Tagebuchnotizen zum Buch DAS ESELSKIND

Tagebuchnotizen zum Buch DAS ESELSKIND - Das parallele Leben

Hans-Christoph

Ihr Lieben,
immer wenn ich gefragt werde, wie ich die Schrecken und das Böse meiner Kindheit überstehen konnte, so fällt mir neben vielen Erklärungen, von denen ich Euch bereits berichtete, auch die Erklärung "Paralleles Leben" ein.
Hätte mir als junger Mensch jemand diesen Begriff genannt, so hätte ich nichts damit anzufangen gewusst. Erst viel später während meines Studiums bin ich dahinter gekommen, wie Kinder und Jugendliche, die viel Gewalt erfahren und/oder sexuell missbraucht werden, sich schützen, um überleben zu können: Sie leben in einer Parallelwelt, so wie ich damals.
Neben all dem Schrecklichen, das ich in meiner Kindheit erlebte, erlebte ich auch sehr viel Gutes, sehr viel Schönes.
Ich hatte eine liebe Freundin, mit der ich, so oft es ging, zusammen war, und ich hatte meinen besten Freeund Hans-Christoph, den Engel meiner Jugend und ich versuchte, mich nach der Schule und am Wochenende möglichst viel in den Familien meiner Freundin und meines Jugendfreundes aufzuhalten.
Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Kapitel über meinen Freund Hans-Christoph in dem Buch DAS ESESLKIND:
"Bei Hans-Christoph zuhause war alles anders, ich wurde nach meiner Meinung gefragt, es wurde gefragt: „Was möchtet ihr, was möchtest Du heute Mittag essen, wie geht es Dir ?, warum bist Du traurig ?“
So kam es des Öfteren vor, dass Frau Köbele mittags meine Lieblingsessen kochte, wie z.B. Milchreis mit Zucker und Zimt oder ein schönes Omelett mit Heidelbeeren.
Aber nicht nur, dass seine Mutter uns unsere geheimsten Esswünsche erfüllte, nein, wir durften bei der Zubereitung dieser köstlichen Speisen mitwirken. Ein Duft nach süßen Zutaten durchzog die Küche, den ich tief einatmete und wir durften während der Zubereitung ohne Ende naschen.
Wir knabberten an den Nüssen wie die Eichhörnchen, wir schleckten selbstgemachtes Eis und leckten jede Küchenschüssel aus, derer wir habhaft werden konnten.
Zusammen mit Frau Köbele backten wir mit heißen Köpfen und unter fröhlichem Lachen an einem Wochenende einen Schokoladenkuchen für seinen Vater, der Tags darauf später Geburtstag hatte.
Der Schokoladenkuchen gelang uns ganz prächtig mit dem kleinen, aber verzeihlichen Fehler, dass wir beide anschließend selbst einem Schokoladenkuchen nicht unähnlich waren.
War Hans-Christoph besonders glücklich, ergriff er die linke Hand seiner Mutter, umfasste mit seinem rechten Arm ihre Hüfte und schwenkte sie durch die ganze Küche und schrie seine überschäumende Lebensfreude und seinen nicht nachlassenden Lebensmut heraus: „Mama, schrie er, Du bist die Beste, ich liebe Dich !“
Seine Mutter lächelte verschmitzt, streichelte ihm über den Kopf sagte leise:
„Das Wichtigste ist, dass Du glücklich bist !“
Wenn Frau Köbele Hans-Christoph in den Arm schloss und fest an sich drückte, nahm sie hinterher mich ebenfalls in die Arme."
Es kam mir jedes Mal vor, als wenn ich das Paradies betreten würde, denn alles, was ich dort erlebte, kannte ich von Zuhause nicht. Und hatte ich "das Paradies" betreten, vergaß ich innerhalb von Minuten, was hinter mir lag und was in der Zukunft auf mich zukommen würde und genoss allein die herrliche Zeit in der Familie meines Freundes.
Hans-Christoph war mit seinem 14 Jahren ein sehr fröhlicher, ein begnadeter junger Mann. Er glaubte fest daran, dass dieses sein Leben nicht das letzte sein werde und er glaube fest an eine Ewigkeit.
Von ihm hörte ich zum ersten Mal eine wunderbare Erklärung, wie lang die Ewigkeit sei.
"Du musst", so sagte er zu mir, "Dir einen viereckigen herrlich leuchtenden Diamanten vorstellen, der gewaltig groß ist: Einen Kilometer hoch, einen Kilometer breit und einen Kilometer lang, der also die Form eines riesigen Würfels hat. Alle einhundert Jahr kommt ein kleines Vöglein und wetzt seinen Schnabel an diesem riesigen Würfel. Und wenn der Stein völlig abgewetzt ist und nicht mehr von ihm übrig ist, dann ist die erste Sekunde der Ewigkeit vorbei."
Ich hoffe sehr, dass seine Hoffnungen in Erfüllung gehen, denn ich würde ihn so gerne einmal wiedersehen und ihm für alles danken, was er für mich getan hat.
Er war das große Licht in meinem Dunkel, der war der Engel, der meiner Finsternis Einhalt gebot und er war der Mutmacher, der mich lehrte, NIEMALS aufzugeben:
Er sagte immer zu mir:
"Ich weiß nicht, was Gott mit mir vorhat, aber ich weiß, dass er etwas mit mir vorhat!"
Sein Glaube hat mich deshalb so berührt, weil er so gar nicht Frömmelndes an sich hatte, wie ich das von Zuhause kannte, sondern weil sein Glaube aus Taten bestand, aus praktischer Hilfe, aus echter Freundschaft, aus Fröhlichkeit, aus Hoffnung, aus Zuversicht.
Wie oft lese ich in Traueranzeigen: "Wir werden dem Verstorbenen immer ein ehrendes Andenken bewahren." Das Gras kann gar nicht so schnell wachsen, wie der Verstorbene oft vergessen ist.
Ich werde das Andenken meines Freundes immer in meinem Herzen tragen und vor allem, solange ich lebe, seine Botschaft der Freude, der Liebe und des NIEMALS-AUFGEBEN weitertragen, um noch viele Menschen Mut zu machen und ihnen Freude zu schenken:
Deshalb möchte ich meine Notizen mit dem Lieblingsgedicht von Hans-Christoph von  Dietrich Bonhoeffer beenden und mit einem Zitat von Hans-Christoph:

"Drei Dinge braucht der Mensch, um glücklich zu sein:
Er sollte ein Ziel vor Augen haben, für das es sich zu leben lohnt.
Er sollte den Zweiflern nicht glauben und niemals aufgeben.
Er sollte jeden Tag fröhlich sein und lachen."

Tagebuchnotizen zum Buch DAS ESELSKIND - Das parallele Leben

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