Tollkühn statt mutig

Tollkühn statt mutigDa hat also der Bundesrat entschieden, aus der Atomenergie auszusteigen, und schon haben Ausdrücke wie «historisch» oder «mutig» Hochkonjunktur. Bloss: Was ist so geschichtsträchtig und couragiert, wenn eine Landesregierung knappe zehn Wochen nach einer der verheerendsten Atomkatastrophen, die es je gegeben hat, den Ausstieg aus einer offenbar doch nicht beherrschbaren Technologie beschliesst?

Oder besser: Was hat der Bundesrat überhaupt beschlossen? Er hat zum einen entschieden, dass in der Schweiz keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden dürfen. Das ist schön und gut. Bedenkt man aber, dass gemäss Kernenergiegesetz das Volk letztlich über eine Rahmenbewilligung für ein neues AKW abgestimmt und dabei mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Nein gesagt hätte, so ist dieser Bundesratsentscheid bestenfalls vernünftig. Geschichtsträchtigkeit und Mut sehen anders aus.

Daneben hat die Landesregierung auch entschieden, dass die fünf AKWs in der Schweiz bis ans Ende ihrer «sicherheitstechnischen Betriebsdauer» weiterlaufen dürfen. Sprich: Solange die Atommeiler «sicher» sind, dürfen sie am Netz bleiben. Der Bundesrat geht dabei von 50 Jahren aus – bei AKWs notabene, die einst in den 60er- oder 70er-Jahren für eine Betriebsdauer von 40 Jahren geplant wurden.

Nun kann man argumentieren, dass die beiden jüngeren AKWs in Leibstadt und Gösgen den Umständen entsprechend wohl so etwas wie «sicher» sind. Das jedenfalls hat das Eidgenössiche Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) den beiden Werken Anfang Mai attestiert, indem es nur relativ kleine Mängel kritisierte. Wer jedoch die ENSI-Verfügungen zu Mühleberg und Beznau liest, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, wenn UVEK-Vorsteherin Doris Leuthardt erklärt: «Unsere Reaktoren sind sicher.» Sind Reaktoren sicher, deren Betreiber erst noch nachweisen müssen, dass die Meiler ein 10 000-jähriges Erdbeben, ein 10 000-jähriges Hochwasser und eine Kombination der beiden tatsächlich überstehen würden? Sind Reaktoren vom Typ der Unglücksmeiler in Fukushima auch nach den Ereignissen in Japan noch «sicher»? Oder ist ein Reaktor sicher, der aus einer einzigen Quelle – der Aare – gekühlt wird, wie das in Mühleberg der Fall ist?

Oder noch anders gefragt: Ist die «sicherheitstechnische Betriebsdauer» vielleicht weniger eine technische denn eine politische Angelegenheit? Und falls dem so wäre: Was ist «historisch» am Entscheid des Bundesrates, die alten AKWs weiterlaufen zu lassen? Und ist es nicht eher tollkühn statt mutig, solche Uralt-Meiler auf Zusehen hin weiter zu betreiben?


wallpaper-1019588
altraverse stellt Shojo-Titel für Herbst 2024 vor
wallpaper-1019588
Ninja to Koroshiya no Futarigurashi: Manga erhält eine Anime-Adaption
wallpaper-1019588
[Manga] H.P. Lovecrafts Der leuchtende Trapezoeder
wallpaper-1019588
Gemüsebeet in Mai: Diese 10 Gemüse kannst du jetzt pflanzen