- Terry Jones
Mein kleiner Artikel “Relgiöser Fanatismus beidseits” wurde erstaunlich umfangreich kommentiert. Ich vertrat darin die Meinung, dass Menschen wie Terry Jones auf der einen und die den Mob aufhetzenden Imame andererseits sich erstens nicht viel nehmen und zweitens die Gesellschaft vor ihnen geschützt werden muss.
Es ist richtig, dass das Verbrennen eines Buches nicht mit dem Töten von Menschen gleichgesetzt werden kann. Aber: “erst brennen Bücher, dann die Menschen” hat nicht nur Schmidt-Salomon formuliert.
Mir scheint aber, ich habe mich nicht deutlich genug ausgedrückt in meinem kleinen Artikel (Wut ist nicht gut für klare Gedanken – ich weiß). Um so besser, dass nun Malte Lehming bei der Zeit einen sehr klaren und deutlichen Artikel zu diesem Thema verfasst hat. Er schreibt:
Pastor Terry Jones ist ein verantwortungsloser Zelot und antimuslimischer Hetzer. Vor zwei Wochen leitete der christliche Geistliche in seiner kleinen Kirche in Florida eine Veranstaltung, die mit einer Koran-Verbrennung endete. In Afghanistan kam es daraufhin am Wochenende zu gewaltsamen Protesten. In Masar-i-Scharif überfiel der Mob eine UN-Zentrale, zwölf Menschen wurden getötet.
Jones wusste, was er tat. Vor den Folgen seiner Aktion war er oft gewarnt worden. Bereits im vergangenen Herbst wollte er, zum Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001, zu einer öffentlichen Koran-Verbrennung aufrufen. Nur mühsam konnte er davon abgehalten werden.
Diesmal kam jeder Einspruch zu spät. Müssen Mitarbeiter der Vereinten Nationen in Afghanistan sterben, weil in der amerikanischen Stadt Gainesville ein Fanatiker in einem inszenierten Prozess die Heilige Schrift des Islam für schuldig erklärt? [...]
Anders als der dänische Karikaturist Kurt Westergaard, der den Propheten Mohammed mit einer Bombe als Turban gezeichnet hatte, war sich Jones über die potenziell todbringenden Folgen seiner Aktion im Klaren. Der Hass, den er säte, ging auf in jenen islamischen Freitagspredigern, die die Gläubigen aufstachelten. [...]
In den USA ist es erlaubt, den Koran zu verbrennen. Es ist erlaubt, Kreuze oder die US-Fahne zu verbrennen. [...] Das in der Verfassung verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung wird weiter ausgelegt als in allen anderen Staaten der Welt. Amerikaner sind stolz darauf. Durch aggressive Worte, Gesten und Symbole verletzt zu werden: Das gehört für sie zu den Zumutungen einer echten freiheitlichen Gesellschaft. Von Jones und dessen Missetaten haben sich alle entschieden distanziert – Präsident, Opposition, religiöse Organisationen. Nur Ignoranten oder Böswillige können behaupten, der radikale Kirchenmann repräsentiere mehr als sich selbst.
Und diese Böswilligen sind nun einmal die freitagsbetenden Imame, die einen religiös dummgehaltenen Mob aufstacheln konnten. Und so rät der Autor am Ende des Artikels:
Wer Terry Jones verachtet, beachte ihn möglichst wenig.
Das ist im Westen ja offenbar auch geschehen. Denn über Jones Koranverbrennung wurde der mediale Mantel der schweigenden Missachtung gelegt.
Stattdessen, unterstreichen US-Medien, war es erst der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari und dann Afghanistans Präsident Hamid Karsai, die den Vorfall ins grelle Licht der Öffentlichkeit zerrten. Zardari sprach von einem “ernsten Rückschlag” für die zivilisierte Welt. Karsai indes verurteilte am Donnerstag die Aktion in einer Rede und forderte die Festnahme des Predigers. Einen Tag später dann, schreibt die “New York Times”, wurde die Verbrennung zum Thema während der Freitagsgebete landauf landab in Afghanistans Moscheen – mit den bekannten Folgen. (evangelisch.de)
Ergo: ich relativiere die Aussage meines ersten Artikels ein wenig: idiotisch und gefährlich sind beide Seiten. Aber tödlich ist die, bei der Meinungsfreiheit weniger zählt als ein (oder in diesem Falle zwölf) Menschenleben.
Wir genießen hier die Früchte der Aufklärung – auch wenn wir immer wieder gegen die Kirchen ankämpfen müssen, die sich hier in Dinge einmischen, die sich partout nichts angehen. (aktuellstes Beispiel ist die Atomausstiegsdebatte)
Aber keiner von uns muss in der Angst leben, wegen einer religionskritischen Äußerung gegenüber den christlichen Kirchen oder den jüdischen Gemeinden mit dem Tode bedroht zu werden. Die dritte große Weltreligion ist an diesem Punkt noch nicht angekommen. Siehe Westergaaard, siehe Masar-i-Scharif und aktuell auch Kabul.
Nic