Kellan Lutz ist Hercules hoch zu Ross in Renny Harlins “The Legend of Hercules”
Wir kennen den griechischen Halbgott Hercules wohl am besten aus der gleichnamigen Fernsehserie vom Ende der 90er Jahre. Kevin Sorbo verkörperte Zeus’ Sohn am Rande des Willens, ihn wirklich ernst nehmen zu können, dennoch boten seine Auftritte dermaßen gute Unterhaltung, dass er sogar einige Fernsehfilme gewidmet bekam. Der größte Auftritt von Hercules auf der großen Leinwand ist bis heute der Musical-Animationsfilm aus dem Hause Disney, einige wenige Produktionen konnten immerhin für ein müdes Lächeln sorgen: Arnold Schwarzenegger als Hercules in New York. Der große Durchbruch des griechischen Helden steht also erst noch bevor. Im September wird sich Rush Hour-Regisseur Brett Ratner an die Sage wagen, mit Dwayne Johnson in der Hauptrolle. Der Finne Renny Harlin ist ihm jedoch zuvor gekommen, schickt Twilight-Bub Kellen Lutz in The Legend of Hercules durch ein Schlachtengetümmel, das stellenweise an 300 heranreichen möchte, tricktechnisch aber nicht einmal mit Kevin Sorbos Hercules im Fernsehformat mithalten kann.
Renny Harlin, der in seiner Frühzeit mit Filmen wie Stirb Langsam 2 und Cliffhanger ein Gespür für gutes Actionkino bewiesen hat, scheint aus seiner Abwärtskurve in Sachen Qualität nicht mehr heraus zu finden. Erst kürzlich wurde sein Found-Footage-Horror Devil’s Pass für den Heimmedienmarkt veröffentlicht, ebenso hätte auch diese Hercules-Inkarnation niemals das Licht der Kinoleinwand erblicken dürfen. Nicht einmal Zeus gibt sich die Ehre, bleibt ein müder Lichtblitz am Himmel, ein Lufthauch im Bett von Königin Alkmene, als hätte Harlin keinem Darsteller zumuten wollen, eine solche imposante Rolle in seinem kleinen Streifen darzubieten. Alkmene (Roxanne McKee) bekommt diese Nacht mit dem Göttervater geschenkt, nachdem sie ihn um Hilfe anfleht, die Kraft aufbringen zu können, ihr Volk vor der tyrannischen Herrschaft ihres Ehemanns König Amphitryon (Scott Adkins als einzig um den Film bemühter Darsteller) zu erlösen. Die Lösung ist der Sohn, den Zeus der Frau schenkt: Hercules. Er soll für Frieden im Land sorgen.
Hercules (Kellen Lutz, mitte) mit seinen Weggefährten Sotiris (Liam McIntyre, links) und Shiron (Rare Serbedzija, rechts)
Was folgt ist das Aufeinandertreffen mit seinem misstrauischen Stiefvater, die Verzweiflung seiner sich sorgenden Mutter, die Auseinandersetzungen mit seinem eifersüchtigen Bruder (eine Konstellation die arg an Thor und Loki aus den Marvel-Verfilmungen erinnert, jedoch beileibe nicht mit solch raffinierten Dialoggefechten versehen wurde). Die Liebe von Hercules zu Hebe (Gaia Weiss) steht unter keinem guten Stern und zu allem Überfluss findet sich der Halbgott bald auch noch als Gladiator in Gefangenschaft wieder. Als sei es Renny Harlins letztes Werk, scheint der Regisseur versucht zu haben, möglichst alle ihm bekannten Konfliktpotentiale in diesem Film unter zu bringen, ohne auch nur Ansatzweise eine Geschichte zu erzählen. The Legend of Hercules ist nicht mehr als eine Aneinanderreihung von Kraft- und Stärkedemonstrationen des Helden.
Das 300-Gefühl, frei nach Zack Snyder, entsteht durch die ähnlich großen Schlachten mit Männern in Rüstung und Bart, die ihre Münder weit aufreissen und Kriegsschreie ausstoßen. Hier fließt aber nicht ansatzweise Blut, hier geht alles ganz gesittet zu, ganz und gar nicht verständlich für einen ehemals so gut agierenden Actionfilmregisseur wie Harlin. Hercules tötet in der Arena nicht einmal eine Frau, obwohl diese sich als ebenso martialische Gladiatorin herausstellt wie die männlichen Mitkämpfer. Hercules wirft ihr ein Netz über, befestigt es mit einem Speer am Boden, kämpft weiter und tötet Mann für Mann, jeden der ihm zu Nahe kommt, ohne dabei Blut zu vergießen. Das Setting mag an 300 erinnern, die Kostüme und manch eine Zeitlupenaufnahme, doch es wirkt alles als wollte man mit viel zu wenig Geldmitteln viel zu viel Spezialeffekte und Bombast kreieren, was unweigerlich nach hinten losgehen musste.
König Amphitry (Scott Adkins) lässt Hercules (Kellen Lutz) in Ketten legen
So sieht es dann sogar wie eine am Computer entstandenen Szene aus, wenn Darsteller auf Pferden durch den Wald galoppieren, ein armenischer Löwe sollte besser unerwähnt bleiben – irgendwo zwischen Plüschpuppe und Praktikantenarbeit am Computer. Wenn dann wenigstens der Held funktionieren würde, aber Kellan Lutz, Emmett Cullen aus den Twilight-Filmen, tritt schon mit einem höchst gewöhnungsbedürftigen, breiten Grinsen in die Handlung hinein und man möchte, dass er sogleich wieder verschwindet. Er bleibt. Wenn auch nur für kurze 100 Minuten. Jede Minute mehr, hätte den Film unnötig in die Länge gezogen. Lutz beweist sich im Verlauf dieser Minuten immer wieder als stoisch dreinblickender Nicht-Schauspieler, glänzt nicht unbedingt als Gesichtsakrobat. Unnatürlich Sonnengebräunt verlässt er sich lieber auf seine strahlend weißen Zähne und – natürlich – auf seinen muskulösen Oberkörper.
Im September bekommt Hercules nun eine zweite Chance, die er nach The Legend of Hercules auch sicherlich benötigt. Es bleibt zu hoffen, dass Dwayne Johnson nicht nur sein Scorpion King-Programm abspult, sondern der Figur endlich einmal den nötigen Leinwandrespekt verschafft. Der Kellan Lutz-Hercules bleibt vielleicht nett anzusehen für die einstige Twilight-Generation, die Teenie-Girlies, die sich 100 Minuten lang die blanken Muskeln des Hauptdarstellers in 3D geben möchten. Mehr hat Renny Harlin hier nicht heraus geholt.
”The Legend of Hercules„
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2014
Länge: ca. 99 Minuten
Regie: Renny Harlin
Darsteller: Kellan Lutz, Gaia Weiss, Scott Adkins, Roxanne McKee, Liam McIntyre, Rade Serbedzija
Kinostart: 1. Mai 2014
Im Netz: the-legend-of-hercules.de
Bilder © Splendid/Sony