The Breeders: Alle Zeit der Welt

The Breeders: Alle Zeit der WeltThe Breeders
„All Nerve“
(4AD)
Echt jetzt? Das soll’s gewesen sein? Klingt wie früher und kein Hit dabei? Da hätte man sich von der größten deutschen Tageszeitung doch etwas mehr Wertschätzung erwartet, wenn sich die Geschwister Kelley und Kim Deal nach zehn Jahren wieder zusammenfinden und tatsächlich noch mal eine gemeinsame Platte aufnehmen. Dann lieber hundert Zeilen Hass von Maxim Biller als dreißig gelangweilte von einem Autor, der zu cool für seine eigene Jugend ist und deshalb alles doof findet, was nicht irgendwie abgefahren und hip genug klingt. Ein Trauerspiel, fürwahr. Nicht so diese Platte. The Breeders war nie eine Singles-Band, Hits wie das tatsächlich grandiose „Cannonball“ entstanden eher im Vorbeigehen, man findet auf den bisherigen vier Alben keine Handvoll davon. Und dennoch ist jedes einzelne seit Beginn der Neunziger ein Glücksfall für den alternativen Gitarrenpop.
Dass „All Nerve“ genauso klingt wie die beiden Vorgänger „Title TK“ und „Mountain Battles“ ist dabei keineswegs ein Fehler, denn The Breeders zeichnete stets aus, dass sie neben dem krachigen Gitarrensound, der immer angenehm an Proberaum und Demotapes erinnerte, eine Art unterschwelliger Angespanntheit besitzen – gerade in den letzten Jahren war dieses zart Brüchige, auch mal Bruchstückhafte ihr Markenzeichen. Da wurden nicht einfach Akkorde hingerotzt, sondern unterbrachen Pausen und Tempowechsel bewusst den Flow, rückte der Gesang nah und eindringlich an den Hörer heran – gewöhnlich war hier selten etwas.

Erfreulich deshalb, dass sich die neuen Songs diese Qualität erhalten haben. Langsame, scheinbar träge Rocknummern wechseln mit schnelleren, die beiden ersten „Nervous Mary“ und „Waiting For The Car“ machen sogar richtig Laune, auch wenn sie von Selbstzweifeln, Fluchtversuchen und schwierigen Kindestagen erzählen. Gänzlich großartig wird es spätestens bei „MetaGoth“, das wummert und pocht und raunt so herrlich, als wären zwischen Gründung der Band und heute keine knapp dreißig Jahre vergangen. Nicht der letzte Höhepunkt. In „Spacewoman“ kratzen die Synthesizer ein kleines Muster zwischen die zähen Riffs, gleich danach gibt es zu glitzernden Gitarrenakkorden die Verse einer Todgeweihten, die doch seltsam versöhnlich und zufrieden klingen.

Dass Kim Deal sehr viel Spaß am Wildern abseits der üblichen Weges hat, ist seit den frühen Tagen ihrer Non-Pixies-Karriere bekannt, schon das Cover des Lennon-Klassikers „Happiness Is A Warm Gun“ war ein sehr gelungenes, aktuell kommt mit „Archangel’s Thunderbird“ von den Krautrocklegenden Amon Düül II ein weiterer Treffer hinzu (leider nicht auf die reguläre Pressung geschafft hat es dagegen Mike Nesmith’s „Joanne“). Ganz zum Schluß noch ein grimmiger Reisebericht von der Akropolis („Junkies of the world draped across the monuments, drunks take a piss where heroes once bled out…“), dann ist Schluß. Im Interview haben die vier erzählt, dass die Aufnahmen seit September 2016 im Kasten waren. Warum es trotzdem so lange gedauert hat bis zur Veröffentlichung? Nun, bis sie den Ansprüchen der Band genügten, brauchte es offenbar noch einmal eine ziemliche Wegstrecke – besser kein Album, als ein schlechtes, so die Devise. Unser Schaden war es nicht, es ist ein kleines Meisterwerk geworden. Wieder mal. http://thebreedersmusic.com/#home
03.07.  Hamburg, Fabrik
04.07.  Köln, Gloria Theater

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