Als es dunkel wurde, die Lichter in den Gassen angingen, öffnete ich eine Flasche Rotwein (hatte viel Mühe damit). Die Stimmung war locker und entspannt, keine Hektik oder Nervosität, und bereits ein klein wenig elektrisierend. Peter Gabriels Blood of Eden war anschmiegsam wie selten zuvor, Rebecca Pidgeon tat es ihm gleich und bei Kari Bremnes kamen wir uns näher!
Wer über einen erotisch prickelnden Augenblick schreibt, kann aus dem Vollen schöpfen. Die Protagonisten tun, wie man es ihnen als Schriftsteller aufträgt. Deshalb ist es leicht, ihnen zu unterstellen, sie hörten einen Peter Gabriel oder eine Kari Bremnes im Hintergrund, während ihr Liebesspiel langsam aber zielstrebig Gestalt annimmt.
In der Realität meiner Welt (und in der des Lesers) sieht die Sache natürlich nicht so einfach aus. Weil es ja um zwei Menschen geht. Und wir wissen, dass Geschmäcker so verschieden sind, wie „Watsch’n“. Was mir gefällt, muss noch lange nicht dem anderen gefallen. Lapidar, diese Weisheit, aber schmerzlich, wenn sie einem im intimsten Moment bewusst gemacht wird. Deshalb ist die Frage nach der “Platte, zu der man unbedingt Liebe machen sollte” mehr mit einer gedanklichen Spielerei zu beantworten. Weil es beim prickelnden Flirt auf alles und nichts ankommt. Gerade die Frau ist dahingehend ja primär sensibel und reagiert gereizt, wenn das Musikstück nicht in ihre Stimmung passt. Vielleicht ist es aber einfach so, dass derjenige, der unbedingt will, kein Gehör für die Musik hat, die ihn umfließt, während derjenige, der umgestimmt werden möchte, die Musik als Entscheidungshilfe heranzieht. Frei nach dem Motto: Wer so eine Musik hört, mit dem (der) kann man gar nicht ins Bett gehen. Und, wird selten erwähnt, auch das ist nicht unwichtig: die Lautstärke. Wer nicht die richtige Balance findet, wird sich wundern, wie oft er den Lautstärkeregler rauf und runter manipuliert und dabei von den wichtigeren Dingen abgelenkt wird. Zusammengefasst würde ich sagen, dass die Entscheidung, welche Musik bzw. Musikrichtung man beim Liebesspiel auf dem „Plattenteller“ legen soll, nur im Einklang mit dem anderen getroffen werden kann. Anders gesagt: Wenn die Frau deines Herzens mit einer CD in der Tasche zu dir kommt, dann kannst du nichts falsch machen.
Gewiss, die Frage könnte natürlich auch anders gelesen und beantwortet werden: Nämlich, zu welcher Musik ICH unbedingt Liebe machen will, unabhängig, was der andere möchte (das ist dann wohl eine egoistische Gedankenspielerei). Die Antwort fällt mir jetzt auch nicht leichter, weil es da wohl auf hundert und eine Stimmungslage bei mir ankommt. Vermutlich könnte man sagen, ich lasse mich von äußeren Gegebenheiten sehr leicht beeinflussen. Aber wenn wir schon beim Träumen und Phantasieren sind – und das kann ich als Schriftsteller hervorragend – dann würde mir der Canon in D-Dur von Johann Pachelbel einfallen. Weil mir zu diesem Musikstück eine literarische Liebesszene aus der Feder geflossen ist. Warum sie also nicht in die Wirklichkeit des Autors holen? Oder wie wär’s mit der guten Loreena McKennitt und ihrem The Highwayman, ein Lied, das über zehn Minuten ein dramatisches Gemälde zeichnet. Geeignet, um dem Liebesspiel noch neue Facetten abzugewinnen. Aber, wenn ich ganz ehrlich bin, dann gefällt mir jenes Musikstück am besten: Die Stille des Abends, in der das sinnliche Atmen der Partnerin zu hören ist, unterlegt mit ihrem und meinem im Gleichklang schlagenden Herzrythmus. Dieses Album gibt’s nicht zu kaufen. Leider.
Über den Autor: Richard K. Breuer ist Schriftsteller, Verleger, Buchdesigner, Luftschlossbesitzer und schreibt gerade an einem Fetisch-Roman. Wurde einst mit dem HiFi-Virus infiziert. Die Heilung bestand aus einer Roksan Caspian Combo (Bi-Amping), einem Roksan Attessa CD-Player und einem Paar B&W Nautilus 804. Für das Geld hätte er sich vermutlich einen neuen Kleinwagen anschaffen können, aber Musik hören ist nun mal umweltfreundlicher als in der Gegend herumfahren. Weitere Infos gibt es hier.