Toiletten II

(Teil 1 hier: *KLICK*)

Die Schlange ist meterlang, wie ich es als Frau von allerlei Partys oder Festen kenne, nur ist sie viel bunter, viel fröhlicher, definitiv nüchterner im alkoholischen Sinne, und manchmal sogar märchenhaft: Auch Prinzessinnen und Heldinnen müssen mal auf`s Klo!
Mein ganzes Mitgefühl gilt einer Nachthimmelglitzerkristallkönigin im meterbreiten Reifrock – damit Pipi zu machen dürfte eine logistische Meisterleistung sein!
Aber bei mir wird es langsam eng: Vom Straßenbahnausstieg Messegelände, der sich unterhalb des Zugbahnhofes Messegelände befindet geht es zehn stracke Fußminuten einer quietschbunt-normal-durchmischten Menge hinterher zum Messgebäude.
Ich stehe und staune und muss den Impuls unterdrücken,  “Forrrrrrest!”-kreischend ins Wasser zu rennen …
Dann Eingang, die erste Erleichterung an der Garderobe: Weg mit Rucksack und Jacke!
Dann viel fragen und lächeln und weiter ging`s mit schickem Presseausweis (der bei aller Bescheidenheit nun wirklich ganz schön was her macht! ;-) ) endlich endlich direkt zur nächsten Örtlichkeit.
Es nützt nichts, hier geht`s zu langsam vorran.
Ich schere aus und silberfische mich durch Menschenleibermassen in den Innenhof.
Zwischen nackter, frierender, aber stolz bemalter Haut ein freundlicher und komplett frauenfreier Container.
Deutlich wohlfühliger hüpfe ich vom Kalten, Frischen wieder hinein ins Warme und erstaunlich Unmuffige. Und gebe den Containertipp gleich an die Nachthimmelglitzerkristallkönigin und ihre Freundinnen weiter.

Ich weiß, der Zeitpunkt könnte nicht schlechter sein, aber ich bekomme schon Kopfschmerzen. Höchste Zeit, von dem 3 Euro-Wasser zu trinken, das ich mir hier gekauft habe, nachdem ich feststellen musste, inmitten völliger Reizüberflutung meiner Wasserrflasche einen Aufenthalt in der Garderobe verschafft zu haben.
Und tatsächlich: Mein Kopfschmerz schwindet.
Als sich meine Blase erwartungsgemäß nach einiger Zeit wieder nach einer freundlichen Schüssel zu sehnen beginnt, bleibe ich hart.
“Vergiss es!”, zische ich ihr zu. “Und wenn ich mich einpiesele, ich gehe hier nicht weg!”
Ich stehe da und lechze nach einem Kaffee, Himmel, ich hatte seit dem Cappuccino kein Koffein mehr, und auf Toilette muss ich auch, aber das ist mir völlig egal, ich werde nicht weichen!
Denn: Wie angekündigt befinde ich in der einzigen Schlange, auf die es mir heute ankommmt!
Noch vor ein paar Minuten stand ich inmitten eines riesigen Pulks, der sich um die Leseinsel der Fantasy in Halle 2 gebildet hat. Im Fokus hunderter Augenpaare und ebenso vieler Ohren ein Mann: Markus Heitz!
Live und in Farbe vermittelt er auch in Natura den so selbstbewußten Humor, den ich von ihm aus Interviews kenne. Jetzt erlebe ich ihn live und erfreue mich zugegeben an der absoluten Authentizität dieses Mannes – da ist nichts gespielt und nichts gekünstelt!
Und aufgrund einiger Irrungen und Wirrungen, die auf meine absolute Unerfahrenheit in solchen Sachen gründen, landete ich schließlich am Ende einer für mich 40 Minuten langen Schlange.
Und was soll ich sagen? Es war jede Minute wert! Ich bin kein Groupie, nie gewesen, aber einen solchen Spitzenautor live zu treffen, ist einfach mal gelinde gesagt geil.
Und meine Sammlung vom Autor handsignierter Bücher ist von 3 auf 4 gewachsen, :-D
Ich stottere Herrn Heitz ein bisschen zu von wegen, wie toll ich seine Bücher finde, tue ihm den Gefallen, dass ich kein Foto mit ihm machen lassen will (So oft, wie der während meiner Wartezeit aufstehen musste, dürfte das einem Abend im Fitnessstudio gleichkommen) und stelle wieder einmal fest, dass Ausstrahlung keine Frage der Kleidergröße ist.
Wahnsinn.
Das kostbarsignierte Buch eingepackt und nu aber los – Container, ich komme!!!!

Das Essen ist bestellt und ich nutze die Gelegenheit einer sauberen leipziger Ristorante-Toilette, um das durchgemuffte T-Shirt, an dem sicher die Gerüche hunderter Menschen haften, die ich im Vorrübergehn freundlich angedrängelt habe, gegen ein sauberes aus meinem Rucksack einzutauschen. Pflegetücher erfrischen ein wenig und ich bin froh, dass ich mich nicht geschminkt hatte, ich sähe jetzt aus wie ein Waschbär und hätte nicht mehr die Energie, etwas daran zu ändern.

Das Klo ist studentenkneipengammelig, szenemuffelig, es ist stickig und heiß, aber erstaunlicher Weise nicht klaustrophobisch eng. Eine riesendicke Stumpenduftkerze lässt die Illusion eines frischen, blitzblankgescheuerten Badezimmers entstehen, so man denn Willens ist, die augentechnischen Sinneseindrücke zu igrnorieren.
Nach einer Fahrt (Dieses Mal in einem Zug, der gegen Messeende so voll war, dass man kaum atmen konnte, und in dem sich die Menschen so freundlich und rücksichtsvoll verhielten, dass ich Bauklötze staunte) vom Messgelände nach Leipzig, irgendwo, Ausstieg.
Nach Hause telefonieren: “Gute Nacht, ich habe Euch lieb! Bis später, ich liebe Dich!”
Straff-strammer Fußmarsch quer durch die Innenstadt. Wunderschöne Glanzlichter an Gebäuden, die bis in den Himmel ragen. So viel Schönheit in einer Stadt!
Das schönste aber die Menschen: Ob in Zug oder Straßenbahn, ob im Bahnhof oder davor oder an einer Haltestelle oder im Vorrübergehen auf dem Bürgersteig: Alle sooo freundlich, alle sooo nett! Hilfsbereites Gesächsele, stets mit einem Lächeln, immer für einen kleinen Plausch zu haben, Wohlfühlstadt.
Dann endlich letzte Station Kneipe. Tragetaschenwunde Finger umklammern ein kühles, alkoholfreies Bier. Endlich in ruhiger, ebenso erschöpfter, freundlicher Gesellschaft verschnaufen, Luft holen und im Glanz der Funkelleuchtlichter von da Draußen all die Wunder sacken lassen.
Und endlich-endlich: taschen- und rucksackfreier Toilettengang. Herrlich.

Ich kann nur hoffen, dass das Klo hier sauber ist! Hotelsterne hin oder her, normaler Weise hätte ich das Ding erst noch mit Tüchern desinfiziert! Normaler Weise hätte ich meine Sachen sorgfältig gefaltet und hätte meinem malträtierten und mit sicherlich gleich mehreren Schweißschichten bedeckten Körper eine lange, heiße, muskelkatervorbeugende Dusche gegönnt. Normaler Weise hätte ich neugierig mein Hotelzimmer inspiziert, hätte in die Minibar gelinst, und mich am puren Luxus einer Bezahlunterkunft erfreut. Mir sorgfältig die Zähne geputzt, die Haare gekämmt, mir Sachen für den nächsten Tag rausgelegt …
Tatäschlich würde ich am liebsten auf dem Klo sitzenbleiben und schlafen, einfach nur schlafen.
Ich bin so erschöpft, dass ich mir allen Ernstes zum Hotel ein Taxi genommen habe. Meine Weisheit ist mein Glück: Den Weg hätte ich nie im Leben noch zu Fuß geschafft!
Dann liege ich im Bett und bin todmüde und kann doch nicht schlafen. Herr L. fehlt mir und meine Kinder fehlen mir, da ist nichts, was mich erdet!
All die erlebten Wunder strömen in Formen und Farebn auf mich ein, pochen an die erschöpfungsgraue Wehrmauer meines Körpers und meines Verstandes und wollen eingelassen werden, wollen über mich hinwegrauschen, mich durchfluten, mich in ihre Gewalt bringen.
Ich bin zu schwach, mich gegen sie zu behaupten.
Mein einziger Trost ist, dass mir der Concierce schon für morgen Früh ein Taxi bestellt hat.
Mein schmerzenden Finger krallen sich um die Kopfkissenschokolade und ich liege da und mir ist so schlecht, dass ich überlege, nochmal aufzustehen und ins Klo zu spucken. Ich bin zu müde zum schlafen, zu erschöpft, um die Augen zu schließen.
So sehr ich auch nach Schlaf und das damit einhergehende Abgleiten in die friedvolle Dunkelkeit herbeisehne, ich liege noch sehr lange wach, bis ich endlich über den Rand der Erschöpfung hinaus wegdämmere.

Fortsetzung folgt.


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