Teekränzchen mit Herrn Nachhaltig

“Wo war ich stehen geblieben?” Herr Nachhaltig blickte mich fragend an.

“Du wolltest gerade die Legende vom letzten Fleischesser erzählen.”

“Ach ja. Stimmt. Nun denn…” Er räusperte sich, rückte das Kissen in seinem Rücken zurecht und setzte sich aufrecht in den Sessel.

“Es war einmal. So beginnen die Märchen vergangener Zeiten. Die Geschichte, die ich dir heute erzählen will, ist keine Hinterlassenschaft der Gebrüder Grimm. Es ist eine Reise in die Zukunft. Ein Traum und eine Legende. Ich spreche vom letzten Fleischesser dieser Erde. Ein Mensch, so uneinsichtig wie ein wütendes Kleinkind oder ein Junkie auf Entzug.”

Herr Nachhaltig hielt kurz inne und schloss die Augen. In dieser Zeit kamen Frau Vegan, Tochter Minimal und Sohn Zero Waste zu uns in den Raum. Sie griffen sich jeder eines der großen Sitzkissen und nahmen im Schneidersitz Platz auf dem Boden. Auf dem Tisch dampfte der frisch aufgebrühte Tee. Im Halbkreis saßen wir nun um Herrn Nachhaltig herum. Frau Vegan reichte ihm seine Tasse. Er trank einen Schluck, stellte ihn wieder ab und fuhr fort.

“In einer Welt, in der die Menschen verstanden haben, dass sie mit der Natur leben müssen und nicht gegen sie, ist er der letzte seiner Art: Homo Carnivorus. Die Zeiten, in denen Veganern nachgesagt wurde, sie sollen im Wald leben, sind vorbei. Vielmehr ist es nun Homo Carnivorus, der sich dorthin zurückgezogen hat. Niemand verkauft mehr Fleisch oder handelt damit. Wer heute noch ein gesundes Tier grundlos tötet, muss mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen.”

Tochter Minimal blickte auf. “Ich wünsche mir so sehr, dass alle Lebewesen dieser Erde sich gegenseitig respektieren.”

Herr Nachhaltig streichelte über ihre braunen Locken. “Ja. Davon handelt die Geschichte. Lass mich nun fortfahren.”

Alleine im Wald

“Wir leben in einer Welt, in der die Tiere ihre Rechte eingefordert und erhalten haben. Die Allgemeine Erklärung der Tierrechte ist die Grundlage unseres gemeinsamen Miteinanders. Wir haben erkannt, dass es falsch ist, fühlende und denkende Wesen einzusperren und über ihr Leben zu bestimmen. Kein Geschmack dieser Welt rechtfertigt das Töten.”

Ich fragte mich, wie Homo Carnivorus in diese Welt passte. Als hätte Herr Nachhaltig meine Gedanken gelesen, sah er mich an und sprach weiter: “Und trotzdem gibt es diesen letzten Widerstand in der Welt. Ein Geist, der nicht bereit ist, seine trotzige Haltung und seine alten Gewohnheiten zu ändern. Er lebt einsam und verlassen im Wald. Tiere, die ihm als letzte Gesellschaft geblieben sind, jagt er mit Pfeil und Bogen. Er ist das, was Omnivore noch vor vielen Jahren von uns Veganern verlangt haben: einsam und zurückgezogen im Wald.”

Teekränzchen mit Herrn Nachhaltig© Pixabay

Legende oder Realität

“Woher wissen wir, dass es ihn wirklich gibt?” Diese Frage drängte sich mir auf. Sie musste einfach aus mir heraus.

“Ja… Es ist wirklich schwer zu sagen, wenn niemand ihn sieht oder hört.” Erneut trank Herr Nachhaltig von seinem Tee. Dann sprach er weiter: “Es ist der gebrochene Geist des Kapitalismus, der dort umher zieht. Homo Carnivorus ist alt, gebrochen und schwach. Ob er nun ein lebender Mensch oder nur ein Schatten dessen ist, kann niemand genau beantworten.”

Frau Vegan ergriff das Wort. “Wir leben noch. Doch auch wir sind Geister. Ideen, in den Köpfen der Menschen, die nur durch Taten zur Realität werden. Es liegt an dir und an allen anderen Kriegern und Kämpferinnen der veganen Bewegung, ob die Vorstellung des Homo Carnivorus eine Legende bleibt oder ob ihr sie Wirklichkeit werden lasst.”

Ihre grünen Augen schienen mich zu durchbohren. Ihr Blick war eine Aufforderung. Viel gab es noch nicht über Homo Carnivorus zu erzählen. Das hatte ich nun verstanden. Es lag an uns selbst, ihn zu erschaffen. Den Geist des Kapitalismus zu brechen und das Leben zu achten. Wir entscheiden jeden Tag selbst, wie unsere Zukunft aussehen wird.

Ich atmete tief durch und schloss die Augen. Plötzlich sah ich Bilder vor meinem inneren Auge. Herrn Nachhaltigs Botschaft war bei mir angekommen. Ich war ein Teil dieser Legende. Wir waren gerade dabei diese Geschichte zu schreiben, unseren Traum einer veganen, respektvollen Zukunft zu kreieren. Jeden Tag, wenn wir uns für die Rechte der Tiere, für den Umweltschutz und Ressourcenschonung einsetzten. Wenn wir unseren Mitmenschen vorlebten, dass wir nicht auf die Waren der Großkonzerne angewiesen sind.

Das Ende des Homo Carnivorus ist der Anfang der Legende

Homo Carnivorus. Gerne mochte ich diesen Geist beerdigen. Doch noch lebte er. Er war noch nicht einmal auf dem Weg zu seinem Grab. Und ich hoffte inständig, dass er nicht zum Zombie wurde.

Als wären meine Gedanken ein offenes Buch, wand sich nun Sohn Zero Waste an mich: “Nein. Bitte erschaffe keinen Untoten. Wir setzen uns alle dafür ein, dass Homo Carnivorus ein Ende findet. Er soll in die Annalen der Märchenwelt eingehen.”

Er hatte Recht. Mal davon abgesehen, dass ich hier nichts denken oder schreiben konnte, ohne dass meine vier Gäste es sofort wussten, wäre es unklug einen fleischfressenden Untoten durch unsere Wälder ziehen zu lassen. Doch mir fehlte noch der entscheidende Einfall, um den Geist des Kapitalismus zu brechen.

Teekränzchen mit Herrn Nachhaltig© Pixabay

Die Geschichte geht weiter

Herr Nachhaltig stellte seine inzwischen leere Teetasse zurück auf den Tisch. “Lass uns gemeinsam die Geschichte weiterschreiben.” Er reichte mir seine Hand. Kaum das sich unsere Hände berührten, spürte ich einen Sog und alles drehte sich.

Als ich mich traute, meine Augen wieder zu öffnen, erschrak ich: Ich schwebte hoch oben in der Luft. Neben mir befanden sich Herr Nachhaltig, Frau Vegan, Tochter Minimal und Sohn Zero Waste. Sie schwebten genauso.

“Ich will dir etwas zeigen.” Erneut griff Herr Nachhaltig nach meiner Hand. Wir flogen über eine Stadt hinweg. Von oben konnte ich einen grauen Fluss erkennen. Je näher wir der Stadt kamen, desto dichter wurde die Smogwolke, die über ihr hing. Die Geräuschkulisse wurde von Motoren und Industrieanlagen dominiert. Das war ein Bild, wie ich es gar nicht mochte. Grau, dreckig, laut und nirgends ein Stück Grünfläche zu erahnen.

Wir verloren an Höhe und näherten uns einem Gebäude. Der Geruch von Verwesung und Blut schlugen mir entgegen. Verzweifelte Rufe von sterbenden Schweinen drangen an mein Ohr. Ich erkannte ein Schlachthaus vor uns. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken, was gleich auf mich zu kommen sollte.

Doch wir blieben in der Luft stehen. Herr Nachhaltig war wohl der Ansicht, dass diese Eindrücke ausreichten.

“Dieser Ort…” Sein Blick war starr auf das Schlachthaus gerichtet.  “Es ist eine Folter- und Tötungsanlage für eine Tierart, die im höchsten Maße fühlt und denkt. Es ist grausam und untragbar, was hier geschieht.” Er drehte sich zu mir um und sein Blick drang tief in mein Innerstes vor.

Es brauchte keine Worte, um die Gefühle und Gedanken meiner vier Begleiter in diesem Moment zu verstehen. Ich fühlte es genauso. Wut, Trauer und eine Spur von Hilflosigkeit überkam mich.

Ein Symbol der Hoffnung

In diesem Augenblick sprach Frau Vegan zu mir: “Greenful Spirit. Du bist nicht hilflos. Komm, lass uns noch einen anderen Ort besuchen.” Kaum hatte sie dies gesagt, drehten wir uns alle wieder im Kreis. Als die Welt um mich herum wieder still stand, waren wir von grünen Wiesen umgeben. Stimmen von Kühen, Schweinen, Hühnern, Pferden und von vielen anderen Tieren mehr waren zu hören.

Hier schwebten wir bis zum Boden und sahen uns um. “Wo sind wir?”, wollte ich wissen.

“Auf einem Lebenshof. Ein Ort, an dem Tiere respektiert werden. Sie dürfen einfach leben. Ohne Zweck und Zwang. Dieser Hof ist das Gegenteil dessen, was wir zuvor betrachtet haben.” Tochter Minimals Freude war nicht zu übersehen. Dies entsprach ihrem Herzenswunsch eines respektvollen Umgangs miteinander.

Als Herr Nachhaltig mich wieder an der Hand fasste, verschwand der Boden unter uns. Ich hatte das Gefühl in die Tiefe gerissen zu werden. Mir entfuhr ein Schrei. Wenige Sekunden später saß ich wieder auf einem der Sitzkissen in meinem Wohnzimmer. Meine Gäste befanden sich an der selben Stelle, wie vor unserem Ausflug. Ich war mir auch nicht mehr sicher, ob das tatsächlich passiert war oder ob wir eigentlich nie diesen Raum verlassen hatten.

Doch ich wusste nun, was der erste Schritt hin zum letzten Fleischesser dieser Erde war. Um ihn in die Welt der Märchen und Legenden zu verbannen, mussten alle Schlachthäuser geschlossen werden. “Wirst du dich dafür einsetzen?” Frau Vegan blickte mich fragend an.

Nun, da meine Gedanken hier sowieso öffentlich waren, wussten es meine Gäste, die mittlerweile gute Freunde waren, bereits. “Ja. Der Anfang vom Ende der Fleischesser wird dort gemacht werden müssen. Ich bin für die Schließung aller Schlachthäuser. Mein Einsatz gilt diesem Ziel.”

Die Kinder fielen mir Freude strahlten um den Hals. Herr Nachhaltig schien auch zufrieden zu sein. Doch es war genug für heute. Wer wusste schon, was meine Gäste als nächstes mit mir vorhatten…


Das war die Fortsetzung meiner Nachhaltigkeitsgeschichte. Wie hat sie euch gefallen? Lasst mir gerne einen Kommentar da und teilt den Beitrag. Euch noch einen guten Start in die Woche.

Farah

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Teekränzchen mit Herrn Nachhaltig

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