Tanja Kinkel: Grimms Morde

Tanja Kinkel: Grimms Morde

Grimms Morde
von Tanja Kinkel
480 Seiten
Droemer
Oktober 2017
Historischer Roman

Verzweifelt stehe ich vor einem Stapel Bücher – meinem SUB. Ich fahre mit den Fingern die Buchrücken entlang: Nein. Darauf auch keine Lust. Nö. Die Zeit hängt mir schon im Nacken, aber ohne Buch verlasse ich das Haus definitiv nicht. Was während der Zugfahrt tun? Was in den Pausen? Superheldin Mama kam dann zur Rettung und drückte mir ein Buch in die Hand, dessen Titel mich bereits enorm neugierig machte: Grimms Morde. 

Worum geht es?

Ein schrecklicher Mord geschieht mitten im Kasseler Adel. Die ehemalige Mätresse des alten Kurfürsten wurde auf grausame, aus einem Märchen stammende Art ermordet. Bei ihr ein Zitat, das direkt auf den Hofbibliothekar Jacob Grimm und dessen Bruder verweist, haben sie doch das zitierte Märchen herausgegeben. Ursprünglich jedoch haben sie es von den Schwester Droste zu Hülshoff, die sich in der Schuld stehend sehen und sofort aufbrechen, um den Brüdern zu Hilfe zu eilen. Gemeinsam ermitteln die Droste-Schwestern und die Gebrüder Grimm, wer auf solch bestialische Weise mordet – doch es bleibt nicht bei diesem einen Mord.

Meinung

„Grimms Morde“ muss man zerpflücken, um ihn in seiner Exzellenz dar zu stellen. Zum einen trifft der Leser auf eine enorm spannende Kriminalgeschichte, die weit in die Tiefen des Adels, in die Politik und die französisch geprägte Geschichte hinein ragt. Dabei setzt Kinkel nicht auf effekthaschende Elemente, sondern bietet dem Leser eine ausgeklügelte, sich immer wieder windende Geschichte, die zum Mitdenken und Miträtseln animiert.

Eine weitere sehr wichtige Ebene stellt jene dar, auf der die Geschwister genauer betrachtet werden. Sowohl das Verhältnis zwischen Jenny und Annette von Droste zu Hülshoff, als auch das zwischen Jacob und Wilhelm Grimm dürfte als einzigartig gelten. Mit Annette und Jacob sehen sich je Geschwisterkinder konfrontiert, die dem Exzentrischeren behütend und schlichtend zur Seite stehen. Vielleicht war es das, was Jenny und Wilhelm verband, die (auch im realen Leben) eine lebenslange Brieffreundschaft verband.
Während Annette als zu unweiblich und aufrührend wahrgenommen wird und so auf die Ablehnung ihrer Verwandten trifft, vertieft sich Jacob nahezu fanatisch in seine Wissenschaften und wirkt so der Welt oftmals entrückt, vor allem aber jenen Menschen, die darin leben. Interessant wird es daher vor allem, wenn die beiden so starken Persönlichkeiten aufeinander treffen.

Die Personen wurden von Kinkel hervorragend recherchiert und (wieder) zum Leben erweckt. Ich gebe zu, (nicht nur) als Germanistin bin ich ein riesengroßes Fangirl der Brüder Grimm. Jacob gilt nicht zuletzt als Begründer meiner Wissenschaft. Ihn nun auf so hervorragende Weise als literarische Figur umgesetzt zu sehen, hat mir zutiefst gefallen. Auch Annette, Jenny und Wilhelm wurden von Kinkel ebenso gut getroffen, wie all jene erfundenen und nicht erfundenen Nebenfiguren.

Damit wären wir dann auch schon beim nächsten Punkt: Das Spiel mit der Realität und der Fiktion. Tatsächlich beruhen sehr viele Aspekte des Romans auf (gut recherchierten) wahren Begebenheiten. Der immer wieder thematisierte Bökendorf-Vorfall fand ebenso statt, wie die Brieffreundschaft zwischen Wilhelm und Jenny. Aus Neugier habe ich immer einmal wieder recherchiert und bin z.B. auf Briefe der Annette zu Droste gestoßen, in denen sie den Vorfall beschreibt. In diesem Moment war es schwer, Realität und Fiktion auseinander zu halten, so gut hat Kinkel die realen Personen getroffen und nachempfunden.

Insgesamt ein wirklich wundervoller, gut recherchierter, amüsant und spannend geschriebener historischer Roman, den es zu lesen lohnt.


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