Das war knapp. Mehrere Minuten hatte die Welt stillgestanden, weil die FDP sich nicht über ihre neue "Führungsmannschaft" (Tagesschau) hatte einigen können. Westerwelle weg, Homburger noch da, Brüderlei kompromissbereit, aber hinterlistig, Bahr karrieregeil, Niebel gewieft, Koch-Mehring verwickelt in eine Plagiatsaffäre. Rösler, warfen Experten auf sämtlichen Sender immer noch einen völlig unbekannten Namen in die Runde, sei schon "beschädigt" (dpa), ehe er sein Amt angetreten habe.
Welcher Rösler? Welches Amt? Und wer war dieser Westerwelle, von dem früher soviel die Rede gewesen ist? Tagelang wurde hinter den Kulissen geschoben und gekungelt, geschachert und erpresst, um dem Publikum zum neuen Parteivorsitzenden eine verjüngte Führungsmannschaft des deutschen Liberalismus präsentieren zu können. Conny Pieper, als Liberale bekannt geworden durch einen Haschischfund im Blumentopf, muss weichen, Frau Homburger übernimmt - ein Situation wie kurz vor dem Mauerfall, als der greise Egon Krenz als junge Garde antrat, den noch greiseren Erich Honecker zu beerben.
Wenigstens Daniel Bahr ist jung, ein 34-Jähriger, der sich vor 20 Jahren entschloß, Politiker zu werden. Als Staatssekretär bei Rößler stand der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende seit der Wahl Gewehr bei Fuß, um höhere Aufgaben zu übernehmen. Nun endlich wird er Minister. Sein bisheriger Chef wechselt ins Wirtschaftsministerium, weil er Außenminister nicht werden kann, denn dieses Amt hat sich Guido Westerwelle als Preis für den freiwilligen Rückzug vom Parteivorsitz ausbedungen. Ein Theater mit lebenden Puppen, ein Trauerzug zum Totenbett des Liberalismus, der sich - im Gegensatz zu zahlreichen Behauptungen in der Vergangenheit - hier zum ersten Mal als das zeigt, was er ist: Keine Partei zur Durchsetzung politischer Zeile. Sondern eine Vereinigung zum Erhalt der eigenen Existenz