Tiefen der Selbstachtung

Von Stefan Sasse
Es ist immer wieder überraschend, wie tief die Selbstachtung mancher Menschen fallen kann. Militärs und Geheimpolizeien arbeiten gerne damit, die Selbstachtung von Menschen zielgerichtet zu zerstören, sie zu brechen, um alles aus ihnen herauszuholen. Manche Leute lassen sich öffentlich demütigen, haben danach aber noch so viel Selbstachtung übrig, dass sie bei ihrem finanzministeriellen Arbeitgeber kündigen. Und manche haben so wenig Selbstachtung, dass sie, nachdem man sie ausgepresst und wie einen Straßenköter getreten hat, immer noch in der Hoffnung zurück gekrochen kommen, dass vielleicht doch ein Knochen vom herrschaftlichen Tisch für sie abfallen möge. Die Rede ist hier von der Bundesregierung im Allgemeinen und Merkel im Speziellen, der Anlass der Arbeitgebertag. 
Auf diesem Arbeitgebertag hat Merkel eine Rede gehalten, in der sie betonte, wie arbeitgeberfreundlich die bisherige Politik der Regierung war. Es ist die konservative Welt aus dem Springerkonzern, die darüber berichtet; das Gesagte steht also nicht im Geruch kommunistischer Hetze:
Die [Gesundheits-]Reform sei für die Arbeitgeber gemacht. Der Arbeitgeberbeitrag werde eingefroren. Kostensteigerungen im Gesundheitswesen müssen künftig die Versicherten tragen. Dass die Arbeitgeber zu den Kritikern der Reform gehören, verstehe sie nicht. Dass die Sozialbeiträge trotz Wirtschaftskrise unter 40 Prozent liegen, sei eine große Leistung. [...] Außerdem erinnerte sie daran, dass die Regierung mit ihrem Energiekonzept der Wirtschaft entgegengekommen sei. So wurden die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert. Die Unternehmen wurden zudem beim Sparpaket geschont. Der ursprüngliche Plan, die Ausnahmen von der Ökosteuer für besonders energiereiche Betriebe stark einzuschränken, wurde entschärft.
 So offen sagt Merkel das im Normalfall nicht. Das wäre auch nicht ihr Stil. Eigentlich wird ja von ausgeglichener Politik gesprochen, von Vorfahrt für Arbeit und vielem mehr. Darum geht es hier gar nicht. Merkel zeigt den versammelten Managern und Lobbyisten auf, was sie denn alles für sie getan hat. Sie ist der Hund, der mit treuherzigem Blick hofft, endlich den abgenagten Knochen des Herrchens zu bekommen. Stattdessen erntet der räudige Köter aber nur einen Tritt, denn Herrchen ist noch lange nicht satt. Die Welt berichtet von "unterkühlter" Atmosphäre. Denn die Arbeitgeber präsentierten Merkel gleich die Wunschliste:
Und so präsentierte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt jetzt der Regierung eine lange Wunschliste. Vor allem forderte er „deutlich mehr Ehrgeiz und größere Anstrengungen, wenn wir endlich ein Kernproblem unseres Arbeitsmarktes angehen wollen“, die exzessiv hohe Steuer- und Abgabenlast auf dem Faktor Arbeit. Auch die Gesundheitsreform kommt schlecht weg. Zwei Milliarden Euro koste die Beitragserhöhung die Arbeitgeber. Dabei habe die Koalition doch versprochen, die Soziallasten nicht zu erhöhen. [...] Die Arbeitgeber sehen mit dem Fachkräftemangel ein großes Problem auf Deutschland zurollen und fordern deshalb eine gezielte Zuwanderung. Bis 2030 schrumpfe die Zahl der Erwerbsfähigen um acht Millionen, warnte der Arbeitgeberpräsident: „Deshalb müssen wir uns weltweit gezielt um qualifizierte Menschen bemühen.“ Dieser Appell blieb ungehört. [...] Ein anderes Minenfeld ist die Steuerpolitik. Gerade hier hatten die Wirtschaftsverbände Großes von der schwarz-gelben Koalition erwartet. Eine Reform der Einkommensteuer ist jedoch nicht in Sicht. Auch die Reform der Mehrwertsteuer mit ihren vielen Ausnahmen ist auf die lange Bank geschoben worden. Vom Ziel, die Gewerbesteuer abzuschaffen, eine Herzensangelegenheit der Wirtschaft, hat sich die Koalition verabschiedet. [...] Für Irritationen aufseiten der Arbeitgeber sorgten mehrere Kabinettsmitglieder mit dem Plädoyer für höhere Lohnabschlüsse. Nicht nur von der Leyen, auch FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hatte die Arbeitgeber mit entsprechenden Appellen verärgert.
 Und so weiter und so fort. Seit einem Jahr tut Schwarz-Gelb nichts anderes, als sich für die Arbeitgeber zu prostituieren. Eine Reform nach der anderen zieht den Bürgern das Geld aus den Taschen und schiebt es der Wirtschaft in den Rachen, ohne dass irgendetwas dafür herumkommen würde. Doch den Arbeitgebern fällt nicht mehr dazu ein, als zu erklären dass es nicht ausreiche und dass man ihren Vorstellungen mehr entgegen kommen solle. Der Köter wird also einmal mehr weggetreten. Ob irgendwann einmal eine Schamgrenze in der Selbstachtung Merkels erreicht ist? Wird sie irgendwann einmal sagen "Genug ist genug" und beißen? Oder wird sie sich bis 2013 herumtreten lassen, in der Hoffnung, dass der versprochene Knochen doch noch fällt? Einstweilen versucht sie sich ein wenig trotzig.
„Sie dürfen klatschen“, forderte die Kanzlerin den Applaus der versammelten Manager.

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