Phnom Penh hat eine seltsame Dynamik. In den frühen Morgenstunden beginnt buntes Treiben auf den Straßen, Motoroller und Autos konkurrieren mit Straßenständen und Fußgängern scheinbar chaotisch um den Platz auf den Straßen. Bewegt wird sich als Einzelner relativ langsam und möglichst ohne hastige bewegungen wodurch dann ein gleichmäßiger, nie stoppender Fluss entsteht.
Wandert man dann allerdings nach 9 uhr abends durch die Straßen, kann man zusehen, wie es ruhiger wird und nach 10 Uhr verwandelt sich Phnom Penh in eine Geisterstadt. Bürgersteige sind plötzlich leer und 5m breit, Straßen völlig vereinsamt und die Lichter komplett ausgeschaltet. Ohne Straßenlaternen findet man sich so in ausgestorbenen völlig finsteren Straßen wieder und hofft einfach möglichst bald wieder in seinem Guesthouse anzukommen.
Gestern standen zwei Sehenswürdigkeiten auf dem Plan, zum Einen das Genocid-Museum S21 und der königliche Palast mit der Silver Pagoda. Gegenüber dem Palast, der letztendlich nicht viel mehr als ein Spaziergang durch Grünanlagen und glitzernde Gebäude darstellt, hinterlässt Ersteres bleibenden Eindruck, den wir auch über den Tag nicht wirklich abschütteln können.
Toul Sleng, oder auch S21 genannt war noch vor gar nicht so langer Zeit eine High School bis am 17. April 1975 die kommunistische Gruppierung Khmer Rouge in Phnom Penh einmarschiert und die Regierung übernimmt, allen voran Pol Pot, ihr Anführer. Was die Kambodschaner anfangs noch bejubeln und als Befreiung von äusseren Einflüssen von US und Vietnam ansehen, wandelt sich bald in blanken Horror. Die grausame Führung verbietet von nun an Bildung und übernimmt die Kontrolle über Kambodschas Währung. High Schools wie Toul Sleng (insgesamt über 90 Schulen in Kambodscha) werden in Folterinstitutionen umgewandelt, in denen hauptsächlich Intellektuelle wie Ärzte oder Wissenschaftler gefangen gehalten und bis zu absurden Geständnissen gefoltert werden,die dann mit dem Tod bestraft werden. In kleinsten Zellen, die einfach und schnell mit Ziegelsteinen in ehemaligen Schulklassen zusammengebaut werden, verbringen Gefangene teilweise Wochen unter Folter, bis sie grausamst getötet werden, oder bei Verhören sterben. Danach werden sie in Killing Field abtransportiert, ein Feld etwas ausserhalb der Stadt, wo nach Übernahme der Vietnamese und “Befreiung” der Gefangenen 1978 über 8985 Leichen aus 86 Massengräbern geborgen wurden. In Toul Sleng selbst, fand man noch 14 tote Gefangene und 7 Überlebende. Die Körper der Toten wurden im Innenhof der Schule, der einmal Kindern als Spielplatz diente begraben.
Insgesamt 4 Gebäude der Schule dienen nun dazu uns den Eindruck zu verschaffen, was vor gar nicht langer Zeit hier passiert ist. Zunächst wandert man in Gebäude A durch alte Schulklassen, 20 an der zahl über 2 Stockwerke verteilt, in denen nicht viel mehr als ein Gitterbett und manchmal ein Schreibtisch stand. Viel mehr brauchte man für Folter und Verhöre nicht, manchmal liegen auf den Stahlmatrazzen ein paar übrig geblieben Folterinstrumente. Im nächsten gebäude sind unzählige Wände aufgestellt, mit Fotos der Gefangenen. Mit Schildern um den Hlas und Nummern darauf schaut man in Gesichter die erwartungsvoll, angespannt und gleichgültig schauen. Ausdrücke die sich noch von den Bildern unterscheiden, die man dann im letzten Gebäude mit weiteren Fotowänden findet. Teilweise von Folter geschundene Gesichter, die nun mehr verzweifelt und hoffnungslos blicken, vermitteln uns den Eindruck, das diese Fotos chronologisch sortiert wurden.
Im 4. Gebäude dazwischen bekommt man ein Gefühl dafür, wie das Leben in den Zellen war. Nicht einmal 1mx2m große Flächen, nur abgetrennt durch schlecht und schlampig hochgezogene Ziegelsteinwände, befindet sich nichts ausser Ketten am Boden und manchmal einer Eisenkiste darin, in der sich die Gefangenen erleichtern konnten. Viele der Insassen hatten nicht einmal genug Platz um sich ausgestreckt hinlegen zu können, in manchen Abschnitten fehlen Türen gänzlich, unnötig durch die Ketten am Boden.
Panik steigt in mir auf, wie ich da in diesen kleinen Zellen stehe. Man bekommt kaum Luft und auch in den zellen die selten genug einmal an einem fenster gebaut sind, hilft einem der Blick auf Stacheldrahtzaun, der über die Balkone gespannt wurde um den Gefangene den leichten und schnellen Selbstmord zu verwehren, gönnt einem keine Erleichterung.
Nur schwer schafft man es, auch nach Verlassend dieses Geländes wieder frei Atmen zu können und dieses bedrückende Gefühl und den flauen Magen loszuwerden.
Die drei anführenden Kommandeure wurden aus politischen Gründen übrigens erst 2007 in Haft genommen.