Terror und Trump – eine Predigt zum 1. Advent 2016

© Stefan Scherer

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Evangelium

Das Evangelium für den heutigen Sonntag steht Lukas 12,13-21 und ist zugleich der Predigttext:

Einer aus der Volksmenge bat Jesus:

Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen.

Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Schlichter bei euch gemacht? Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt.

Und er erzählte ihnen folgendes Beispiel: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er hin und her: Was soll ich tun? Ich weiß nicht, wo ich meine Ernte unterbringen soll.

Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens!

Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist.

Amen

Ende Juli 2016 stürmen zwei islamistische Attentäter frühmorgens in eine katholische Kirche in Saint-Etienne-du-Rouvray bei Rouen. Sie treffen einen alten Priester, drei Nonnen und zwei Gemeindemitglieder. Dem Priester schneiden sie grausam die Kehle durch.

Nach der barbarischen Tötung des Priesters sagt einer der Attentäter: „Frieden, das ist das, was wir wollen“, „Solange Bomben auf Syrien fallen, werden wir die Attentate fortsetzen. Wenn Ihr aufhört, hören wir auch auf.“

Ein islamistisch motivierter Mord an einem Priester direkt in einer Kirche; es war nicht das erste Gotteshaus, das angegriffen wurde, auch Moscheen und Synagogen sind immer wieder Ziel von Attentaten. Aber der Anschlag in der Nähe von Rouen war medienwirksam, er und seine wahnwitzige Rechtfertigung prägte die Sicht der Menschen. Aus einem dreckigen Mord wurde eine von den Medien wahrgenommene politische Tat.

Fanatiker wollen Alles zerstören, was nicht ihren einseitigen und radikalen Vorstellungen entspricht. Dies trifft jeden, wenn er anders ist als sie. Moslems, Juden, Christen, Homosexuelle, Frauen, uns.

Und die Begründungen für ihre Barbarei sind verlogen wie die Worte des Attentäters, denn tatsächlich sind sie einfach gegen alles, was etabliert oder anders ist. Leider machtgerade dies die Ideologie der Fanatiker weltweit so attraktiv.Denn der blinde Kampf gegen „die Mächtigen und die Anderen“ ist nicht typisch für Islamisten, die Folgen einer radikalen Ablehnung des Establishments und der Anderen erleben wir gerade in den USA. Dort wurde Donald Trump mit einfachen Botschaften Präsident: Wenn alle Etablierten – Politik, Wirtschaft und Medien – dafür sind, dann muss etwas faul daran sein! Und Alle, die nicht so sind wie wir, sind böse! Die oder Wir!

Dabei interessiert weder die Fanatiker vom IS noch Trumps enthemmte Anhänger die Wahrheit. Eine Debatte über Inhalte, das nüchterne Abwägen zwischen politischen Programmen findet nicht statt: weder bei den Islamisten noch in dem beispiellos vulgären Wahlkampf in den USA.

Trumps Wähler haben ihrem neuen Führer zugejubelt, wenn er gegen Minderheiten hetzte. Sie haben geklatscht, wen auch immer er beleidigte, erniedrigte oder lächerlich machte. Sie haben alle seine Lügen ignoriert. Ein Serienbankrotteur, Rechnungspreller und Steuertrickser war für sie nun der erfolgreiche Geschäftsmann, der den besten Deal für sie herausholen wird. Sein „Amerika zuerst“ verstanden sie als „Wir zuerst“: Die Chinesen stehlen unsere Arbeitsplätze, die Mexikaner vergewaltigen unsere Frauen, die Muslime wollen uns alle in die Luft sprengen – also mauern wir uns ein, schotten uns ab und unterdrücken oder deportieren alle, die anders sind.

Was bleibt nach diesem beispiellosen Hassausbruch in einem demokratischen Wahlkampf? Jedenfalls keine Werte, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Mahnung an Trump beschwor: „Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung“. Nein, es bleibt nur noch das Recht des Stärkeren, bis zur letzten Konsequenz: Wir gegen Die – bis auf die letzte Patrone – und dies ist in Amerika durchaus wörtlich zu nehmen, denn dort sterben jedes Jahr weit über 3.000 Menschen durch Schusswaffen; ja, so wie Trump agieren Hassprediger!

Gewaltbereite Fundamentalopposition also auf allen Seiten: Der IS kümmert sich genau so wenig um islamische Theologie wie Donald Trump um politische Inhalte. Und so, wie sich Donald Trump auf Twitter, Instagram und Facebook inszeniert, so verbindet der IS gezielt die Ästhetik von menschenverachtenden Computerspielen, die Inszenierung von Hollywood-Action und die Möglichkeiten von Selbstdarstellung in Zeiten des Internets zu einem tödlichen Mix. Tödlich für ganze Landstriche im Irak und in Syrien. Tödlich für einen alten Priester in einer Kleinstadt in Nordfrankreich.

Der brutale und medial inszenierte Terror verbreitet Angst unter den Menschen. Darüber liest und spricht man allerorten. Doch diese Angst verbindet leider nicht, sie trennt und spaltet. Sehen wir auf Donald Trump, auf sein „America first“ und seine monströsen Pläne einer Mauer zwischen den USA und Mexiko und der Deportation von 11 Millionen Menschen… dies entspricht im Kern den „Lösungen“, die der IS propagiert und widerlich vollzieht – ethnische Säuberungen, Abschottung, „Heiliger Krieg“ gegen alle Anderen. Und kennen wir Deutschen all dies nicht selbst aus unserer Geschichte?

Es hilft wenig, zu erklären, dass die Angst vor Terror irrational ist. Seit dem Jahre 2000 sterben Jahr für Jahr10x mehr Amerikaner durch Waffengewalt im eigenen Land als durch Terroranschläge weltweit – 3000 Frauen, Kinder, Männer. Und trotzdem wollen Trump und seine Leute noch mehr Waffen. Die Gefahr in Deutschland bei einem Verkehrsunfall zu sterben ist weit höher (letztes Jahr 3.459) als die Gefahr, einem Terroranschlag zum Opfer zu fallen. Und trotzdem fahren wir Auto. Doch diese alltäglichen Gefahren inszenieren sich nicht. Der Terror hingegen wirkt durch die Angst, die er medial herstellt. Er bedient sich der modernen Kommunikationsmittel. Dadurch wird ein Mord in einer Kleinstadt irgendwo in Europa zur Quelle der Angst in Kleinstädten überall.

Donald Trump bedient auch Medienmuster. Er spielt mit den Ängsten der vermeintlich Abgehängten in den USA, die sich nun als Gewinner fühlen. Er benutzt die Bilder der Terroristen, um die Anderen zu definieren, diejenigen, die man aussperren und deportieren muss. Der Traum von einem Amerika, in dem jeder die gleiche Chance hat, bedeutet ihm und seinen Wählern nichts mehr. Der so entfesselte Hass richtet sich wahlweise gegen Schwarze, Muslime, Hispanics, Frauen, Homosexuelle, Journalisten – die Liste kann nur unvollständig sein, aber sie deckt sich in weiten Teilen mit der des IS, aber auch mit der Liste der AfD, von Le Pen oder anderen Rechtspopulisten. Und auch sein Tenor klingt bösartig vertraut: Sieg oder Untergang, Wir oder Die – darauf hat Trump seine Anhänger eingeschworen, so geifert der IS, das ist der Ruf aller totalitären Bewegungen.

Und die öffentliche Inszenierung ihres Tuns macht diese Populisten mächtig, Trump, AfD, Le Pen; und eben den IS, der die Perversität und Mordlust auf die Spitze treibt, denn er ködert entwicklungsgestörte Jugendliche: Wenn Du mordest, weil du keine Freundin findest, schaffst Du es nur in die Lokalzeitung. Wenn Du uns die Pressemeldung überlässt, erreichst Du die ganz große Bühne! Der IS braucht keine Attentate selbst zu planen, er muss nur die Internet-Plattform zur Verfügung stellen.

Nicht anders auf der anderen Seite: es gibt genügend gewaltgestörte Jugendliche, die sich rechtsradikaler und neonazistischer Parolen bedienen, um ihre Allmachtsphantasien auszuleben, das Schema ist dasselbe wie beim Terror im Namen des Islam: die alleinige Gewalt reicht nur für eine Randnotiz, die politische Motivation schafft es auf die Titelseite.

Und dann greift wieder der Teufelskreis: wir greifen in unserer Angst zum möglichst einfachen Mittel, indem wir „die Anderen“ ausgrenzen und nicht mehr mit ihnen reden – und machen so die Terroristen und die Europäischen Neofaschisten zu Gewinnern.

Aber die Werte unserer freiheitlichen Gesellschaft, die vom IS und von rechtslastigen Populisten verhöhnt und in den Schmutz getreten werden, sind doch auch unsere christlichen Werte; und es sind die Werte der viele friedliebenden und uns wohlgesonnenen Muslime; deswegen ist ein Zugehen auf sie die einzig richtige Antwort. Und deswegen müssen wir auch Zugehen auf diejenigen Gruppen in unserem Land, die sich abgehängt und ausgegrenzt fühlen und nun den rechten Brandschatzern nachlaufen.

Neben allen politischen, juristischen und polizeilichen Maßnahmen gegen Gewalt müssen wir aufhören, über Menschen zu reden, sondern wir müssen mit ihnen reden: wir brauchen das Gespräch über unsere Werte, mit allen Gruppen, aber eben auch unter uns und in unseren Kirchen. Nur gemeinsam können wir herausfinden, wohin das Evangelium leitet und wozu der Herr uns ruft. Wir müssen nicht unsere Schätze ängstlich für uns selbst sammeln, sondern vor Gott reich werden.

Wer das Evangelium liest, wird feststellen, dass die Auseinandersetzung mit den Dämonen und der Sieg über die Abergeister der Lüfte zum Kern des Wirkens Jesu gehört. Dämonen sind nur so stark, wie wir sie stark sein lassen – statt uns dazu zu bekennen, dass Gott allein mächtig ist, auch und gerade dort, wo Gott in der Liebe bis zum Kreuz ohnmächtig ist. Christen können die irrationale Angst bekämpfen, indem sie den Namen des Herrn anrufen, der das Kreuz auf sich genommen hat.

Ich bin mir sicher, eine gelebte christliche Spiritualität überwindet die Angst. Wir müssen sie nur in die Welt tragen und sie nicht ängstlich in unseren Scheunen verstecken.

Ich bin mir sicher, dass eine Politik, die wieder mit den Menschen und nicht über die Menschen redet und dabei auf Angstparolen verzichtet, die nüchtern auf das konkret Machbare schaut und es umsetzt, der einzige Weg ist, all den Dämonen keinen Raum zu lassen, die unsere Herzen verführen wollen.

Ich bin mir sicher, dass das eine Aufgabe nicht nur heute ist, sondern eine, die uns noch lange begleiten wird. Wir müssen aufhören, in 4-Jahres-Intervallen zu denken, wir brauchen einen Plan, einen gemeinsamen Plan, der länger hält. Den Plan, der uns reich macht vor Gott.

Seit zweitausend Jahren sind wir unter das Zeichen des Kreuzes gestellt. Es war damals von den Römern inszeniert, um Angst zu machen. Seit zweitausend Jahren ist aber genau dieses Zeichen ein Zeichen, das Menschen hilft, Gott zu vertrauen, gerade in unruhigen, angstvollen, schweren Zeiten.

Amen.

Diese Predigt beruht unter Anderem auf: http://www.martin-loewenstein.de/predigt-18_sonntag_im_jahreskreis_c_2016.html


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