschätzung teilt der türkische Hochschullehrer und Wissenschaftler Professor Ayhan Kayla in HURRIYET mit. Nach Merkels Wahlsieg könne mit einer Fortführung des status quo gerechnet werden, womit beide Politiker zufrieden seien.
Wie begründet Kayla diese für manchen doch überraschende Ansicht? Beide glaubten daran, dass Christentum und Islam getrennt bleiben sollten. Faktisch habe die Türkei die Tür zur EU bereits 2005 geschlossen.
In der EU habe eine Strömung zurück zu den Nationalstaaten begonnen. England, Frankreich und Deutschland stärkten ihre Kompetenzen bei gleichzeitiger Schwächung der EU-Institutionen. Im Gegensatz zu Adenauer und Kohl sei Merkel keine überzeugte Europäerin. Es fehle derzeit in ganz Europa an einer überzeugenden europäischen Figur. Die EU habe sich seit Merkels Regierungsantritt generell auf sehr negative Weise verändert. Die transnationale, über den Regierungen stehende visionäre EU, die dem türkischen Beitritt positiv gegenüber gestanden hätte, die gäb es nicht mehr. Die Macht der EU-Kommission sei gesunken, die des EU-Parlamentes vielleicht gestiegen, ganz sicher jedoch sei die Macht von nationalen Regierungen wie der Frankreichs und Deutschlands gestiegen.
Seit 2005 habe es in der EU in der Migrations- und Integrationspolitik keinen Fortschritt mehr gegeben. Statt dessen habe eine Germanisierung der EU mit den deutschen Vorstellungen von Migration und Integration stattgefunden. Die EU habe ihre magische Anziehungskraft verloren und sich den nationalen Interessen der Führungsstaaten ergeben. Es gäbe keine Visionen mehr, z.B. keine eigenständige Nahostpolitik der EU, statt dessen wüchsen Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und Rassismus.
Die türkische Regierung bemühe sich derzeit nicht besonders um die EU. Die AKP sei mehr und mehr euroskeptisch geworden. Ein positiver Impuls müsse deshalb von der EU kommen. Dann müsste die türkische Regierung aber gewillt sein darauf einzugehen, denn die Konzepte der türkischen Außenpolitik seien auf vielen Gebieten gescheitert. Eigentlich könne sich die Türkei – außer an die EU – an keine wirkliche Perspektive halten.
Für die nähere Zukunft ist Kayla eher skeptisch. Die Christin Merkel und der Moslem Erdoğan redeten und handelten so, dass klar würde, Christentum und Islam seien zwei verschiedene Dinge die getrennt bleiben sollten. Nur unter dieser Prämisse könne man überhaupt von einer Brückenfunktion der Türkei zwischen Europa und Asien sprechen.
Zwar würde Merkels Position sich nicht ändern, aber ein konservatives Umfeld begünstige Fremden- und Islamfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland.
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