Tagebuch - Feinde, Freunde, Verbündete und nichts als Fremde

Wie bin ich eigentlich so? Wer bin ich? Wieviele? Und generell: warum eigentlich?
Das habe ich mich ja schon in meinem letzten Post gefragt.
Bevor ich nun aber abdrifte in die Scheinwelt der Lyriker und Philosophen (in der ich mich by the way eigentlich eh am wohlsten fühle), habe ich mich ganz neutral gefragt, was mich eigentlich ausmacht. Woran man mich aus tausenden erkennt - oder wo ich mich tausenden angleiche. Das ist alles recht kompliziert und schwierig zu erklären, denn mit ein paar trockenen Worten, erklärt man keinen Menschen. Schon gar keinen Nerd und Schreiberling, so wie ich das bin. Es gibt so viel zu sagen und nach hunderten von Seiten fällt einem vielleicht auf, dass es eigentlich gar nichts zu sagen gibt.
Menschen werden von ihrer Angst getrieben, vielleicht in Richtungen, in die sie gar nicht laufen wollen (ich spreche aus Erfahrung). Menschen werden vom Glück beflügelt und landen in Ecken, an die sie nie gedacht haben. Menschen werden geleitet von Idealen und Vorstellungen, manchmal auch in komplett falsche Richtungen. Menschen werden getragen von ihrem Glauben, Wünschen und Hoffnungen und vielleicht fallen sie auch mal. Und hier und da stehen Menschen auch wieder auf, gezogen und geschützt von ihrem Stolz und ihrem Mut.
* * *
In meinem Alter weiss man meist schon ganz genau, wer Feind und wer Freund ist. Man weiss sich einzuschätzen und besonders weiss man, was man nicht will.
Im Laufe der Jahre haben sich bei mir mehrere Feinde angesammelt. Zucker zum Beispiel. Ich möchte ihn verbannen aus meinem Leben, aber immer wieder kriegt er mich. Wie ein Junkie krieche ich auf allen Vieren jammernd ihm entgegen mit der Bitte, dass er mir nur dieses eine Mal noch mal was gibt. Doch was gibt mir Zucker? Zufriedenheit? Glück? Irgendein Wohlgefühl? Eigentlich nicht. Klar, gerne esse ich mal ein Stück Schokolade (gut, mehrere Stücke Schokolade - unter anderem), aber esse ich es weil ich es brauche, oder weil ich einfach nur süchtig bin und mir einbilde, dass ich Zucker haben muss, weil ich sonst kein Stück weiter leben kann? Ich würde sagen: JA, ich bin süchtig! Süchtig nach Zucker! Und wie jede andere Sucht auch, ist das nicht sonderlich gesund. Gut, nach einer Überdosis sterbe ich nicht. Aber dass dank Zucker der Tod leise um mich schleicht und nur darauf wartet, dass ich wieder schwach werde (und diesmal für immer), ist mir klar. Was den Entzug so schwer macht, ist die Tatsache, dass Zucker heutzutage überall drin ist. Selbst da, wo man ihn nicht erwartet. Nicht braucht. Wer mich kennt weiß, dass ich ein Gegner der heutigen krank machenden Lebensmittelindustrie bin. Mit inzwischen Gluten- und Laktoseintoleranz ist es wie ein Hürdenlauf in einem Laden - außer pure Lebensmittel wie Obst und Gemüse - etwas zu finden, was ich zum Beispiel unterwegs essen kann. Und schon wären wir bei meinem zweiten Feind angekommen: die Lebensmittelindustrie. Die vielen tollen Firmen mit ihren E`s im Essen. Die mit ihren Produkten Menschen erst krank machen. Krank und abhängig. Unter anderem von Zucker. Ich sage euch, wenn ich hier jetzt weiter schreiben würde, hätte dieser Post hunderte von Seiten und ich ganz schlechte Laune. Also lasse ich es mal so stehen. Freue mich aber über eure Meinung zu diesem Thema.
Ein großer Feind bin aber auch ich selbst. Falscher Stolz, zu hohe oder zu falsche Ziele, kein Sinn für die Realität und geleitet von Modezeitschriften mit dürren Frauen, die mir vorgaukeln, dass ich nur so gut bin. Falsche Wünsche und Träume und ja, eingefahrene Ansichten machen mir das Leben schwer. All das sind Feinde, die ich nicht so leicht los bekomme. Feinde, die immer auf meiner Schulter sitzen und feixen und lachen. Feinde, die mir sagen, dass dieser eine Mann mich nicht an- sondern auslacht. Weil ich so fett bin. Feinde die mir sagen, dass mich mit meiner Figur und meinem Gewicht niemand ernst nimmt. Ich wüsste das ja auch selbst, weil es immer so war. Als ich noch 120 Kg hatte. Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen damals und heute. Ich fühle keinen. Vielleicht sehe ich eine kleine Veränderung, aber nichts, was mich jetzt umdenken lassen könnte. Ich bin mein eigener Feind. Ich mache mir selbst mein Leben schwer. Lasse Gelegenheiten ziehen, weil ich mich automatisch schlecht mache, ohne mir selbst eine Chance zu geben. Nicht aus Angst vor Enttäuschung, sondern aus der Überzeugung heraus, dass es eben so ist, wie es ist. Manchmal zweifel ich, ob es wirklich so ist. Aber ich kann mich auch schnell wieder vom Gegenteil überzeugen. Nicht, weil es so bequem ist, denn ich liebe Veränderungen, sondern weil es einfach nicht anders geht. Ich fühle mich gefangen im psychischen Körper meines eigenen Übergewichts und langsam versteinert sich die Hülle herum und ich werde ewig im dicken Mädchen leben bleiben. Ein Gefühl, welches mir Angst macht, weil ich dann die ganzen letzten 5 Jahre vollkommen umsonst geackert und gekämpft hätte....
* * *
Freunde. Ja, wer sind denn meine Freunde? Abgesehen von den von mir sehr geliebten Menschen in meinem Leben (Tobi, Iris und Katha)?
Musik ist mein Freund. Musik war immer für mich da und hatte immer die richtigen Worte. Für jeden Moment die richtigen Lyriks, für jede Frage, die richtige Antwort und für jeden Schmerz die richtige Medizin. Mein Tag steht und fällt mit Musik. Musik hat mich nie in eine Schublade steckt oder versucht zu beeinflussen, mich nie beschimpft oder bevormundet, nie meine Meinung in Frage gefragt und mich immer Ernst genommen. Musik ist nie gegangen, wenn es mir am schlechtesten ging und Musik hat immer geantwortet, wenn ich gerufen habe.
Essen ist mein Freund.  Eigentlich ist Essen mein Feind. Eine Droge, die ich mir nur in Maßen geben kann. Darf. Es gibt nichts, wo ich so sehr aufpassen muss wie beim Essen. Es gibt nichts, was mich so krank macht und es gibt nichts, was mich so gesund macht, wie Essen. Es ist ein schmaler Grad auf dem ich bei diesem Thema wandere und ich muss jeden Tag aufs Neue versuchen, mich mit diesem Thema gut zu stellen. Denn es geht leider nicht ohne. Aber es geht auch sehr schlecht mit. Eine Hassliebe sondergleichen.
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Mein größter Verbündeter - wieder - ist mein Sport. Wir hatten schon vor meiner Schwangerschaft ein gutes Bündnis, aber das war nichts im Gegensatz zu jetzt. Wir stehen für einander ein und haben schon so manch schwere und schwitzige Stunde hinter uns gebracht. Und wir haben noch viele solche Stunden vor uns, auf die ich mich sehr freue. Ich hoffe, dass diese Verbindung nun für ewig hält und eine der wenigen Konstanten in meinem Leben bildet.
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Seit 10 Jahren lebe ich nun schon in dieser Gegend. Teilweise ziemlich allein in einem Pulk voll fremder Menschen. Das liegt zum Teil an mir und zum Teil an den anderen.
Als ich her zog bildeten sich zwei Gruppen von Menschen. Die einen überrannten mich förmlich und wollten mich unbedingt kennenlernen. Alles wissen. Das nahte schon an einer Belagerung, die allerdings recht schnell wieder abflaute, als ich nicht mehr neu und exotisch, sondern einfach da war. Menschen die gestern noch "Hallo, wie geht es dir?" sagten, kenne dich heute nicht mehr. Die andere Hälte wollte mich gar nicht kennenlernen und redete lieber über mich als mit mir (was ich heute noch gut beobachten und besonders mithören kann). Das ging bei manchen so weit, dass sie selbst mir, die neuesten Geschichten über mich erzählten, ohne zu wissen, dass ich ich bin. Was ich sehr spannend fand, denn teilweise war mein erfundenes Leben viel spannender als mein wirkliches eigentliches. Nach den ersten 3 Jahren und unzähligen solcher Ereignisse habe ich mich aus dem allgemeinen Leben weitesgehends ausgegliedert. Ich hatte keine Lust mehr, mitzumachen. Und das habe ich noch heute nicht. Über die "öffentliche" Meinung bilde ich mir selbst keine Meinung, finde es aber spannend zu sehen, wie die Menschen da draußen versuchen, mich in eine Schublade zu quetschen auf der beispielsweise arrogant, ständig schlecht gelaunt, nerdig, aggressiv und womöglich auch dumm. Cool oder? Ein ganz neues Ich!
Nach der Geburt meines Sohnes ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen, dass ich es einfach allen nicht rechtmachen muss (auch wenn ich es teilweise noch immer tue oder vorhabe und mich selbst dabei ertappe in alte Muster zu verfallen und mich zu fragen, wie mich die anderen wohl finden, obwohl mir das doch so egal sein könnte...sollte), dass ich es nicht nötig habe, bestimmte Dinge zu tun, dass ich nicht an Dingen festhalten muss, die mir nichts bringen, die ich nicht will und die mir nichts zurückgeben nur aus Angst, dann gar nichts zu haben. Ich habe gesehen, dass ich auch wenn ich so bin, wie mich die anderen gerne hätte, nicht das bin, was sie wollen. Dafür bin ich aber viel unglücklicher.
Ach ja...all das ist ein Widerspruch in sich. Und das bin ich wahrscheinlich auch. An guten Tagen bin ich vielleicht so wie die andere mich sehen (außer dumm! Also bitte!!) und an anderen Tagen bin ich vielleicht das genau Gegenteil. Ich lege einfach nur noch Wert darauf, so zu sein wie ich bin und wie ich mich gerade fühle. Ich versuche mich nicht mehr zu verstecken. Ich versuche jeden Tag zumindest eine Sache an mir zu finden, die ich mag - auch wenn es der verbotene Eiweißriegel in meiner Handtasche ist. Ich arbeite täglich an mir.
Um zu gefallen.
Mir zu gefallen.....

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