Das folgende Paper wurde in Vorbereitung auf die Konferenz Terrorismus/Geschlecht/Erinnerung an der Universität der Bundeswehr in München (17.-19. Juni 2010) verfasst, auf der ich zur Männlichkeit von Terroristen - genauer: "republikanischen" Maskulinität - in den Filmen zum und über den Nordirlandkonflikt, den "Troubles", ab dem Ende der 1960er vortragen werde.
(The following paper was developed in preparation of the upcomming conference Terrorism/Gender/Commemoration at the University der Bundeswehr / German Military University in Munich. On this occasion I will speak about "republican" masculinity in films about the Northern Irish "troubles". HERE you find an English version of the paper.)
Men in Troubles –
IRA-Männer und Männlichkeit in Filmen zum Nordirlandkonflikt
von Bernd Zywietz
Die „republikanische“ Männlichkeit und ihre sozialen Rollen sind im Nordirlandkonflikt wie in der entsprechenden Repräsentation bestimmt durch die Rolle der Frauen und die spezifische Art und Geschichte des Konflikts. Die nordirischen Troubles werden primär – trotz der sozialistischen Ziele und Traditionslinien – als nationalseparatistischer Konflikt betrachtet und als solcher vor allen in Filmen behandelt (sofern in diesen überhaupt Ursachen und Anliegen explizit werden). Hinzu kommt, dass der Konflikt der IRA ideologisch in einer jahrhundertealten Tradition des Ringens um Selbstbestimmung und gegen Unterdrückung wurzelt. Im Gegensatz zum z.B. Linksextremismus in Deutschland war der asymmetrische Kampf gegen die britischen „Besatzungstruppen“ damit quasi keiner gegen die Väter und ihre Ordnung, sondern ein von den Vätern ererbter, der zudem die gesamtirische Identität und Kultur maßgeblich geprägt hat.
Weiblichkeit wurde in diesem Unabhängigkeitskampf (wie in vielen anderen) mit der idealisierende Symbolfunktion, mit der Allegorischen der Mutter-Figur als Nation verbunden (so in der mythischen Kathleen Ni Houlihan), und im Alltag waren Frauen auf die traditionelle Besitz-, Familien- und Loyalitätsrollen verpflichtet: als Schwester, die es vor den Kontrollen der Soldaten zu schützen gilt, als Mutter, in deren Sphäre bei Hausdurchsuchungen eingedrungen wird oder als Ehefrau, die ihren im Untergrundkampf verwundeten Mann pflegt oder geduldig und stolz auf ihn wartet, solange er in Haft ist. Darüber hinaus assoziierte man Frau-Sein mit einer ganz konkreten biologische Pflicht, die die häusliche, katholische Stellung festschrieb: Da eine Bevölkerungsmehrheit per Referendum einen Anschluss an die irische Republik erzwingen kann, war das Gebären „republikanischer“ Kinder ganz im Namen der „Sache“. Filme wie Maeve (UK/IRL 1982) attackieren diese konteremanzipatorische Welt der Troubles; die Komödie THE MOST FERTILE MAN IN IRELAND (UK/IRL 1999) führt die politische Zeugungspflicht vor – während wiederum aktive IRA-Mitgliederinnen (also außerhalb der ihnen zugewiesenen Einordnungen und trotz der realen Aktivistinnen-Vorbilder) oftmals, in Filmen wie THE CRYING GAME (UK/J 1992) oder A PRAYER FOR THE DYING (UK 1987), zu besonders gefühlskalten oder gar psychotischen Soldaten und Terroristen, zu allzu vermännlichten Frauen, wurden.
Wie sind nun Männer und Männlichkeit in der filmfiktionalen Repräsentation der nordirischen Gewalt determiniert und definiert? Filme zum Nordirlandkonflikt präsentieren im seltensten Fall Terrorismus in einem engeren Verständnis: Im Gegensatz zur sektiererischen Gewalt und einer eher aufständischen Konfrontationen mit britischen Truppen finden sich Erzählungen von Planungen und Durchführungen von Bombenanschlägen, gar in London, nicht oder nur am Rande. Die war nicht immer der Fall: Der Unabhängigkeitskampf gegen die Briten Anfang der 1920er oder spätere IRA-Bomben-Kampagnen in und gegen London (so in THE GENTLE GUNMAN [UK 1952]) vor 1969 boten – bei aller tragischer Konnotation und Reflektion über die Legitimität und Grenzen der Gewalt – Züge des Kriegsabenteuers mit aufrechter Männerbündnissen, in denen das Leben stolz einem gerechten Kampf gewidmet ist (so z.B. in SHAKE HANDS WITH THE DEVIL [IRL/USA 1959]). Doch schon ODD MAN OUT (UK 1947) über einen verwundeten Nationalisten auf der Flucht in einem düsteren fata-listischen Belfast zeichnet den IRA-Mann als Verlorenen, Unbehausten, als eine freudlose Gestalt gefangen in einer tristen, ausweglosen Welt. Filme zum Nordirlandkonflikt sind überwiegend Dramen und Tragödien, auch in der Form des Thrillers, und selbst die sporadischen Komödien, entstanden in Zeiten der (Waffen-) Ruhe, kehren die Struktur der typischen Maskulinität und ihre Elemente nur ins Lächerliche, ohne sie – und damit die fragile narrativ neutrale Übereinkunft in diesem sozial und politisch heiklen Gebiet – sonderlich anzutasten.
Stilisiert (oder reduziert) man propagandistisch den republikanischen Aktivsten zu ei-nem Opfer, als jemanden, der Opfer ist und Opfer bringt, distanzieren sich die Filme davon reflexiv, als sie ihn als ein Opfer des (verordneten) Opfertums selbst porträtieren. Meist kontrastiert und relativiert von ranghöheren, fanatischen bad guys in der Bewegung sind sie eher passiv geformt von den Umständen. Sie verdienen wenig, leben in einer Welt der Gewalt, in der ihnen der Kampf als Erbe und Tradition überantwortet worden ist, ein Kampf, den sie nicht wollen oder dessen Sinn verloren gegangen ist. Die echten Väter (wie IN THE NAME OF THE FATHER [IRL/UK 1993] oder TITANIC TOWN [UK 1998]) sind schwach und „domestiziert“, die echten Vertreter der (falschen) Maskulinität und der dubiosen herrschenden (IRA-) Ordnung hingegen Männer unter sich, die die Straßen beherrschen oder im Pub zu Hause sind. Auch hier bezeugen die Filme Ideologieskepsis: Diese echten Männer sind Mafiosi (FIFTY DEAD MAN WALKING [UK/CAN 2008]) oder in der versteinerten Vergangenheit ihres Kampfes gefangene Hardliner, die die starren, nur auf den Konflikt ausgerichteten Regeln im engen Wohn- und Sozialraum diktieren (v.a. THE BOXER [USA/IRL 1997]).
Die terroristischen Anti-Helden sind hingegen Mitläufer und/oder gejagte Aussteiger. Sie engagieren sich ohne erkennbaren Grund oder wurden als Jungen radikalisiert durch den Mord am Vater (so in THE DEVIL’S OWN [USA 1997] oder der Jugendtragikomödie MICKYBO & ME [UK 2004]), was sie zu unpolitischen Rächern ohne Hoffnung auf konkrete Rache werden lässt. (Ersatz-) Vaterkonflikte (mit Priestern oder Polizisten als Repräsentanten der Zivilisation, des Friedens und des institutionellen Gesetzes) bilden oftmals den dramatischen Kern der Filme, vor allen bei den jungen „Rebellen“ auf der Suche nach sich (und einer eigenen Identität) und die etwas stereotyper dargestellt werden u.a. von Mickey Rourke (A PRAYER FOR THE DYING) oder Brad Pitt (THE DEVIL’S OWN).
Doch auch und noch mehr spiegeln die „echten“ nordirischen Darsteller in ihrer Physiognomie und mit ihrem Körper den tragischen Zug des einfachen, stillen, im Grunde unpolitischen und fürs Doppel- oder Untergrundleben ungeeigneten Familienmanns wieder, der „von Natur aus“ nicht glücklich werden kann: James Nesbitt und John Lynch, Liam Neeson, Stephen Rea oder Daniel Day-Lewis – bleiche, hagere Gestalten mit müdem Blick, und wie vor allem Gerard McSorley wechseln die meisten von ihnen über die Filme hinweg mühelos „die Seiten“, sind ebenso überzeugte IRA-Militante und Hungerstreik-Märtyrer, Polizisten, Priester oder unbeteiligte Terror-Opfer erster oder zweiter Ordnung.
Die nordirischen terroristischen Hauptfiguren sind keine „echten“ Männer, und wenn sie sich so gerieren, dann nur seltsam lustlos oder tragisch getrieben. Es umweht sie der Hauch des Jugendlichen, des Unfertigen und Nicht-Erwachsenen – oder der des „Weiblichen“, der verlockt, eine Alternative bietet, auch in Sachen Frieden.
Am weitesten lotet diese krisenhafte Ortlosigkeit der in Sachen filmischer Gender-Diskussion wohl berühmteste „Nordirland“-Film, Neil Jordans THE CRYING GAME, aus: Zwischen der steifen Regelwelt des Terrorismus, der Identitäten zuteilt und Körper daraufhin als Verfügungsmasse behandelt sowie der identitätsfluiden Weiblichkeit der sich als biologischer Mann entpuppenden Schönheit – der „Freundin“ der ums Leben gekommenen Geisel des Protagonisten und seiner Ex-Kameraden – sitzt der Held zwischen allen Stühlen. Frieden findet er nur unter ungezwungen „falschen“ Männern und so etwas wie Freiheit letztlich im Gefängnis, wo ihn ironisch-gegenideologisch die gebärunfähige und transgressive aber loyale und geduldige „Häftlingsgattin“ besucht.
Literatur (Auswahl):
Feldman, Allen (1991): Formations of Violence. The Narrative of the Body and Political Terror in Northern Ireland. Chicago, IL / London: University of Chicago Press.
Hill, John (2006): Cinema and Northern Ireland. Film, Culture, Politics. London: BFI.
McIlroy, Brian (2001): Shooting to Kill. Filmmaking and the „Troubles“ in Northern Ireland. Richmond, British Columbia: Stevenson Press (durchgesehene u. aktualisierte kanadische Erstauflage).
Roulston, Carmel (1997): Gender, Nation, Class: The Politics of Difference in Northern Ireland. In: Scottish Affairs, Nr. 18, S. 54 – 68.
Sharkey, Sabina (1994): Ireland and the Iconography of Rape. Colonisation, Constraint and Gender. (Irish Studies Centre Occaional Papers Series No. 4). London: University of North London Press.
(The following paper was developed in preparation of the upcomming conference Terrorism/Gender/Commemoration at the University der Bundeswehr / German Military University in Munich. On this occasion I will speak about "republican" masculinity in films about the Northern Irish "troubles". HERE you find an English version of the paper.)
Men in Troubles –
IRA-Männer und Männlichkeit in Filmen zum Nordirlandkonflikt
von Bernd Zywietz
Die „republikanische“ Männlichkeit und ihre sozialen Rollen sind im Nordirlandkonflikt wie in der entsprechenden Repräsentation bestimmt durch die Rolle der Frauen und die spezifische Art und Geschichte des Konflikts. Die nordirischen Troubles werden primär – trotz der sozialistischen Ziele und Traditionslinien – als nationalseparatistischer Konflikt betrachtet und als solcher vor allen in Filmen behandelt (sofern in diesen überhaupt Ursachen und Anliegen explizit werden). Hinzu kommt, dass der Konflikt der IRA ideologisch in einer jahrhundertealten Tradition des Ringens um Selbstbestimmung und gegen Unterdrückung wurzelt. Im Gegensatz zum z.B. Linksextremismus in Deutschland war der asymmetrische Kampf gegen die britischen „Besatzungstruppen“ damit quasi keiner gegen die Väter und ihre Ordnung, sondern ein von den Vätern ererbter, der zudem die gesamtirische Identität und Kultur maßgeblich geprägt hat.
Weiblichkeit wurde in diesem Unabhängigkeitskampf (wie in vielen anderen) mit der idealisierende Symbolfunktion, mit der Allegorischen der Mutter-Figur als Nation verbunden (so in der mythischen Kathleen Ni Houlihan), und im Alltag waren Frauen auf die traditionelle Besitz-, Familien- und Loyalitätsrollen verpflichtet: als Schwester, die es vor den Kontrollen der Soldaten zu schützen gilt, als Mutter, in deren Sphäre bei Hausdurchsuchungen eingedrungen wird oder als Ehefrau, die ihren im Untergrundkampf verwundeten Mann pflegt oder geduldig und stolz auf ihn wartet, solange er in Haft ist. Darüber hinaus assoziierte man Frau-Sein mit einer ganz konkreten biologische Pflicht, die die häusliche, katholische Stellung festschrieb: Da eine Bevölkerungsmehrheit per Referendum einen Anschluss an die irische Republik erzwingen kann, war das Gebären „republikanischer“ Kinder ganz im Namen der „Sache“. Filme wie Maeve (UK/IRL 1982) attackieren diese konteremanzipatorische Welt der Troubles; die Komödie THE MOST FERTILE MAN IN IRELAND (UK/IRL 1999) führt die politische Zeugungspflicht vor – während wiederum aktive IRA-Mitgliederinnen (also außerhalb der ihnen zugewiesenen Einordnungen und trotz der realen Aktivistinnen-Vorbilder) oftmals, in Filmen wie THE CRYING GAME (UK/J 1992) oder A PRAYER FOR THE DYING (UK 1987), zu besonders gefühlskalten oder gar psychotischen Soldaten und Terroristen, zu allzu vermännlichten Frauen, wurden.
Wie sind nun Männer und Männlichkeit in der filmfiktionalen Repräsentation der nordirischen Gewalt determiniert und definiert? Filme zum Nordirlandkonflikt präsentieren im seltensten Fall Terrorismus in einem engeren Verständnis: Im Gegensatz zur sektiererischen Gewalt und einer eher aufständischen Konfrontationen mit britischen Truppen finden sich Erzählungen von Planungen und Durchführungen von Bombenanschlägen, gar in London, nicht oder nur am Rande. Die war nicht immer der Fall: Der Unabhängigkeitskampf gegen die Briten Anfang der 1920er oder spätere IRA-Bomben-Kampagnen in und gegen London (so in THE GENTLE GUNMAN [UK 1952]) vor 1969 boten – bei aller tragischer Konnotation und Reflektion über die Legitimität und Grenzen der Gewalt – Züge des Kriegsabenteuers mit aufrechter Männerbündnissen, in denen das Leben stolz einem gerechten Kampf gewidmet ist (so z.B. in SHAKE HANDS WITH THE DEVIL [IRL/USA 1959]). Doch schon ODD MAN OUT (UK 1947) über einen verwundeten Nationalisten auf der Flucht in einem düsteren fata-listischen Belfast zeichnet den IRA-Mann als Verlorenen, Unbehausten, als eine freudlose Gestalt gefangen in einer tristen, ausweglosen Welt. Filme zum Nordirlandkonflikt sind überwiegend Dramen und Tragödien, auch in der Form des Thrillers, und selbst die sporadischen Komödien, entstanden in Zeiten der (Waffen-) Ruhe, kehren die Struktur der typischen Maskulinität und ihre Elemente nur ins Lächerliche, ohne sie – und damit die fragile narrativ neutrale Übereinkunft in diesem sozial und politisch heiklen Gebiet – sonderlich anzutasten.
Stilisiert (oder reduziert) man propagandistisch den republikanischen Aktivsten zu ei-nem Opfer, als jemanden, der Opfer ist und Opfer bringt, distanzieren sich die Filme davon reflexiv, als sie ihn als ein Opfer des (verordneten) Opfertums selbst porträtieren. Meist kontrastiert und relativiert von ranghöheren, fanatischen bad guys in der Bewegung sind sie eher passiv geformt von den Umständen. Sie verdienen wenig, leben in einer Welt der Gewalt, in der ihnen der Kampf als Erbe und Tradition überantwortet worden ist, ein Kampf, den sie nicht wollen oder dessen Sinn verloren gegangen ist. Die echten Väter (wie IN THE NAME OF THE FATHER [IRL/UK 1993] oder TITANIC TOWN [UK 1998]) sind schwach und „domestiziert“, die echten Vertreter der (falschen) Maskulinität und der dubiosen herrschenden (IRA-) Ordnung hingegen Männer unter sich, die die Straßen beherrschen oder im Pub zu Hause sind. Auch hier bezeugen die Filme Ideologieskepsis: Diese echten Männer sind Mafiosi (FIFTY DEAD MAN WALKING [UK/CAN 2008]) oder in der versteinerten Vergangenheit ihres Kampfes gefangene Hardliner, die die starren, nur auf den Konflikt ausgerichteten Regeln im engen Wohn- und Sozialraum diktieren (v.a. THE BOXER [USA/IRL 1997]).
Die terroristischen Anti-Helden sind hingegen Mitläufer und/oder gejagte Aussteiger. Sie engagieren sich ohne erkennbaren Grund oder wurden als Jungen radikalisiert durch den Mord am Vater (so in THE DEVIL’S OWN [USA 1997] oder der Jugendtragikomödie MICKYBO & ME [UK 2004]), was sie zu unpolitischen Rächern ohne Hoffnung auf konkrete Rache werden lässt. (Ersatz-) Vaterkonflikte (mit Priestern oder Polizisten als Repräsentanten der Zivilisation, des Friedens und des institutionellen Gesetzes) bilden oftmals den dramatischen Kern der Filme, vor allen bei den jungen „Rebellen“ auf der Suche nach sich (und einer eigenen Identität) und die etwas stereotyper dargestellt werden u.a. von Mickey Rourke (A PRAYER FOR THE DYING) oder Brad Pitt (THE DEVIL’S OWN).
Doch auch und noch mehr spiegeln die „echten“ nordirischen Darsteller in ihrer Physiognomie und mit ihrem Körper den tragischen Zug des einfachen, stillen, im Grunde unpolitischen und fürs Doppel- oder Untergrundleben ungeeigneten Familienmanns wieder, der „von Natur aus“ nicht glücklich werden kann: James Nesbitt und John Lynch, Liam Neeson, Stephen Rea oder Daniel Day-Lewis – bleiche, hagere Gestalten mit müdem Blick, und wie vor allem Gerard McSorley wechseln die meisten von ihnen über die Filme hinweg mühelos „die Seiten“, sind ebenso überzeugte IRA-Militante und Hungerstreik-Märtyrer, Polizisten, Priester oder unbeteiligte Terror-Opfer erster oder zweiter Ordnung.
Die nordirischen terroristischen Hauptfiguren sind keine „echten“ Männer, und wenn sie sich so gerieren, dann nur seltsam lustlos oder tragisch getrieben. Es umweht sie der Hauch des Jugendlichen, des Unfertigen und Nicht-Erwachsenen – oder der des „Weiblichen“, der verlockt, eine Alternative bietet, auch in Sachen Frieden.
Am weitesten lotet diese krisenhafte Ortlosigkeit der in Sachen filmischer Gender-Diskussion wohl berühmteste „Nordirland“-Film, Neil Jordans THE CRYING GAME, aus: Zwischen der steifen Regelwelt des Terrorismus, der Identitäten zuteilt und Körper daraufhin als Verfügungsmasse behandelt sowie der identitätsfluiden Weiblichkeit der sich als biologischer Mann entpuppenden Schönheit – der „Freundin“ der ums Leben gekommenen Geisel des Protagonisten und seiner Ex-Kameraden – sitzt der Held zwischen allen Stühlen. Frieden findet er nur unter ungezwungen „falschen“ Männern und so etwas wie Freiheit letztlich im Gefängnis, wo ihn ironisch-gegenideologisch die gebärunfähige und transgressive aber loyale und geduldige „Häftlingsgattin“ besucht.
Literatur (Auswahl):
Feldman, Allen (1991): Formations of Violence. The Narrative of the Body and Political Terror in Northern Ireland. Chicago, IL / London: University of Chicago Press.
Hill, John (2006): Cinema and Northern Ireland. Film, Culture, Politics. London: BFI.
McIlroy, Brian (2001): Shooting to Kill. Filmmaking and the „Troubles“ in Northern Ireland. Richmond, British Columbia: Stevenson Press (durchgesehene u. aktualisierte kanadische Erstauflage).
Roulston, Carmel (1997): Gender, Nation, Class: The Politics of Difference in Northern Ireland. In: Scottish Affairs, Nr. 18, S. 54 – 68.
Sharkey, Sabina (1994): Ireland and the Iconography of Rape. Colonisation, Constraint and Gender. (Irish Studies Centre Occaional Papers Series No. 4). London: University of North London Press.