Von Günter Verdin
Müssen wir alle uns nicht ein Leben lang irgendwo vorstellen, bewerben, irgendwen von unserer speziellen Begabung und unseren Fähigkeiten überzeugen? Ist das Leben an sich also nicht eine einzige Casting-Show? Unter diesem Aspekt spiegelt das Wochenend-Programm im österreichischen und im deutschen Fernsehen durchaus das Leben wieder. In der irgendwie putzigen "Großen Chance" des ORF boxt man sich neuerdings durch und raus (Sido vs. Heinzl), gegen die große Zirkus-Show "Das Supertalent" (RTL) wirkt das österreichische Angebot allerdings wie Ringelpiez mit Anfassen.
Zwei Formate stechen in ihrem Anspruch auf Ernsthaftigkeit und Respekt im menschlichen Miteinander aus dem Angebot im öffentlichen Show-Casting heraus: "X-Factor" (VOX) und "The Voice of Germany" (Donnerstag: Pro7; Freitag:SAT1).
Bei "X-Factor" sind die Spielregeln kompliziert: es gibt vier Phasen vom Casting über das "Juryhaus" bis zu den Live-Shows , ausserdem werden die Kandidaten in vier Alters-Gruppen unterteilt. Die vier Jury-Mitglieder, darunter die nun haarmäßig erdunkelte Sarah Connor und der Xavier Naidoo-Entdecker Moses Pelham, betreuen ihre Schützlinge mit fachmenschlichem Know-How und viel Ermutigung. Der Blick hinter die Kulissen, also in die Workshops, ist interessant und zäh in einem.
Stringenter geht es bei der zur Zeit im deutschsprachigen Raum besten Casting-Show "The Voice of Germany" zu: die Kandidaten, darunter auch viele Profi-Künstler, die das Background-Singen satt haben, müssen die Juroren , die von der Bühne abgewandt sitzen, allein durch ihre Stimme überzeugen. Das gelang zum Beispiel der an Epilepsie leidenden Freaky T Tanja (35) mit dem Song “Ordinary People” von John Legend. Dass in den Casting-Shows auch Menschen mit Behinderung eine reelle Chance bekommen, ist ein weiterer Beweis, dass sie sich nicht der Realität verschließen.
Selbst der schnoddrige, ziemlich abgebrühte Dieter Bohlen ließ sich am Samstag im "Supertalent" von einem Pas de Deux eines jungen Rollstuhlfahrers mit seiner nichtbehinderten Freundin beeindrucken.
The Voice hat Das Supertalent mit X-Factor
Autor des Artikels : verdin
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