The Weekend Watch List: Das Appartment
10KomödieViele scheinen zu vergessen, dass Billy Wilder der erfolgreichste österreichische Filmemacher in Hollywood war und bis zum heutigen Tage ist, denn bisher konnte kein Österreicher seinen Erfolg in Hollywood nachmachen oder gar übertreffen. Beim Film Das Appartement handelt es sich um einen der erfolgreichsten (und auch zugleich besten) Filme aus seinem grandiosem Schaffenswerk.
Mit Das Appartement geht er, nach Manche mögen´s heiß, abermals ein auf den ersten Blick romantisches Thema an, doch wie bei allen seinen Filmen bleibt es nicht dabei. Er hält sich zwar durchaus an die gängigen Regeln des Genres, schafft es aber immer wieder, jeder Art von Film die neuesten und erfrischendsten Wendungen und Situationen abzuverlangen, ohne es gekünstelt oder unecht wirken zu lassen. Er bleibt sich, seinen Figuren und Geschichten treu, wird dabei aber nie unoriginell oder wiederholt sich.
Aber zunächst mal zur Handlung des Films, die auf den ersten Blick einfach anmutet. C.C. Baxter (famos: Jack Lemmon) arbeitet in einer gigantischen, identitätslosen Versicherungsfirma. Um in der Firma schneller aufsteigen zu können, überlässt er seinen diversen Vorgesetzten mehrere Abende in der Woche sein Appartement, damit sie dort mit ihren Liebschaften Zärtlichkeiten austauschen können, ohne dass die Ehefrauen etwas davon erfahren. Das alles gerät so richtig aus dem Ruder, als er sich in Fran Kubelik (großartig: Shirley MacLaine) verliebt und der Boss seiner Firma Jeff D. Sheldrake (superb: Fred MacMurray) von Baxters Appartement Wind bekommt und es nun selbst nutzen will.
Wenn man sich den Kurzinhalt des Filmes ansieht, könnte man leicht den Fehler begehen, zu glauben, es handle sich dabei bloß um eine weitere romantische Screwball-Komödie aus den 60er Jahren. Obwohl natürlich die Romantik nicht ganz ausgeschlossen werden kann, so ist sie letztlich doch nur Mittel zum Zweck, das benutzt wird, um die Mechanismen der gewinn-, geld- und vergnügungsorientierten Gesellschaft unter die Lupe zu nehmen. Gezeigt wird eine Welt, die jegliche Skrupel verloren hat und ungeniert Menschen und Gefühle ausnutzt, nur um eigene Vorteile daraus zu schöpfen, während dabei das „Menschsein“ auf der Strecke bleibt. Aber genau darum geht es. Darum, diese zutiefst vergrabene Menschlichkeit wieder zurück zu gewinnen.
Dabei zieht Das Appartement alle Register, auch wenn der Film in erster Linie gefallen und unterhalten will. Darüber hinaus schafft er das großartige Kunststück, dem Zuschauer eine scharfsinnige, aber subtile Satire zu bieten. Eine für damalige Verhältnisse schwarzhumorige und überaus zynische Analyse der Gesellschaft, die jedoch die Hoffnung zulässt, dass es zumindest für einzelne Menschen noch einen Ausweg und eine Möglichkeit zur Rückkehr zur Menschlichkeit gibt. Und ja, es ist auch ein Film, der eine liebevolle, romantische Handlung bietet, die vermutlich selbst einem kaltblütigen Auftragskiller das Herz erwärmen würde, ohne je kitschig oder klischeehaft zu sein. Damit schafft Das Appartement scheinbar spielerisch einfach den Spagat zwischen der grandiosen Unterhaltung des Zuschauers und einer grundlegenden, tiefschürfenden Darstellung der menschlichen Gesellschaft.
Ganz besonders C.C. Baxters Appartement an sich dient dabei als Mikrokosmos der Zivilisation. Darin wird die Korruption zutage gefördert, die sich mittlerweile tief in unserem Alltagsbewusstsein verwurzelt hat, wodurch sie schon so gut wie unsichtbar geworden ist und meistens gar nicht mehr wahrgenommen wird. Sein Appartement bringt im kleinen, abgeschlossenen Raum, seiner, sollte man meinen, intimen Privatsphäre das hervor, was in der großen Kapitalgesellschaft ständig geschieht. Große Fische fressen kleine Fische, ohne Rücksicht auf Verluste, ganz zu schweigen von Menschlichkeit, so lange, bis sich die kleinen Fische weigern, gefressen zu werden. Manchmal ist dazu halt ein (wörtlicher) Schlag ins Gesicht notwendig, um das zu begreifen und sich diese Behandlung nicht mehr gefallen zu lassen.
Regie: Billy Wilder, Drehbuch: Billy Wilder, I.A.L. Diamond, Darsteller: Jack Lemmon, Shirley MacLaine, Fred MacMurray, Ray Walston, Filmlänge: 125 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 14.02.2014
Autor
Marco RauchAufgabenbereich selbst definiert als: Kinoplatzbesetzer. Findet den Ausspruch „So long and take it easy, because if you start taking things seriously, it is the end of you” (Kerouac) sehr ernst zu nehmend.
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