“The Lunchbox” von Ritesh Batra

Saajan (Irrfan Khan) inmitten der Metropole Mumbai auf dem Weg zur Arbeit.

Saajan (Irrfan Khan) inmitten der Metropole Mumbai auf dem Weg zur Arbeit.

Großstädte assoziieren wir oftmals mit Trubel, mit Stress und einer Überreizung sämtlicher Sinne. Bunte Plakate und Straßenschilder wohin man schaut, Rempelattacken auf den Bürgersteigen, nur sehr ungern möchte man sich ins Auto setzen und sein Glück im Straßenverkehr versuchen. Dass es in all diesem Chaos aber auch einen angenehmen Ruhepol gibt, dass zeigt Ritesh Batra in seinem Spielfilm-Regiedebüt Lunchbox – ein filmischer Ausflug nach Mumbai, mit etwas über zwölf Millionen Einwohnern nicht nur die größte Stadt Indiens, sondern auch eine der Bevölkerungstärksten Städte der ganzen Welt. Hier leben die Menschen dicht an dicht, nicht unbedingt mit vielen Rupien (der indischen Währung) in der Tasche. Hier gönnt man sich eine Banane zum Mittagessen, weil diese besonders gut stopft und sättigt, dabei aber immer noch verhältnismäßig günstig ist.

Nimrat Kaur als Ila.

Nimrat Kaur als Ila.

Hier, inmitten dieser Metropole, setzt Batra seine beiden Hauptdarsteller Irrfan Khan und Nimrat Kaur dermaßen gut in Szene, das von einem modernen Märchen die Rede sein könnte. Das Prinzip erinnert an Nora Ephrons E-Mail für dich (1998). Zwei Menschen lernen sich durch Zufall kennen. Nicht persönlich, sondern durch kleine Briefchen, die immer wieder in eine Lunchbox verpackt werden um zwischen Saajan (Khan) und Ila (Kaur) hin- und her zu reisen. Die Lunchbox, immer gefüllt mit Leckereien, die von Ila zubereitet werden, ist eigentlich für ihren Ehemann gedacht, der seine Ehefrau jedoch konsequent ignoriert. Daher nimmt sie es auch in Kauf, dass der Essenskurier ihre Mahlzeiten ebenso konsequent immer wieder zu der falschen Adresse bringt, so dass sie Saajan statt ihren Mann erreichen. Erst schreibt man über das gute Essen, dann über alltägliche Dinge, irgendwann öffnen sich die Schriftgespräche für persönliche Geschichten. Was als kleiner Notizzettel beginnt, wird mit der Zeit zur mehrseitigen Lektüre.

Hier treffen sich zwei Menschen auf dem Abstellgleis, die sich durch diese und noch mehr Gemeinsamkeiten, eine Menge zu erzählen haben. Während Ila von ihrem Ehemann unbeachtet ihr Leben fristet, wird Saajan nach 35 Jahren Treue zu seiner Firma bald in Rente geschickt. Das gefällt ihm ganz und gar nicht. Dieser Umstand bietet für Darsteller Irrfan Khan die Möglichkeit, sich mit Tommy Lee Jones und Clint Eastwood zu messen und in der Rolle des verbitterten alten Mannes aufzugehen. Khan, der sich mit zahlreichen Auftritten in den erfolgreichsten Bollywood-Produktionen einen Namen gemacht hat, hat es mit kleineren Rollen in Life of Pi und The Amazing Spider-Man ebenso geschafft sich einer großen Masse außerhalb Indiens zu präsentieren. Hier verfeinert er sein Spiel, trägt eine gut geschriebene (Drehbuch: Batra & Rutvik Oza) Geschichte auf seinen Schultern. Dabei sieht er mit grauen Strähnen im Haar aus wie der indische Sean Connery. Nach Lunchbox sollte somit klar sein, dass Irrfan Khan die bunten Welten Bollywoods mit ihrem Gesang und Tänzen hinter sich gelassen hat, wie Connery einst den Geheimagenten James Bond.

Irrfan Khan.

Irrfan Khan.

Es bereitet Freude diesem Mann dabei zu zusehen, wie er dem Ausspruch “Liebe geht durch den Magen” ein Gesicht verleiht. Er sitzt vergnügt in der Mittagspause, lässt sich von Nichts in der Welt ablenken. Er packt genüsslich Dose für Dose aus, stellt sie vor sich um das Essen zu genießen, das von anderen nur so hinein gestopft wird. Saajan ist kein Opfer einer schnelllebig-hektischen Gesellschaft, er ist ein altes Eisen, weiß umso besser um das Geheimnis der Genusskraft Bescheid. “Das Leben ist ganz schön hektisch dieser Tage. Indien ist ein gutes Pflaster um das zu zeigen” sagt er einmal. Ila wird ihn nur zu gut verstehen, ihr Ehemann wirft mehr Blicke auf sein Mobiltelefon als auf seine Frau.

Liebenswürdig und komisch, eine Geschichte um die Vergänglichkeit der Dinge, die Schnelllebigkeit und wie schwer es doch ist, in diesen Zeiten Schritt zu halten. Aber Irrfan Khan und Nimrat Kaur zeigen eben, dass man gar nicht Schritt halten muss.

 


Lunchbox_Filmposter

“Lunchbox“

Originaltitel: Dabba
Altersfreigabe: ohne Altersbeschränkung
Produktionsland, Jahr: IND/F/D , 2013
Länge: ca. 105 Minuten
Regie: Ritesh Batra
Darsteller: Irrfan Khan, Nimrat Kaur

Kinostart: 21. November 2013
Im Netz: lunchbox-derfilm.de



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