“The Impossible” von Juan Antonio Bayona

© Concorde Filmverleih GmbH / Naomi Watts und Tom Holland in

© Concorde Filmverleih GmbH / Naomi Watts und Tom Holland in “The Impossible”

Etwa 230.000 Menschen fielen einem verheerenden Seebeben und der daraus resultierenden Tsunami im indischen Ozean im Jahre 2004 zum Opfer. Solche menschlichen Tragödien liefern Hollywood immer wieder den Stoff für Katastrophenfilme, die beruhend auf einer wahren Geschichte weitaus emotionalere Wirkungen erzielen als jede fiktional erdachte Erzählung. Schon Clint Eastwood machte sich dieses Desaster zu Nutze, um einen Teilaspekt seines Films „Hereafter“ zu erzählen. „The Impossible“ vom spanischen Filmemacher Juan Antonio Bayona widmet sich ausführlicher dieser Katastrophe, feierte seine Premiere auf dem 2012er Toronto Film Festival, startet nun auch in Deutschland. Dass der Film aus Spanien kommt, macht sich insofern bemerkbar, dass Bayona nicht etwa gänzlich auf für Hollywood typische Computereffekte zurückgreift um die gigantische Flutwelle zu rekonstruieren, sondern hierfür einen Mix aus eben jenen Effekten und einem echten Wassertank mit Miniaturaufnahmen einsetzte. Zwar gab er später selbst zu, dass diese Idee in ihrer Umsetzung der pure Wahnsinn gewesen sei, aber die Aufnahmen so weitaus authentischer wirken würden. Hauptdarstellerin Naomi Watts und ihr Film-Sohn Tom Holland durfte so für die Dreharbeiten ganze fünf Wochen in einem Wassertank verbringen. Für die übrige Authentizität sorgt Drehbuchautor Sergio G. Sánchez, der bereits 2007 mit „Das Waisenhaus“ ein außerordentliches Gespür für Horror bewies. Und so entpuppt sich auch „The Impossible“ mehr als Horrorszenario denn als stereotyper Katastrophenfilm.

Aus den Erfahrungen der ursprünglich spanischen Familie wird bei Bayona das britische Ehepaar Henry (Ewan McGregor) und Maria Bennett (Naomi Watts), die sich gemeinsam mit ihren drei Söhnen Lucas (Tom Holland), Thomas (Samuel Joslin) und Simon (Oaklee Pendergast) auf ihren Thailand-Urlaub in einem malerischen Ferienressort direkt am Meer freuen. Nach einem ersten sonnigen Weihnachtsabend, beginnt am nächsten Morgen, während die Familie und viele andere Touristen im Pool entspannen, die Erde zu beben, dann schlägt ein Tsunami gnadenlos zu. Durch die gewaltige Flutwelle werden die Bennetts voneinander getrennt. Maria und ihr ältester Sohn Lucas werden ins Landesinnere gespült, Henry findet sich mit seinen beiden jüngeren Söhnen im zerstörten Hotel wieder.

Ewan McGregor, Samuel Joslin & Oaklee Pendergast

Ewan McGregor, Samuel Joslin & Oaklee Pendergast

Es mag zu Beginn noch etwas amüsant wirken, wenn Ewan McGregor voller Sorge im Flugzeug sitzt, auf den Weg nach Khao Lak in Thailand, sich im Fortbewegungsmittel seiner Wahl eher unsicher fühlt und bei kleinen Turbulenzen in leichte Panik verfällt. Wenn dann später der Tsunami über ihn hereinbricht, wie er dort mit seinen zwei Söhnen in den Armen im Hotel-Pool steht, zeigt sein Blick, dass er keinen Gedanken mehr an die Strapazen des Flugs verschwendet. Dann aber folgt die Kamera Naomi Watts und Tom Holland, mit denen der Zuschauer nicht nur die Katastrophe selbst, sondern auch die Welt nach der Welle zu sehen bekommt. Die zerstörte Landschaft, die verletzten Menschen am Straßenrand, das Chaos in seiner reinsten Form. Diese Bilder stehen im Kontrast zu der anfänglichen Ruhe, die Kameramann Óscar Faura („Das Waisenhaus“) noch einfängt. Der Blick auf das Meer, vom Meer auf das Urlaubsressort, der Blick von unten auf die schwimmenden Menschen. Das mag ruhig wirken, zugleich aber auch immer schon bedrückend. Ein Gefühl von Paradies möchte sich beim Zuschauer nicht einstellen, es ist immer mehr das verlorene Paradies, wo das Meeresrauschen alles andere als entspannend wirkt.

Dann kommt die Flutwelle, die Menschen werden wie kleine Spielzeuge davon geschwemmt. Einmal sieht man dies in Nahaufnahme bei Tom Holland, später auch rückblickend mit Naomi Harris. Beide unter Wasser, wie ein Flummi von den Wassermassen hin und her gespült, drehen sich um die eigene Achse, verlieren die Orientierung, wissen nicht mehr wo oben und unten ist. Ebenso der Zuschauer. Die Minuten in denen die Tsunami zuschlägt sind kurz, aber umso härter. Die folgende Schwärze gleicht der bedrückenden Stimmung von zuvor, nur mit erhöhter Intensität. Man leidet mit, wenn Naomi Harris sich verzweifelt an einer Palme festklammert, mit reichlich Blessuren, Schrammen, blauen Flecken. Sie schreit, das Dröhnen des Wassers übertönt sie. Hier schwimmt auch die Kamera haltlos umher, vermittelt das Gefühl fehlender Kontrolle. Später wird die Kamera oftmals den Blick von oben wagen, wenn das Ausmaß in seiner Gänze gezeigt werden soll. Dann schweift das Bild in die Ferne, zeigt die Distanz, die die Zerstörung genommen hat. Die Tragödie ist in ihrem großen Ausmaß zu sehen und spüren.

Tom Holland

Tom Holland

Naomi Watts sticht in dieser Landschaft menschlich hervor, ihr Leid überträgt sie auf den Zuschauer, der bei jedem Schmerzensschrei gerne zusammen zucken wird. Sie ist immer kurz davor das Bewusstsein zu verlieren, mal fallen die Augen zu, diese unerträgliche Müdigkeit, dem Tode Nahe. Auch später, wenn sie in ein heillos überfordertes Krankenhaus eingeliefert wird, muss Watts einiges leisten. Kreidebleich verschlimmert sich der Zustand ihrer Maria Bennett zunehmend. Der Tod ist gar nicht mehr so abwegig. Stärke verkörpert in „The Impossible“ der Jungschauspieler Tom Holland, der mit seinen 16 Jahren die beeindruckendste Schauspiel-Leistung des Films abliefert. Nicht nur kümmert er sich um seine Mutter, schleppt sie durch die zerstörte Landschaft, er hält zugleich auch Ausschau nach seinem Vater, nach seinen Brüdern und führt später im Krankenhaus fremde Familien wieder zusammen. Dieser kleine Mann vollbringt große Taten. Es ist Tom Holland zu verdanken, dass das niemals unglaubwürdig wirkt, sondern wie der emotionale Einsatz eines Kindes, das das Leid der Menschen versteht und dagegen anzugehen versucht. Dadurch wirkt sein Lucas unglaublich erwachsen und reif. Das muss er auch sein, ist er doch noch bei Sinnen, liegt nicht im Delirium und sieht die Menschen auf der Straße, wie sie um Hilfe flehen, wie sie um verlorene Verwandte weinen und trauern. Bilder, die ein Kind seines Alters nicht sehen sollte. Sein Bruder Thomas gerät in eine ähnliche Situation, wenn Vater Henry ihn damit beauftragt auf den jüngsten Sohn aufzupassen. „Aber ich habe noch nie auf jemanden aufgepasst“ sagt er sorgenvoll und ehrlich. Aber die Situation erfordert eine solche Bereitschaft. Die beteiligten Personen, vor allem die Kinder, werden hinterher allesamt nicht mehr dieselben sein.

„The Impossible“ zeigt eine ganze Menge Mitgefühl in Zeiten größter Not. Die Menschen helfen einander, wenn es wirklich darauf ankommt. Das ist in diesem Fall nicht nur eine Hollywood-Geschichte, sondern Realität. Dementsprechend authentisch hat Regisseur Bayona die Ereignisse um die Weihnachtstage 2004 auch inszeniert. Dabei mischen sich verstörende Bilder mit großartigen Schauspielleistungen.

Denis Sasse


The Impossible_Hauptplakat

“The Impossible“

 

Originaltitel: The Impossible
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA / E, 2012
Länge: ca. 114 Minuten
Regie: Juan Antonio Bayona
Darsteller: Naomi Watts, Ewan McGregor, Tom Holland, Samuel Joslin, Oaklee Pendergast

Deutschlandstart: 31. Januar 2013
Offizielle Homepage: theimpossible-movie.com


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