Tschüs, Günter Amendt

Ich habe ihn kennen gelernt, 1969, ich war 16 Jahre alt und Gymnasiast. Ein Jahr zuvor hatte der Schüler des großen Theodor W. Adorno an der Goethe-Universität in Frankfurt, die wir damals in "Karl-Marx-Universität" umbenannt hatten, was so manchen Straßenbahnschaffner zur Verzweiflung trieb, seine berühmte Streitschrift verfasst: "Kinderkreuzzug oder: Beginnt die Revolution in den Schulen". Wir haben es getan, weshalb sich unsere Sozialistische Schülergemeinschaft auch in den Analen der Frankfurter Studentenbewegung wieder findet.
Wir haben Günter Amendt in unser Taunusstädtchen eingeladen, den großen Amendt, der nach dem Attentat auf Rudi Dutschke zur Symbolfigur unserer Revolution geworden war, die doch nie wirklich eine gewesen ist. Sie war ein Traum - und dass Günther Amendt sich nicht zu schade war, sich mit ein paar Gymnasiasten zur Diskussion zusammen zu setzen, das war ein Teil der Wahrheit dieses Traums, der uns für ein paar Jahre die Hoffnung gab, vielleicht doch eine bessere Welt schaffen zu können.
Wie kläglich wir gescheitert sind, merkten wir erst, als wir es uns längst in der einst bekämpften bürgerlichen Gesellschaft wieder eingereiht und eingerichtet hatten, und die Revolution erst nach dem dritten Glas Wein wieder ein Thema wurde – als sentimentale Erinnerung an unsere Träume und in der tiefen Überzeugung, immer noch das Wahre, Schöne, Gute anzustreben, wenn wir nur irgendwann mal die Zeit dafür hätten.
Damals, 1969, da hatten Aufklärung und Revolution auch immer etwas mit Sex zu tun. Auch für uns und auch für Günter Amendt. In den letzten 25 Jahren hat er sich Anderem gewidmet: Dem Kampf gegen Drogen, die doch der Feind jeder gesellschaftlichen Veränderung sind und Menschen auch ganz individuell schreckliches Leid zufügen. Aufgegeben hat er nie.
Gestern ist Günter Amendt gestorben. An einer Kreuzung in Hamburg-Eppendorf, über die ich viele Jahre lang jeden Tag zur Arbeit gefahren bin. Günter Amendt starb, inzwischen 71, als Fußgänger - er, der Kämpfer gegen die Drogensucht, weil ein unter Drogen stehenden 38-jähriger Autofahrer am Samstagnachmittag eine rote Ampel am Eppendorfer Baum überfuhr. Dort, wo das Leben an allen Tagen vielleicht am fröhlichsten tobt in diesem Land, fand Günter Amendt den Tod.
Tschüs, Günter. Es gibt viele Menschen, die dich nicht vergessen werden.

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