Tagebuch - Haters gonna hate

Ich habe wieder zugenommen. Genaugenommen schwankt mein Gewicht eigentlich ständig und ich bin nur sehr selten auf dem Wert, der oben in meinem Ticker steht. Also richtig genau genommen, war ich schon verdammt lange nicht mehr dort.
Es gibt Tage, wie heute, da lässt mich das verzweifeln. Dann gibt es Tage, da traue ich mich nicht mal in den Spiegel zu schauen weil mir allein schon mein Körpergefühl sagt, dass ich womöglich wieder mein alten Klamotten raussuchen sollte, weil mir meine schönen "kleinen" Sachen gar nicht mehr passen. Dann gibt es wieder Tage, an denen mir das gar nichts ausmacht, weil ich sehe, dass ich nicht dick bin. Dass ich keinen Grund habe zu zweifeln oder verzweifelt zu sein. Diese Tage sind selten. Von 365 Tagen im Jahr geht es mir ungefähr an 10 Tagen so, wie ich es gerade beschrieben habe. Das ist ganz schön wenig. Das finde ich auch. Und ich weiss auch, dass das nicht an meinem Körper, sondern an meinem Kopf liegt. An meiner Sicht auf mich selbst. An meinen selbst gesteckten und bisher nicht erreichten (vielleicht nie erreichbaren) Zielen. An meinem Problem, nicht sehen zu können, was ich im Moment habe und nur zu sehen, was ich haben könnte/sollte oder gerne hätte. Dem familiären Defizit, nie mit dem zufrieden zu sein, was man hat.
Ich versuche angestrengt, diese Sicht zu ändern, aber ich gebe offen zu, dass es einerseits total schwer ist und ich andererseits auch nicht weiss, wie ich das anstellen soll.
Abnehmen war so leicht. Es gibt nichts, was leichter ist, als Gewicht zu verlieren. Es hat auch Spaß gemacht. Ich hatte Motivation, Durchhaltevermögen und das besondere Fünkchen an persönlichen Drill. All das vermisse ich jetzt.
Klar, all das war damals als ich anfing total leicht: Ich hatte keinen Job, konnte morgens gleich mal 1 oder 2 Stunden Ausdauersportmachen. Musste nicht schnell schnell etwas in mich hineinstopfen, sondern konnte bewusst essen, was mir gut tat und gesund war. Ich hatte Zeit und Muse, ich von meinem Heißhunger, meinem Frust oder meiner Langeweile abzulenken. Alles lief toll. Die Pfunde purzelten.
Heute ist das nicht mehr so. Ich stehe ständig unter Strom. Habe einen Vollzeitjob, einen Sohn und ständig was zu tun. Mein Tag beginnt um 4 Uhr morgens. Kaffee trinken, ein bisschen entspannen und versuchen, mich so herzurichten, dass ich auf der Straße auch erkannt werde. Je weniger Stunden Schlaf hinter mir liegen, desto leichter ist das (erstaunlicherweise - Heute Nacht habe ich nur 2 Stundne geschlafen und sehe aus wie das blühende Leben). Um 7 beginnt mein zweites Leben im Büro. Ich versuche ranzuklotzen, alles in meine Arbeitszeit zu quetschen, was zu tun ist. Ich habe Stress. Ich mache mir selbst Stress. Ich will es gut machen und das gelingt mir auch. Immhin will ich pünktlich gehen. Noch ein paar Stunden mit meinem Sohn spielen, Zeit mit ihm vebringen. Mit meiner Mutter reden. Auf die Idee, dass ich nach der Arbeit noch was für mich tun könnte, bin ich schon lange nicht mehr gekommen. Ich bin ja schon froh, wenn ich 15 Minuten Duschen einplanen kann. Diese kurze Zeit fühlt sich dann an wie ein 3 tägiger Wellnessurlaub. Das heisst, wenn ich es wirklich ins Bad schaffe. Ich sage es ganz ehrlich. Meist tu ich das nicht, weil mir Schlafen einfach wichtiger ist. Nachtruhe gibt es für mich nicht. Zwar hilft mir meine Mutter unter der Woche nachts mit der Betreuung meines Sohnes, damit ich ein bisschen Schlaf bekomme, aber eigentlich ist auch das nicht möglich. Meistens stehe ich schon um 2 oder 3 wieder auf. Koche Kakao, wickel meinen Sohn oder tanze mit ihm zur Endlosschleife von Donikkl`s Fliegerlied durch die Wohnung. Meistens lohnt es sich nicht, danach noch mal ins Bett zu gehen.
Ich mache das gerne. Ich jammer nicht darüber und es hat mir auch noch nie jemand angemerkt, wie kurz meine Nacht war, bzw wie lang der Tag davor... Ich beschwere mich nicht und ich nehme nicht an Fahrt ab. Ich erledige meine Aufgaben trotzdem so gut es geht. So viel es geht und so schnell es geht.
Was mir dann bitter aufstößt sind Menschen, die meinen mich und meinen Lebensstil kritisieren zu müssen. Sei es die Tatsache dass sie nicht verstehen können, dass mein Sohn und meine Mutter oberste Priorität für mich haben und ich nun mal daheim bleiben muss, wenn mein Kind mit Fieber im Bett liegt. Sei es auch die Tatsache, dass selbst ich bei Fieber mal eine Auszeit brauche. Sei es die Tatsache, dass ich nicht so hip und spontan bin, wie sie selbst. Dass in meinem Leben ein anderer Inhalt ist als Party, Saufen oder leeres Geschwätz. Meinen Job lege ich nicht ab, wenn ich das Büro verlasse. Mein Hirn schalte ich nicht ab, sobald die Tür hinter mir ins Schloss fällt und selbst mein Handy darf klingeln, auch wenn ich eigentlich nicht in der Lage bin auf irgendwas zu reagieren. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, einfach nur noch zu agieren. Wie ein Roboter, programmiert auf Leistung.
Wie soll ich auf mein Gewicht achten, wenn ich versuche nur etwas in mich hineinzustopfen, damit der Motor weiter knattert? Wie soll ich verzichten, wenn meist ein Stück (oder 2 oder 3) Schokolade die einzige Entspannung ist, die mir gönnen kann? Wie soll ich Kalorien sparen, wenn mein Sohn nur isst, wenn ich auch was esse?
Ich möchte kein Mitleid, kein Verständnis. Besonders nicht von den Leuten, die meinen sich über mich ihren Mund zerreissen zu müssen. Die meinen, dass sie es besser können oder irgendein Recht haben mein Leben und meine Umstände zu bewerten. All den Menschen, deren Gespräche verstummen, wenn ich den Raum betrete gönne ich ähnliche Situationen, Einsichten in eine Welt, über die sie bei mir nur spotten und herziehen.
So wie mir geht es vielen alleinerziehenden Müttern. Wenn nicht sogar allen. 48 Stunden Tage, Menschen, die nichts besseres zu tun haben als sich die Münder zu zerreissen, wenn sie überhaupt mit einem reden und einen nicht einfach so von oben herab behandeln. Als hätte man Ihnen persönlich Leid angetan, nur weil man andere Prioritäten hat....
Ich sollte stolz auf mich sein! Stolz auf fast 50 verlorene Kilos (eigentlich sind es sogar mehr, da ich nach der Geburt meines Sohnes noch mal 30 Kilo verloren habe)! Stolz auf unzählig vergeschmolzene Zentimeter! Stolz auf meinen Sohn, der mir jeden Tag aufs neue zeigt, dass die Hater da draußen wirklich bemitleidenswert sind, weil ihnen so viel entgeht! Mein Sohn ist der Superman, der die Sonne an einen grauen Tag hinter Wolke herzieht und genau über meinen Kopf setzt! Ich bin stolz auf meine Familie, die hinter mit steht und mich nicht nur anhand der Tage bewertet, an denen ich kapituliert habe, sondern anhand der Tage, an denen ich wieder aufgestanden und weitergelaufen bin! Ich bin stolz auf meine Freunde, die immer da sind, auch wenn ich nicht immer da bin! Ich bin stolz auf sie, weil sie mich mögen, obwohl ich ein verdammt schlechter Freund bin, eine Zicke, eine Heulsuse oder einfach ein vergessliches Geschöpf welches beim Überqueren der Strasse nicht mal mehr weiss, was es eigentlich hier wollte! Ich sollte stolz sein, dass ich trotz Stress und Ärger nicht wieder zugenommen habe, dass mein Gewicht nur schwankt! Ich sollte stolz sein, dass ich trotz allem noch die Motivation besitze, Abends Sport zu machen! Ich sollte auf so viel stolz, dass eigentlich gar kein Platz mehr für Zweifel da sein kann...
Ich bin stolz auf mein Leben wie es ist im Moment. Ich lasse die anderen reden, denn das tun sie so und so - am liebsten hinter meinem Rücken. Ich bin stolz auf meine Freiheit, meine Überzeugung, meine Fähigkeit, immer wieder aufzustehen, egal wie scheiße es aussieht. Ich bin stolz, dass ich all das unter einen Hut bekommen habe und dennoch nicht so verbittert bin wie all die Hater hier. Ich bin stolz so zu sein wie ich bin!
Danielas Aufgabe für den April: Lerne dich wieder selbst lieben! Versuche dich im Spiegel zu sehen wie du bist und nicht so wie du am meisten Angst vor dir hast! Tu das, was dir gut tut! Sei so, wie du dich am liebsten hast!

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