Eine der blamabelsten Angelegenheiten der menschlichen Entwicklung ist es, dass das Wort “Tierschutz” überhaupt geschaffen werden musste.” (Theodor Heuss)
Die Diskussionen, vor allem über den Auslandstierschutz und vor allem um Hunde häufen sich. Man ist sich nicht mehr einig, wie das mit dem Tierschutz überhaupt funktioniert. Was ist Tierschutz, was schießt über das Ziel hinaus und bewirkt letztendlich das Gegenteil? Wer schützt wirklich und wer pflegt nur sein eigenes Ego? Wo wird das Wort Tierschutz gar missbraucht? Gilt es das einzelne Tier zu schützen oder hilft man eher wenn man das große Ganze in Betracht zieht? Und wo sind Grenzen zu ziehen?
Fakten
Weltweit leben etwa 500 Millionen Hunde, an die 90 (!!)% davon leben frei, z.B. als Dorf- oder Straßenhunde.
In Deutschland werden relativ stabil bleibend etwa 5 Millionen Hunde gehalten bei einer Einwohnerzahl von derzeit etwa 81 Millionen Menschen.
Verbleiben also 495 Millionen Hunde, die in der Welt verteilt leben. Davon dann wohl weit über 400 Millionen, die ein freies / wildes Dasein fristen.
Ein warmes Plätzchen …
Nun stelle man sich die Frage, wenn es so erstrebenswert für einen Hund ist, mit Menschen zusammen zu leben, eine warme Couch zu haben, wieso lebt der größte Teil der Hunde eben nicht dort? Wissen sie schlicht nicht, wie toll es bei den Menschen ist? Haben sie keinen gefunden, der ihnen eine Couch oder ein warmes Plätzchen zur Verfügung stellt? Oder ist diese Unterstellung (dass es erstrebenswert ist für Hunde, mit Menschen zu leben) vielleicht schlicht eine Anmaßung?
So funktioniert Leben in Freiheit
Wenn Hunde in Freiheit / auf der Straße leben, tun sie dies zwar nicht unbedingt in Rudeln, trotzdem funktioniert die Gebietsbesetzung nach bestimmten natürlichen Regeln. Ein Gebiet kann nur von einer bestimmten Anzahl „besetzt“ sein. Diese Anzahl richtet sich z.B. auch nach den Ressourcen, die in diesem Gebiet vorhanden sind. Auch die Fortpflanzung richtet sich auf natürlichen Wegen nach diesen Vorgaben. Das bedeutet z.B. auch, wenn Lücken entstehen, werden diese wieder gefüllt, auch indem neuer Nachwuchs produziert wird.
Fatale Folgen von falschem Tierschutz
Das heißt dann z.B. also, wenn durch Einfangen von Straßenhunden ständig künstlich Lücken in einem Gebiet produziert werden, rückt immer wieder Nachwuchs nach. Diese künstlichen Lücken haben also zur Folge, dass die Hundepopulation sich sogar erhöht, statt kleiner zu werden.
Aber es zählt doch jeder einzelne!!
Ja, klar, jeder einzelne zählt. Wie in der Geschichte mit den Seesternen. Aber wenn man es einmal genau betrachtet, heißt diese Hilfe für den einzelnen, ich produziere vielleicht für 10 oder noch mehr andere wieder neues Leid. Aber ich habe ja einen gerettet …
Wie geht es DENN?
Mit strikt eingehaltenen Kastrationsprogrammen, die die Hunde danach wieder an ihren angestammten Platz entlassen, wäre es möglich, solche Probleme dauerhaft zu lösen. Aber leider stehen dem zu viele eigennützige Gedankengänge der Menschen, die involviert sind, im Wege. Griechenland hat gerade angefangen, die Ausfuhr von Straßenhunden einzudämmen. Was sich zuerst nicht schön anhört, könnte dauerhaft vielleicht sogar zu Verbesserung der Zustände beitragen, wenn die Tierschützer vor Ort eventuell etwas mehr umdenken würden.
Und wieso überhaupt Auslandstierschutz?
Ja, diese Frage muss man sich tatsächlich stellen, angesichts:
- 100.000 Tiere sollen es sein, die in deutschen Tierheimen auf ein Zuhause warten
- Mehr als 830 Millionen Tiere leben und sterben in Deutschland jährlich in Massentierhaltung. Dies bedeutet z.B. dass die Tiere gewaltsam den Haltungsformen angepasst werden, indem Hörner, Ringelschwänze, Schnäbel und z. T. auch Zähne ohne Betäubung gekürzt/abgetrennt werden, wesentliche Grundbedürfnisse der Tiere ignoriert werden, Fließbandabfertigung die zur Folge hat, dass selbst die vorgeschriebene Betäubung vor Tötung oft nicht eingehalten werden KANN.
- Qualzucht, ja überhaupt Zucht in immer skurriler werdendem Ausmaß, der es gilt Einhalt zu gebieten
- Die letzten 100 Jahre haben die Menschen ihrem Freund Hund das mit Abstand meiste Leid angetan, in der langen Geschichte ihrer Partnerschaft, die immerhin schon mindestens 15.000 Jahre besteht. Und das durchaus nicht nur im Ausland oder durch offensichtliche Misshandlungen und dergleichen, vieles davon findet direkt vor unserer Haustür statt, sei es durch missverstandene Zucht oder auch Missbrauch als Wirtschaftsfaktor.
Tierschutz vor der eigenen Haustür
Wir müssen nicht tausende Kilometer reisen, um Tiere zu finden, für die es gilt, sich stark zu machen, Tiere die unseren Schutz brauchen. Wer sich stark machen möchte, im Tierschutz, der kann das gut auch hier tun.
Das hat nichts damit zu tun, dass man sich nicht um andere kümmern würde. Tierschutz im Ausland unterstützen kann man auch sehr sinnvoll, indem man finanzielle Unterstützung gibt. Es gibt sie ja, die Kastrationsprojekte, wo genau so verfahren wird. Die Hunde werden eingefangen, kastriert, medizinisch versorgt und dann zurück gebracht. Es finden Programme statt, die der Aufklärung vor Ort dienen und die Lebensumstände der Hunde werden verbessert.
Und wenn es doch ein Hund aus dem Ausland sein soll?
Dann kann man zumindest so auswählen, dass das Geld (die Schutzgebühr) mit in eben solche Projekte fließt, dass man die Tierschutzorganisation nach strengen Kriterien auswählt. Da, wo nur solche Tiere vermittelt werden, die auf der Straße vielleicht keine Chance haben, z.B. wegen Krankheit oder Verletzungen.
Dann sollte man sich allerdings auch gut überlegen, was so ein Hund an Leid erfährt, wenn er in einer Kiste eingesperrt in einem Flugzeug transportiert wird, oder in einem Massentransport im Van, vollgestopft mit 20 und mehr verängstigten Artgenossen. Würde er diesen Weg gehen, wenn er tatsächlich die Wahl hätte?
Engagierte Tierschützer
Natürlich sollen diese Gedankengänge nicht das Engagement schmälern, das viele Menschen im Hinblick auf Tierschutz leisten. Manchmal kann sich aber auch der engagierteste Mensch verrennen. Man verliert vielleicht den Grundgedanken aus den Augen.
Außerdem ist es natürlich immer schwierig, im Angesicht des Elends, Entscheidungen zu fällen, die in der Tragweite nicht überschaubar sind. Und oft entsteht ein Kreislauf, es geht nur noch darum noch mehr und noch mehr und noch mehr zu „retten“.
Ein Blick über den Tellerrand kann die Sicht manchmal klären, den Blick öffnen für das, was wirklich zählt. Und was wirklich zählen muss, ist nicht der Schlag auf die eigene Brust (Ich bin ein Tierschützer!!), sondern dafür zu sorgen, dass der Satz von Theodor Heuss in die Geschichte eingeht als kurze Irrung der Menschheit, die aber zügig wieder auf den rechten Weg gebracht wurde. Dazu kann jeder beitragen, und zwar hier, direkt vor der eigenen Haustür …
Wir hoffen, der Beitrag hat dir gefallen und sagen bis zum nächsten mal.
Bis dahin wünschen wir dir und deinem Hund eine schöne Zeit, macht es gut …