Tuesday Night Fever

Gestern Nacht, oder besser gesagt heute morgen, war ich mit Freundinnen in einem Osnabrücker Club auf einer Studentenparty, die ihrem Namen alle Ehre machte.

Aufgrund der Tatsache, dass ich heute morgen fit sein musste und mir allgemein nicht nach Alkohol war, kam ich in den Genuss das vorzugsweise sehr junge Publikum beobachten zu können und fing, je länger ich schaute, immer mehr an in mich hinein zu grinsen, da ich feststellte, wie unfassbar viel man über eine Person anhand ihres Tanzstils sagen kann. Ich bestellte mir ein alkoholfreies Bier und positionierte mich an den Rand der Tanzfläche, um zu beobachten:

Zwei Meter von mir entfernt steht ein junger Mann, groß, schlaksig, nicht wirklich attraktiv, aber gut gekleidet, mit einer süßen jungen Frau. Insgeheim fragt man sich sofort, ob er für dieses Date bezahlt hat, da man sich nicht vorstellen kann, dass sie sich für ihn interessiert. Aber weniger wegen seines Äußeren, sondern mehr wegen der peinlichen Art, wie er sich bewegt.

Er presst die Ellenbogen in die Seite und verzieht das Gesicht zu einer unappetitlichen Mine, die eine Mischung aus angedeutetem Mitpfeifen und Halbseitenlähmung ist. Ab und zu verzieht er es so theatralisch, dass man denken könnte, er presst sich gerade eine Hämorride in der Größe von Usbekistan aus dem Leib. Auch sein Taktgefühl erinnert mehr an Jopi Heesters auf Valium, als einen potenten Kerl, der so ne Mordsbraut rhythmisch durch die Nacht vögelt.

Weiterschauen.

Vor mir steht ein junger Südländer – äußerlich starke Ähnlichkeit mit Dschingis Khan –  mit seinen Freunden, die sich alle gegenseitig versuchen mit ihren Tanzeinlagen zu überbieten. Dschingis Khan versucht mit ungelenken Bewegungen einen Breakdance zu vollführen und ich habe kurzzeitig Angst ihn gleich in einem Streckkorsett vom Rettungsdienst aus dem Club tragen lassen zu müssen, weil der Herr sich bei einem besonders gewagten „Move“ 7 Halswirbel angebrochen und dabei nicht nur Gehfähigkeit, sondern auch seine peinlichkeitsfreie Lebenszeit eingebüßt hat. Ich merke, wie ich beginne mich fremdzuschämen.

Nebenan steht eine junge Frau, die weniger wegen ihrer ausladenden Hüften oder ihres Make Ups im Lady Gaga-Stil auffällt, sondern weil ich kurz überlegen muss, ob sie gerade tanzt oder einen epileptischen Anfall hat. Sie wirft ihre Arme in die Luft, wackelt dabei bedenklich mit dem Kopf und wirft in schweinsterigerischem Stakkato die Beine von sich. Wenn es morgen wie aus Kübeln schüttet, weiß ich, dass das ein Regentanz war.

Hinter ihr tanzt ein farbiger Mann mit Cappy und weiß seinen wohlgeformten Körper anziehend zur zu Musik bewegen. Faszinierend, dass es manche verstehen allein durch ihre Bewegungen Lust auf ihre Person zu machen.

Schräg daneben versucht ein moppeliger 7 Mal 11-Klässler eine Frau mit geschätzten 21 Promille anzutanzen. Kein Wunder, dass sie ständig denkt er remple sie absichtig an und faucht in regelmäßigen Abständen etwas zu ihm herüber, was von mir aus aussieht wie: „Junger Herr, es wäre höflich, wenn sie ihren Minderkörper nicht an meinem Gesäß reiben würden.“ Könnte aber auch sein, dass sie brüllt: „EY ALTA, VERPISST DICH ODER ICH LANG DIR EINE!“.

Meine drei Mädels kommen ordentlich angeschickert und fröhlich gröhlend auf mich zu und ziehen mich zu einem letzten Drink an die Bar, wo ich einen extrem sympathischen jungen Mann kennen lerne, der mir in epischer Breite erzählt, wie gerne er Schriftsteller werden wollte und dass er sein Buch, welches, wie sich im Laufe des Gesprächs herausstellt, nur aus 20 Seiten besteht, etlichen Leuten bereits zu lesen gegeben habe, die vor Faszination „umgefallen sind, ich schwör, Alta.“ Ich erkläre ihm, dass er einen Agenten brauch und es einem Verlag zuspielen solle. Wieder versucht er mir auf eine sehr süße Art und Weise zu imponieren, indem er mir erzählt wem er denn alles sein „Buch“ unterjubeln wolle und schneidet sogar Dieter Bohlen an. Nachdem ich ihm insgesamt 9 Mal freundlich versuche klarzumachen, dass er das Pferd falsch herum aufzieht, gebe ich es auf und wünsche ihm noch eine tolle Nacht. Er küsst mich auf die Wange und droht: „Du bist so ne starke, coole Frau, wenn ich dich eher kennen gelernt hätte, wäre ich nicht im Knast gelandet. Ich finde dich, mich wirste nicht mehr los. Wennde mal Stress hast, ruf mich, ich klär das für dich!“ Ich danke ihm, nehme ihn in den Arm und verspreche sein Skript zu lesen.

So, ab die Mädels einsammeln. Grinsend bringe ich alle nach Hause und lache in mich hinein, als ich auf der Fahrt ein paar Mal anhalten muss, weil die eine meint kotzen zu müssen.

Hach, es ist herrlich nüchtern zu sein, wenn alle voll sind. Sonst gäbe es ja diesen Artikel ja nicht ;-)

PROST!



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