Tagebuchbloggen: Von Mistelbeeren, blaugeringelten Kraken und wie der Riesensohn „Symbiose“ definiert.

Eigentlich fing alles ganz anders an. Wir standen bei Minus 2 Grad an der Bushaltestelle und warteten auf Bus 2, der uns zum Ecksteinplatz bringen sollte, damit ich den Riesensohn bei einem Freund abliefern konnte, um danach mit den Zwillingen zu einer Kollegin zu gehen, die uns im Auto mit zur Fortbildung nehmen wollte, zu der ich die Zwillinge mitnehmen musste, weil sie an diesem Tag schulfrei hatten.

Was nimmt eine gute Mutter mit, deren Kinder sich im Flur vor dem Fortbildungsraum fünfeinhalb Stunden alleine beschäftigen müssen? Genau, eine RIESEN-Einkaufstasche mit Lego.

„Hilf mir mal“, sagte ich zum Riesensohn,

als wir uns auf den Weg zu Bus 1 machten, der uns zu Bus 2 fahren sollte. Er half, aber er meckerte. Ich bin nicht sicher, ob dieses Dauergemecker charakterbedingt oder pubertätsbedingt ist, aber letztendlich ist das unerheblich. Sagen wir mal so: Es hilft nicht, den Oxytocin-Wert hochzuhalten.

„Mama, sind das Papageien oder Elstern?“

fragen meine Söhne, während wir in der Kälte frierend und auf Bus 2 wartend einige Vögel beobachten, die in der nächstbesten Platane herumkletterten.

„Man sieht das, wenn sie fliegen“, erklärte ich, während ich Atemwölkchen in die Luft sendete, „hey, ich glaube, die fressen da Mistelbeeren.“

„Was sind Misteln?“, fragte ein Sohn.

„Das sind Pflanzen, sie wachsen auf Bäumen und stecken ihre Wurzeln in die Äste des Baumes, um ihm Nährstoffe und Wasser wegzunehmen. Siehst du: Die grünen Büschel da auf der Platane.“

„Die klauen??“

„Ja, das sind Schmarotzer oder man nennt sie auch Parasiten.“

Sohni überlegte: „Diebe sind auch Schmarotzer, oder? Die nehmen ja auch nur und geben nichts.“ Ich nickte glücklich über diese Transferleistung.

„Und wie heißt das, wenn zwei sich gegenseitig was geben?“, erkundigte sich der Riesensohn.

„Das nennt man Symbiose.“

„Ah, wie bei dem blaugeringelten Kraken?“

„Bei dem was??“

„Bei dem blaugeringelten Kraken. Der ist total giftig, aber das Gift kommt von Bakterien, die in ihm wohnen. Die Bakterien geben dem Kraken das Gift und der Krake gibt den Bakterien eine Wohnung.“

Ich war beeindruckt. Vielleicht würde es sich lohnen, dem ganzen noch eine pädagogische Richtung zu geben? „Eine Familie sollte ja auch eine Symbiose sein“, sagte ich spitz und deutete auf die schwere Lego-Tüte.

Der Pre-Teen grinste: „Ja, klar, Mama. Ich lasse dich die Tüte alleine tragen, das hilft dir, stärker zu werden und dafür gibst du mir eine Wohnung.“

Er hat dann aber doch beim Tragen geholfen.


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