Tage der Schwermut

Eine mir vertraute innere Stimme flüsterte mir zu: „Deine Leserinnen und Leser wollen nichts über deine gelegentliche Schwermut wissen, das ist ihnen zu persönlich. Und überhaupt: Reiss dich zusammen!“ Nachdem ich eine Weile durch meine Wohnung schlurfte, ohne Lust und ohne Ziel, setzte ich mich auf einen Stuhl und lauschte in die Stille. Ich fühlte mich innerlich aufgekratzt und gleichzeitig körperlich schwer, ohne Antrieb. Leise Verzweiflung breitete sich aus und mir war nach Jammern zumute. Irgendwie wollte ich weinen, aber es ging nicht. In diesem Zustand gar eine Kolumne zu schreiben, erschien mir als ein unmögliches Unterfangen.

Alleine zu sein, kam mir gerade recht; in diesem Zustand wollte ich niemandem begegnen, auch meiner Frau nicht. Schliesslich gelang es mir, mich aufzuraffen und nach draussen an die frische Luft zu gehen. „Das wird dir gut tun!“, redete ich mir ein. So trottete ich los mit einem Körpergefühl, als müsste ich einen Kartoffelsack hinter mir her schleppen. Wie ich dann also an herbstlichen Wiesen und Feldern vorbeizog, schaute ich eine Weile den Rabenkrähen und einem Bauern beim Pflügen seines Ackers zu. Düstere, deprimierende Gedanken begleiteten mich. Dabei erinnerte ich mich an den Spruch vom halb leeren Glas, das an guten Tagen halb voll erscheinen mag. Heute aber spürte ich in mir weder Frieden, noch Vertrauen ins Leben, noch Zuversicht in eine verheissungsvolle Zukunft. Ich fühlte mich einfach nur schwer, antriebslos und dünnhäutig.

Wenn ich Sie noch nicht vertrieben habe mit meinem Bericht, dann werden Sie sich an dieser Stelle vielleicht fragen, was denn los war, weshalb ich mich so fühlte. Und genau das ist eben die Krux; ich weiss es nicht. Ich kann Ihnen kein nachvollziehbares Argument für den beschriebenen Zustand nennen. Es geht mir im Allgemeinen gut. Nichts war passiert, was meine Tage der Schwermut gerechtfertigt hätte. Es ist viel mehr so, dass ich solchen Gemütszuständen in regelmässigen Abständen begegne, das kenne ich von mir.

Launen und Gefühle scheinen sich offenbar nicht um Argumente zu kümmern; sie kommen und gehen wie das Wetter. Was ich lerne, ist, dass ich weder etwas dagegen unternehmen kann, noch muss. Die Herausforderung scheint viel mehr darin zu bestehen, mich so sein zu lassen, wie ich bin, mit all meinen Launen und Gefühlen. Diese Lektion bietet mir das Leben hartnäckig immer wieder an. Vor diesem Hintergrund wünsche ich Ihnen, dass Sie freundlich mit sich umgehen können, sollte Ihnen das Leben gelegentlich dunkle und schwere Tage bescheren, und nicht nur im November.


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