Telemedizin hilft Parkinson-Patienten


Eine neue Methode hilft Patienten bei der Medikamenteneinstellung
Berlin - Mehr als 250.000 Menschen leiden in Deutschland unter Morbus Parkinson, jedes Jahr kommen schätzungsweise 20.000 Neuerkrankungen hinzu. Typische Symptome sind Steifigkeit, Zittern und verlangsamte Bewegung, die sich im Laufe der Jahre verstärken. Die genaue Ursache für das Entstehen ist noch nicht bekannt, Neben genetischen Faktoren wird ein Zusammenhang mit Magen- und Darm-Erkrankungen vermutet. Typisch für alle Parkinson-Erkrankungen ist der Mangel an Dopamin. Dieser Botenstoff des Gehirns wird vor allem in Zellen der Substantia nigra im Hirnstamm produziert. Bei Parkinson-Patienten gehen diese Zellen vermehrt zugrunde.
Bisher gibt es noch keine Therapie, die Heilung bringt. Mit einer Vielzahl von Medikamenten wird versucht die Symptome der Krankheit zu lindern. Grundlage der Behandlung ist in erster Linie, der Versuch, den Dopaminmangel auszugleichen. In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung erhalten Patienten bis zu acht verschiedene Medikamente, deren Einnahme individuell auf den Tagesablauf des einzelnen Patienten abgestimmt werden sollte.
Ein schwieriges Unterfangen für den Patienten bislang, der dafür regelmäßig, oftmals für mehrere Wochen in Spezialkliniken eingewiesen werden musste. Naturgemäß orientiert sich die Einstellung der Medikation dieser Patienten am Alltag in der Klink. Eine gezielte Einnahme von Tabletten, die sich an den Erfordernissen der Patienten zu Hause anpasst, war bislang nicht möglich.
Halluzinationen und Verwirrtheit, die erstmals in der ungewohnten Umgebung der Klinik bei diesen Patienten nicht selten auftreten oder sich deutlich verstärken, verhindern oftmals eine wirksame medikamentöse Behandlung.
Bislang wurden über 3000 Parkinsonpatienten ambulant videounterstützt zu Hause behandelt. Die Videotherapie eröffnet neue therapeutische Optionen für Patienten.
Dies ist der einhellige Grundtenor der Charitè Berlin und aller anderen beteiligten Klinken sowie von mehr als 300 niedergelassenen Neurologen, welche dieses neue Verfahren deutschlandweit aktuell anwenden.
Bei der ambulanten videounterstützten Parkinsontherapie wird für 30 Tage in der Wohnung des Patienten eine Kamera mit einem Drucker aufgebaut. Das System ist direkt mit dem niedergelassenen Neurologen vor Ort und einem Spezialisten für Bewegungsstörungen in der Klinik verbunden.
Die Bedienung zu Hause ist für Patienten denkbar einfach. Erfahrungen zeigen, dass die videounterstützte Parkinsontherapie von älteren Menschen und ihren Angehörigen sicher durchgeführt werden kann.
Die Kamera kann nur vom Patienten ausgelöst werden, drei bis viermal am Tag wird er zu verabredeten Zeiten durch ein Bewegungsprogramm geführt, um die aktuelle Beweglichkeit zu überprüfen. Eine Aufnahme dauert nur ein paar Minuten, danach schaltet sich die Kamera automatisch wieder aus. Treten besondere Schmerzen oder Unbeweglichkeit auf, kann die Kamera jederzeit rund um die Uhr für Aufnahmen gestartet werden.
Die etwa 150 Aufnahmen werden per Telefonleitung sowohl auf den Computer des niedergelassenen Neurologen wie auch in die Klinik übertragen. Die Ärzte erhalten ein exaktes Bild vom tatsächlichen Grad der Erkrankung. Die Fachärzte werden zeitgenau über Zustandsschwankungen ins Bild gesetzt und können so gemeinsam die Einnahmezeiten und Dosierungen der Medikamente auf den ganz persönlichen Tagesablauf und das häusliche Umfeld des einzelnen Patienten anpassen.
„Eine solch intensive Beobachtung können wir in der Klinik gar nicht leisten“ sagt Dr. Paolo Pérez-Gonzáles, Chefarzt der Neurologischen Klinik am Christopherus-Krankenhaus in Dülmen, einer der führenden Experten für Parkinson in Deutschland. „Die Erfahrungen, die ich persönlich mit der videounterstützten Therapie bei mehr als 500 Parkinson-Patienten gemacht habe, sind durchweg positiv. Die Patienten fühlten sich aktiv an der Therapie beteiligt und ernster genommen. Die bei Klinikaufenthalten häufigen depressiven Phasen blieben aus und wir als Behandler erlangen Einblick in das tägliche Leben mit den üblichen Essens- und Schlafzeiten des Patienten. Die Rückmeldungen zeigten eine Optimierung der Medikamenteneinstellung und eine bessere Beweglichkeit,“ so Dr. Perez weiter.
Die ambulante videogestützte Parkinsontherapie wird von den Fachabteilungen der Berliner Charité, der Ruhr-Universität Bochum, der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, der Schiller-Universität Jena, des Neurologischen Krankenhauses München und der Universitätsklinik Düsseldorf angeboten. Die Häuser führen die Therapie immer in Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Neurologen (ca. 300 deutschlandweit) durch.
Die Methode wird vom Land Rheinland-Pfalz im Rahmen der Gesundheitsinitiative RLP gefördert. Entwickelt wurde sie von Dr. Eberhard Schmitt, Neurologe am Brüderhaus in Koblenz und dem Koblenzer Arzt Alexander Rzesnitzek. Die Kosten werden mittlerweile schon von den Ersatzkassen und einigen anderen Krankenkassen übernommen, weitere haben Bereitschaft signalisiert.
Informationen zur MVB finden Sie im Internet unter http://www.mvb-parkinson.de.
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Professor Dr. Alfons Schnitzler
Direktor der Abteilung Bewegungsstörungen und Neuromodulation
der Neurologischen Klinik, Universitätsklinikum Düsseldorf
Professor Dr. Schnitzler gilt als einer der Pioniere bei der Entwicklung der ambulanten videogestützten Parkinsontherapie und hat die Behandlung maßgeblich geprägt. Nachfolgend ein Interview mit ihm:
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Wer kommt für die ambulante videogestützte Parkinsontherapie in Frage?
Zum Einsatz kommt die Therapie bei Patienten, bei denen eine Neueinstellung oder Anpassung der Medikamente erforderlich ist. Das ist bei Parkinson-Patienten nicht ganz einfach, einmal weil sie häufig eine ganze Reihe von Medikamenten einnehmen müssen, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Die Medikamente können außerdem nur langsam umgestellt werden, und die Umstellung muss ständig überprüft werden. Die Medikation muss den Tagesabläufen des einzelnen Patienten angepasst werden, diese fallen sehr unterschiedlich aus. Mit der ambulanten videogestützten Therapie kann der Patient in seinem häuslichen Umfeld und seiner privaten Tagesroutine beobachtet und eingestellt werden. Dem behandelnden Neurologen ermöglicht dies wichtige Einblicke in den Tagesverlauf der Beschwerden des Patienten. Diese Information kann er zum Vorteil des Patienten in den Behandlungsplan einbeziehen.
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Was hat Sie bewogen, mit dem neuen Behandlungsverfahren zu arbeiten?
Wir wollten mit der ambulanten Videotherapie das therapeutische Angebot erweitern. Vorher war meist ein längerer stationärer Aufenthalt notwendig, weil die Umstellung eben nur sehr langsam erfolgen kann. Als kritisch anzusehen sind ungewohnte Tagesabläufe in der Klinik, die so gar nicht den tatsächlichen in der heimischen Umgebung entsprechen. Bei der ambulanten Videotherapie werden 30 Tage lang über den Tag verteilt mehrfach Bewegungsabläufe des Patienten in der Wohnung des Patienten dokumentiert. Der behandelnde Arzt kann sich – wann immer er Zeit hat – die Bilder ansehen und auswerten. Der Patient wird nach jeder Aufzeichnung aufgefordert, eine Bewertung seines Zustands in Schulnoten anzugeben. Beim Klinikaufenthalt sieht der behandelnde Arzt den Patienten in der Regel einmal am Tag bei der Visite. Oft ist der Patient dann auch noch aufgeregt und das tatsächliche Bild seiner Bewegungsfähigkeit wird dadurch zusätzlich verfälscht. Nicht selten offenbaren die häuslichen Videoaufnahmen, dass die subjektive Einschätzung der Beweglichkeit des Patienten nicht mit der ärztlichen Bewertung übereinstimmt. Dies kommt vor allem bei Patienten mit depressiver Stimmungslage vor und erfordert dann eine andere Therapiestrategie als bei tatsächlich schlechter Beweglichkeit.
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Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Methode?
Unsere Erfahrungen mit der ambulanten Videotherapie sind sehr positiv. Weit über 90 Prozent der von uns behandelten Patienten sind mit der Behandlung und dem Ergebnis zufrieden.
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Wie kommen ältere Patienten mit der Technik zurecht?
Es gibt in der Regel keine Probleme mit der Handhabung, da der Patient nicht viel machen muss. Die technische Anlage wird durch geschulte Mitarbeiter aufgebaut, danach erfolgt eine ausführliche Einweisung. Aktiviert wird jede Aufnahme automatisch durch einfaches Auflegen eines Transponders. Per zusätzlich installiertem Fax erhält der Patient täglich die Anweisungen für die neu abgestimmte Medikation. Notwendig ist nur ein Telefonanschluss. Bei etwa 500 Patienten haben wir die ambulante Videotherapie angewandt, Abbrüche der Therapie wegen Handhabungsproblemen gab es nicht. Der Patient muss sich auch nicht überwacht fühlen, das Kamerasystem wird an einer von ihm selbst bestimmten Stelle aufgebaut. Er alleine entscheidet, wann er Aufnahmen machen will.
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Wie helfen die Aufzeichnungen dem Arzt bei der Medikamenteneinstellung?
Wir sehen mehrfach täglich 2-3-minütige Aufzeichnungen von Bewegungsübungen, die üblicherweise auch in der Klinik kontrolliert werden. Der Patient gibt dann eine Bewertung seines Zustands an. Zusätzlich kann der Patient, wann immer er das möchte oder sich schlecht fühlt, das System aktivieren und Bilder aufzeichnen lassen. So können beispielsweise auch nächtliche Zustände dokumentiert werden, in denen er schlecht beweglich ist. Für den behandelnden Arzt sind diese Aufnahmen über einen so langen Zeitraum äußerst wertvoll. Er kann sich einen besseren Einblick über die individuellen Aktivitäten des Patienten und seine schlechten Phasen mit erhöhter Bewegungsunfähigkeit oder Schmerzen machen und die Medikamente sowie andere therapeutische Maßnahmen darauf abstimmen.
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Wie kann ein Patient an der Behandlung teilnehmen?
Die ambulante Videotherapie wird sowohl von niedergelassenen Neurologen in Kooperation mit spezialisierten Kliniken als auch von den spezialisierten Zentren selbst durchgeführt. Ein Parkinson-Patient sollte sich daher an seinen Neurologen wenden oder sich an eine Spezialklinik, die mit dem Verfahren arbeitet, überweisen lassen. Wir in Düsseldorf behandeln Patienten sowohl selbst als auch in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Neurologen. Ein eindeutiger Nutzen ist, dass die ambulante Behandlung noch besser mit der in der Klinik verzahnt und der Patient so bestmöglich beraten wird. Die Kosten für die ambulante Videotherapie werden bisher von den Ersatzkassen und auch einigen Landesvertretungen der AOK übernommen. Bei anderen Krankenkassen muss vor Beginn der Behandlung die Kostenübernahme geklärt
werden.

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