Ein neuer Bestatter ist in der Stadt – auf dem Dach seines „Geschäftswagens“ ist ein überdimensionierter, knallbunter Sarg montiert, auf der Wagenseite funkelt ein grellroter Claim: „Jim Blitz – Bestattungen, die Spaß machen!“ So lässt Harald J. Marburger den „Neuen“ im Krimi „Totengräberspätzle“ am Friedhof vorbeifahren, wo gerade die gesamten Honoratioren bei einer Trauerfeier versammelt sind.
Jim Blitz heißt eigentlich Henning Lindhorst und bringt Verblichene nicht nur unter die Erde, sondern inszeniert jedes Begräbnis als unvergessliches Event. All inkklusive. Auch in der schwäbischen Kleinstadt Muggenpfuhl, wo er mit seiner massiv gepiercten Tochter Julia heimisch werden will, findet der ungewöhnliche Bestatter schnell neue Kunden, auch wenn hier vergleichsweise wenig Todesfälle zu verbuchen sind.
Johann Gottesacker rauft sich die Haare: er ist Bestatter in dritter Generation in Muggenpfuhl und vor allem – bisher der einzige. Und dann eröffnet dieser Lindhorst sein Event-Bestattungsunternehmen auch noch genau auf der anderen Straßenseite. In einem kleinen runden, einladenden Glaspavillon berät die Konkurrenz nun also die strömende Kundschaft.
Eine Hippiebestattung mit Gitarrensarg für Großmutter? Kein Problem! Die Beerdigung bekam sogar Sendezeit im Lokalprogramm von Südwest 3. Auch die Beerdigung der Großeltern des Dorfbäckers – beide zu ihrer Zeit rüstige Weltumsegler – war eine Sensation:
der Hinterbliebene entschied sich für das „Explorer-Setting, heißt: die beiden Leichen wurden mit weißem Kletterseil in einen roten Fallschirm geschnürt, auf einen lappländischen Schneeschlitten gepackt und inklusive zwei Paar Ski verbrannt.
Sieht also nicht gut aus für den ehemaligen Bestattungs-Platzhirsch Gottesacker, der zudem ganz gern mal ein paar Euro für sich einsackte, in dem er furnierte Sperrholzsärge „veredelte“ und als Eichensärge für teuer Geld an den Mann und die Frau brachte. Aufgefallen ist der Schwindel, als einer dieser präparierten Särge den Sargträgern aus den Händen rutschte und im Grab auseinander brach.
Nicht genug, dass Gottesacker ernsthafte Konkurrenz bekommt, seine finanzielle Situation war schon vorher nicht sonderlich rosig und auch sein Sohn Anselm, ein langhaariger Außenseiter, macht ihm nicht gerade Freude. Kein Wunder setzt er alle Hebel in Bewegung, als in Muggenpfuhl ein Mafiaboss beerdigt werden soll. Da ist es ihm auch herzlich egal, dass eigentlich Kollege Lindhorst den Zuschlag für die Trauerfeier bekommen hat.
Wer die Story jetzt schon aberwitzig findet, wird in den weiteren Kapiteln des Schwaben-Krimis sein blaues Wunder erleben, denn es startet nicht nur ein trickreicher Wettbewerb um die Mafiosi-Leiche, die ganze Sache bringt auch jede Menge Profikiller und einen unerbittlichen italienischen Kommissare nach Muggenpfuhl: hier gehts nicht nur um eine Bestattung, sondern um eine Menge Kokain.
Was sich die Bestatter einfallen lassen (müssen), um heil aus dem Fall rauszukommen, welche Rolle der Bestatter-Nachwuchs dabei spielt, ob die Täter ebenfalls davon kommen oder nicht, erzählt Harald J. Marburger so humorvoll, leicht und fantasiereich wie pointiert.
Auch wenn zart besaitete Leser vermutlich nicht alle Gags so richtig lustig finden, ist „Totengräberspätzle“ ein zwar makabres, aber dennoch großes Lese-Vergnügen. Das liegt ziemlich sicher daran, dass der Autor seine Erfahrungen als Polizeiübersetzer, Filmemacher, Musiker, Porzellanverkäufer, Cutter, Werbetexter und Simultandolmetscher in den Krimi einfließen ließ und so trotz aller Wahnwitzigkeiten eine runde Story ablieferte.
Harald J. Marburger „Totengräberspätzle“, 432 Seiten, broschiert, 12 Euro 90, emons:verlag